Im Streit über den Termin für Neuwahlen in Deutschland hat Wahlleiterin Ruth Brand den Unions-Vorwurf einer Einmischung des deutschen Kanzleramtes zurückweisen lassen. „Es gab keine Weisung oder Einflussnahme auf die Position der Bundeswahlleiterin im Zusammenhang mit Neuwahlen“, sagte ein Behördensprecher am Wochenende.
„Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ist die Bundeswahlleiterin als unabhängiges Wahlorgan (...) nicht an Weisungen, sondern an die gesetzlichen Vorschriften gebunden“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters den Sprecher. Es sei Aufgabe der Bundeswahlleiterin, bei der Vorbereitung von Wahlen auch auf Risiken hinzuweisen.
Parteipolitische Spielchen
Am Samstag hatte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, dem deutschen Kanzleramt vorgeworfen, die Bundeswahlleiterin für seine Zwecke nutzen zu wollen. Die Rumpfregierung aus SPD und Grünen sollte „sämtliche Versuche unterlassen, Behördenleiter für parteipolitische Spielchen zu instrumentalisieren“, sagte Frei Reuters. „Die Union fordert nichts anderes, als Neuwahlen nach Recht und Gesetz.“ Brand war Anfang 2023 als Präsidentin des Statistischen Bundesamtes vom SPD-geführten Innenministerium berufen worden und nimmt in dieser Funktion auch das Amt als Bundeswahlleiterin ein.
Kritik an der Union kam auch aus den Reihen von SPD und Grünen. „Nur weil der Union die Aussage der Bundeswahlleiterin nicht passt, darf man sie nicht so diskreditieren“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, Reuters. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, stimmte zu: „Es ist schäbig, eine Behördenleiterin dafür zu kritisieren, dass sie angemessene Verfahrensweisen anmahnt, um eine faire und ordnungsgemäße Wahl sicherzustellen, denn das ist schlicht ihre Aufgabe“, sagte sie zu Reuters. Dies „untergräbt das Vertrauen in demokratische Wahlen“.
Brand erklärte nach Angaben ihres Sprechers in ihrem Schreiben vom Freitag an den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, dass die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl essenziell für das Vertrauen der Bürger und Bürgerinnen in die Demokratie sei. Deshalb sei es erforderlich, den vom Grundgesetz vorgegebenen Zeitraum der 60 Tage ab Auflösung des Deutschen Bundestages voll ausschöpfen zu können, um alle erforderlichen Maßnahmen rechtssicher und fristgemäß treffen zu können. Am Montag wollen die Landeswahlleiter über das weitere Vorgehen beraten.
Lindner entlassen
Als Folge des andauernden Budgetstreits der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte Scholz am Mittwoch den deutschen Finanzminister Christian Lindner entlassen. Die FDP kündigte daraufhin die Koalition auf und forderte wie CDU/CSU sofortige Neuwahlen. Die kann es aber erst geben, wenn der deutsche Bundeskanzler im Bundestag die Vertrauensfrage verliert und anschließend den Bundespräsidenten auffordert, das Parlament aufzulösen. Scholz hat die Vertrauensfrage für den 15. Jänner angekündigt, was Union und FDP als zu spät kritisieren.
„Ich erwarte von Noch-Bundeskanzler Scholz, dass er so schnell wie möglich die Vertrauensfrage stellt“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der „Rheinischen Post“ (Montagausgabe). „Eine lange Hängepartie kann sich unser Land nicht leisten.“ Scholz solle möglichst direkt nach seiner für Mittwoch geplanten Regierungserklärung im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, sagte Djir-Sarai. SPD-Co-Chef Lars Klingbeil mahnte zu einem Ende der Diskussion über den Wahltermin. „Die Debatte wird mir viel zu emotional geführt“, sagte Klingbeil „Zeit online“.
Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen warf dem Koalitionspartner SPD sowie Union und FDP schwere Fehler vor. In der bis 2021 regierenden Großen Koalition von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe „Selbstzufriedenheit und Bequemlichkeit“ geherrscht, sagte Habeck am Samstag bei einer Veranstaltung in Neuhardenberg zum 35. Jahrestag des Mauerfalls. In der Großen Koalition seien SPD, CDU und CSU „blind für die Veränderungen der Zeit“ und „konfliktscheu“ gewesen, „mit der Folge, dass wir jetzt lauter Konflikte auf einmal führen müssen“.
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