Als „schamloses“ Angebot bezeichnet die Organisation Attac das jüngste, unverhohlene Angebot der EU-Kommission an die Landwirte des Kontinents. Denn vor allem die bekannt kämpferischen, widerspenstigen Bauern sollen mit einer Milliarde US-Dollar „bestochen“ werden, damit sie ihren Widerstand gegen das Klima tötende Mercosur-Abkommen mit Südamerika aufgeben.
Prompt bezeichnete ein Pakt-freundlicher Diplomat in Paris die angebotene Summe als „interessante Option“. Dessen Landsleute gelten als erbittertste Paktgegner aller EU-Staaten. Laut dem „Politico“ -Magazin wird auch Österreichs Bauern dieser fiskalische Köder vor die Nase gehalten. Prompt holte sich die Brüsseler Agrarlobby bei heimischen Landwirte-Vertretern aber eine Abfuhr. „Unsere Zusage ist nicht käuflich. Wir bleiben beim strikten und unerschütterlichen Nein“, weisen das türkise Gespann, der EU-Mandatar Alexander Bernhuber und NÖ-Bauernbunddirektor Paul Nemecek, die Avancen entrüstet zurück.
Der EU-Mercosur-Pakt sieht unter anderem eine Erhöhung der Einfuhrquote von billigem Rindfleisch von derzeit 200.000 Tonnen auf 300.000 Tonnen pro Jahr vor. Die Importquote für Zucker soll um 10.000 Tonnen erhöht werden, während die Importquote für Bio-Ethanol – das ebenfalls aus Zuckerrohr gewonnen wird – gar um 650.000 Tonnen steigen soll.
Der Pakt würde so die Brandrodungen im Amazonasgebiet zusätzlich anfachen, während Zuckerrübenbauern und Rinderzüchter in Österreich unter enormen ökonomischen Druck geraten würden, warnen Klimaschützer. Schon jetzt importiert die EU Agrargüter, die jährlich direkt für die Zerstörung von 120.000 Hektar Wald alleine in den fünf Mercosur-Ländern verantwortlich sind. Das ist ein Fußballfeld Waldfläche alle drei Minuten.
Bereits 2019 hat sich der österreichische Nationalrat verbindlich auf ein Nein zu EU-Mercosur festgelegt. Diese Entscheidung wird nach wie vor von der Bevölkerung mitgetragen: Laut einer 2023 veröffentlichten Umfrage von der Handelskette Spar und Greenpeace lehnt eine große Mehrheit von 87 Prozent der Österreicher das Handelsabkommen ab.
Wird Abkommen am Rande des G20-Gipfels finalisiert?
Die angebotene Entschädigung sei ein Hohn, eine glatte Farce. Denn für jeden Bauern in der Union würden anteilsmäßig lediglich zehn Euro bleiben. Auch Greenpeace-Chef Alexander Egit ist empört. Dennoch könnte das so umstrittene Freihandelsabkommen beim am Wochenende in Rio de Janeiro stattfindenden G20-Gipfel finalisiert werden.
Abkommen seit 2019 auf Eis
Der Mercosur-Gruppe gehören Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay und seit Kurzem auch Bolivien an. Mit dem Abkommen könnten die EU und Südamerika die größte Handelszone der Welt schaffen, mit mehr als 720 Millionen Menschen. Die Zone würde fast 20 Prozent der Weltwirtschaft und mehr als 31 Prozent der globalen Warenexporte abdecken. Seit 2019 liegt das fertig ausgehandelte Abkommen allerdings auf Eis. Der Vertrag ist sowohl in Südamerika als auch in Europa – wie vor allem in Österreich oder Frankreich – umstritten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärte das Handelsabkommen im Jänner gar für tot. Einige Länder wollen ihre Märkte schützen, andere befürchten die Aufweichung von Arbeits- oder Umweltstandards.
Österreichischer Wirtschaftsdelegierter beschwichtigt
Der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Brasilien, Günther Sucher, sprach sich vor ein paar Wochen für das Abkommen aus. Die Befürchtungen der österreichischen Landwirtschaft, von Billigfleisch aus der Region überschwemmt zu werden, könne er nicht nachvollziehen. Dabei verwies der Wirtschaftsdelegierte auf die in dem Abkommen ausverhandelten Quoten, beispielsweise bezüglich Rindfleisch. Davon würden mit dem Abkommen 99.000 Tonnen pro Jahr mit geringerer Zollhöhe oder gar zollfrei in die EU gelangen – auf Österreich gemünzt wäre das „ein Steak pro Jahr“ (220 Gramm), so Sucher.
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