Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) trifft am Montag die Schwester der inhaftierten belarussischen Oppositionellen Maria Kolesnikowa, Tatjana Chomitsch. Sie zeigt sich tief besorgt über ihr Schicksal – die Haftbedingungen entsetzen.
Gehört hat Chomitsch schon lange nichts mehr von ihrer Schwester. Der letzte Kontakt fand im Februar 2023 statt, berichtet sie am Montag. Von Gefangenen, die im vergangenen Monat freigelassen wurden, wisse sie, dass sich Maria Kolesnikowa in Isolationshaft befinde. Diese kleine, stinkende Zelle sei nur mit einem Waschbecken und einem Loch als WC ausgestattet. Ihre Schwester habe demnach auch sehr viel Gewicht verloren und wiege nur mehr 45 Kilogramm. Briefe könne sie nicht empfangen, sondern sie werden vor ihren Augen zerrissen, erzählt Chomitsch. Mindestens sechs „populäre“ politische Gefangene würden unter ähnlichen schrecklichen Bedingungen festgehalten, u.a. Sergei Tichanowsky, Viktor Babariko und Maxim Snak. Mindestens sieben Gefangene seien in den vergangenen vier Jahren in belarussischer Haft gestorben.
Tatjana Chomitsch ist nach Wien gekommen, weil im Schauspielhaus am Abend eine Aufführung ihrer Schwester gewidmet ist. „Belarus darf nicht vergessen werden“, warnt Chomitsch Sie fordert Pragmatismus und auch Dialogbereitschaft des Westens, damit Belarus nicht endgültig in die Fänge Russlands gerate.
Kolesnikowa im legendären Frauentrio
Die 1982 geborene Künstlerin und Politikerin Kolesnikowa gehört zu den bekanntesten belarussischen Oppositionellen. Kolesnikowa bildete mit Weronika Zepkalo und Swetlana Tichanowskaja als formaler Präsidentschaftskandidatin jenes legendäre Frauentrio, das im Sommer 2020 eine äußerst erfolgreiche Wahlkampfkampagne organisierte. Massive Wahlfälschungen sorgten nach den Wahlen am 9. August 2020 für öffentliche Proteste, die vom Regime des seit 1994 herrschenden Präsidenten Alexander Lukaschenko brutal niedergeschlagen wurden. Die EU-Staaten erkennen Lukaschenkos Legitimität nicht mehr an. Viele sehen Tichanowskaja als Siegerin des Urnengangs in der mit Russland verbündeten Ex-Sowjetrepublik.
Während Tichanowskaja und Zepkalo die Möglichkeit nutzten, ins Ausland zu fliehen, widersetzte sich Kolesnikowa äußerst mutig. Nachdem sie am 7. September 2020 von Vertretern des Regimes entführt worden war, vereitelte die belarussische Staatsbürgerin eine Abschiebung in die Ukraine, indem sie ihren Reisepass zerriss. Kurz danach wurde sie offiziell festgenommen und ein Jahr später für „Aufrufe zu Handlungen gegen die nationale Sicherheit“ zu elf Jahren Haft verurteilt.
Hoffen auf Begnadigung
Zuletzt hatte Lukaschenko immer wieder politische Gefangene freigelassen. Laut Chomitsch wurden seit dem Sommer rund 150 politische Häftlinge begnadigt. In allen Fällen hatte der Staatschef versichert, dass sie Reue gezeigt und um Gnade gebeten hätten. In einem Interview mit BBC zeigte sich Lukaschenko unlängst offen dafür, für Kolesnikowa Familienbesuche oder gar eine Freilassung zu erwägen, wenn die Familie ein Treffen beantrage und Maria um Begnadigung bitte. „Das gibt mir Hoffnung“, meint Chomitsch. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Wjasna sind aber weiterhin etwa 1300 politische Gefangene inhaftiert. Gleichzeitig fänden wieder Verhaftungen statt.
Sanktions- und Isolationspolitik „nicht erfolgreich“
Wichtig ist laut Chomitsch, dass der Westen auf diese Schritte reagiere. Europäische Länder sollten die Freilassungen anerkennen, eine Fortsetzung dieses Prozesses fordern und Fortschritte durch diplomatische Schritte fördern. Dialog und Diplomatie seien notwendig, dafür könnten auch Botschafter im Land hilfreich sein. Viele Länder wie auch Österreich sind derzeit nur auf Geschäftsträger-Ebene in Minsk vertreten. Die Sanktions- und Isolationspolitik der westlichen Länder hätte zwar Einfluss, aber „waren schlussendlich nicht erfolgreich“, meint die Menschenrechtsaktivistin. Das belarussische Regime habe gelernt, die Sanktionen zu umgehen. Außerdem dürfe das Thema der Freilassung von politischen Gefangenen in Belarus bei möglichen Friedensverhandlungen für die Ukraine nicht ausgespart bleiben. Viele Gefangene säßen wegen ihrer Hilfe für die Ukraine in Belarus in Haft.
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