Sie demonstrierten, schlugen Scheiben ein, wurden niedergeknüppelt und traten in Hungerstreik – alles für das Frauenwahlrecht. Die „Suffragetten“ brachten das Thema Frauenrechte im Jahr 1910 europaweit in einer Weise an die Öffentlichkeit, die nicht mehr zu ignorieren war.
Nachdem die Frauen bei der britischen Wahlrechtsreform 1867, die mehr Männern als bisher das Wahlrecht ermöglichte, leer ausgegangen waren, versuchte es die Frauenrechtsbewegung zunächst mit Überzeugungsarbeit. Doch nach 40 Jahren erfolglosem Engagement radikalisierte sich einer ihrer Flügel. Der Wendepunkt war 1910 eine – wieder einmal – gescheiterte Gesetzesnovelle, die Frauen mehr Rechte zugestanden hätte.
Die „Suffragetten“ setzten nun statt Lobbying auf offene Rebellion: Sie demonstrierten, stürmten politische Veranstaltungen, warfen Steine durch die Fenster von Downing Street 10, dem Sitz des Premierministers, und verübten Brandanschläge auf leerstehende Gebäude.
Sie traten in Hungerstreiks und wurden zwangsernährt
Die Presse überschlug sich in Berichten über Frauen, die in Polizeiwagen abtransportiert wurden oder im Gefängnis in Hungerstreik traten und dort auf dramatische Weise zwangsernährt wurden – dadurch wurde der Kampf um das Frauenwahlrecht in jedes Wohnzimmer getragen.
Der traurige Höhepunkt war am 4. Juni 1913 erreicht, als die Aktivistin Emily Wilding Davison bei einem Pferderennen auf die Rennbahn lief und sich vor das Rennpferd von König George V. warf, um auf die Rechte der Frauen aufmerksam zu machen. Davison wurde niedergetrampelt und erlag wenige Tage später ihren Verletzungen.
Der Erfolg der Suffragetten ist zwar unbestritten, denn sie brachten das Thema Frauenrechte europaweit in einer Weise an die Öffentlichkeit, die nicht mehr zu ignorieren war. Dennoch waren nicht die radikalen Frauenrechtlerinnen der Auslöser dafür, dass 1918 in den meisten Staaten Europas das allgemeine Wahlrecht für Frauen eingeführt wurde – es war der Erste Weltkrieg, der zu politischen und rechtlichen Änderungen führte.
Wer seine Pflicht gegenüber dem Vaterland verrichtet, soll auch wählen
Denn nach viereinhalb Jahren Krieg, in denen die Frauen die Stellung an der Heimatfront hielten, den Platz ihrer an der Front kämpfenden Männer einnahmen und Arbeitsdienst in der Rüstungsindustrie leisteten, und damit ganz so, wie es die Propaganda forderte, ihre Pflicht gegenüber ihrem Vaterland verrichteten, gab es kein Argument mehr dagegen, warum Frauen nicht auch das Wahlrecht haben sollten.
In Österreich wurde 1918 das allgemeine Frauenwahlrecht eingeführt
„Zum Wählen zu dumm, aber zur Arbeitspflicht für das Kriegsführen gescheit genug!“, hatte etwa die sozialdemokratische Frauenrechtlerin Adelheid Popp (1869-1939), gerufen. Sie war neben Marianne Hainisch (1839-1936) eine der Wegbereiterinnen der österreichischen Frauenbewegung.
In Österreich wurde das allgemeine Frauenwahlrecht nach Kriegsende am 12. November 1918 eingeführt – in Großbritannien, dem Mutterland der Suffragetten, dagegen erst im Jahr 1928.
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