Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat für ein Zusammenspiel von militärischer Stärke und diplomatischen Bemühungen plädiert. Damit spricht er indirekt Donald Trump an, dessen Sieg in Kiew positiver gesehen wird, als viele denken.
„Wir verstehen sehr gut, dass Diplomatie ohne Stärke keine Perspektive hat“, sagte Selenskyj am Sonntag in seiner abendlichen Videoansprache. „Aber ohne ein klares Verständnis der diplomatischen Ziele werden Waffen allein nicht ausreichen. Deshalb müssen Stärke und Diplomatie Hand in Hand gehen.“
Trumps Sieg als Chance?
Nur so könne ein dauerhafter Frieden gesichert und eine Wiederholung von Kriegen wie dem zwischen Russland und der Ukraine verhindert werden. Seine Worte können als Botschaft an Donald Trump verstanden werden, der ohne Kiew in Kenntnis zu setzen, mit Wladimir Putin telefoniert hat.
Die Ukraine hat nach eigenen Angaben mit Vorbereitungen für ein Treffen von Selenskyj mit dem designierten US-Präsidenten begonnen. Das erklärte Außenminister Andrij Sybiha bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit EU-Chefdiplomat Josep Borrell am Sonntag in Kiew.
„Der Dialog zwischen Trump und Selenskyj ist bereits hergestellt“, sagte er mit Blick auf das jüngste Telefonat der beiden Politiker vor wenigen Tagen. „Wir sind für weitere Zusammenarbeit offen.“
Trump und Selenskyj hatten sich zuletzt Ende September in New York am Rande einer USA-Reise des ukrainischen Präsidenten getroffen. Dabei habe Selenskyj Trump den ukrainischen Friedensplan vorgestellt, der in seinem Kern einen „Frieden durch Stärke“ vorsehe, erinnerte Sybiha.
Jetzt geht es um alles oder nichts
Zentrale Punkte dieses Plans sehen weitere westliche Waffenlieferungen an Kiew sowie eine zeitnahe Einladung zum NATO-Beitritt vor. Der Wahlsieg Trumps hat globale Konsequenzen. Die Ukraine erhofft sich dem Außenminister zufolge dadurch eine Chance, den Weg zu einem gerechten Frieden zu beschleunigen.
Kiew muss nach dem Einzug Trumps in das Weiße Haus ab 20. Jänner allerdings befürchten, dass die militärische Unterstützung der USA drastisch nachlassen oder gar eingestellt werden könnte. Der Republikaner legte jüngst nach und tönte, den Konflikt noch vor seinem Amtsantritt lösen zu können. Was genau das heißt, weiß aktuell wohl nur er selbst.
„Präsident Biden wird in den nächsten 70 Tagen Gelegenheit haben, dem Kongress und der neuen Regierung klarzumachen, dass sich die Vereinigten Staaten nicht aus der Ukraine zurückziehen sollten und ein Rückzug aus der Ukraine zu mehr Instabilität in Europa führen würde“, erklärte beispielsweise Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan dem Sender CBS.
Dem Vernehmen nach sieht Kiew in Trumps Sieg eine Möglichkeit, die bisherige „Stück für Stück“-Strategie der US-Regierung hinter sich zu lassen. Die genehmigten Milliardenhilfen von Joe Biden wurden immer wieder als „langsamer Tod“ beschrieben. Zu viel, um zu sterben. Zu wenig, um echte Fortschritte zu machen. Unter Trump lautet das Motto: alles oder nichts …
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