Seit 60 Jahren ist „The Cal“, Pirellis legendärer Kalender, ein Taktgeber des Zeitgeists. Die 51. Ausgabe steht für eine Wiedergeburt der Aktaufnahmen – wenn auch in zeitgemäßer, sprich nicht sexualisierter Form. Mit Autos hat der Kalender wie gehabt eher nichts zu tun.
Marco Tronchetti Provera, Executive Vice Chairman Pirelli und seit 30 Jahren die Seele von „The Cal“, hatte auf die Frage nach der Bedeutung des 2025er-Kalenders eine kurze, aber präzise Antwort. „Ethan James Greens Kalender zeigt, dass wir auch in diesen schwierigen Zeiten von Schönheit und Würde umgeben sind.“
Es darf wieder nackt zugehen
Der 76-jährige Doyen des Reifen-Riesen brachte es auf den Punkt. Denn auch wenn Ethan James Green, hochdekorierter Mode- und Porträtfotograf aus New York City, bei der 51. Auflage für die Rückkehr der Nacktheit im Pirelli-Kalender gesorgt hat, so spiegelt doch jede der 24 Aufnahmen die Behutsamkeit des Umgangs mit dem Individuum und dessen unsichtbaren Schranken wider.
Kein Bild wirkt aufdringlich oder indiskret, die Schönheit menschlicher Existenz in all ihrer Vielfalt wird auf beeindruckende Weise festgehalten. Ein Kalender als kunstvoller Beweis, dass „MeToo“ und andere emanzipatorische Bewegungen, etwa gegen Bodyshaming, also die Verächtlichmachung anderer Körperformen als der Model-Norm, letztlich doch für eine gesellschaftliche Lernkurve gesorgt haben.
Ob Alt oder Jung, makellos oder narbenversehrt, männlich oder weiblich: Greens Aufnahmen von so unterschiedlichen Personen wie Padma Lakshmi, Autorin, TV-Moderatorin und Model sowie Ex-Ehefrau von Salman Rushdie, dem französischen Schauspieler Vincent Cassel („Ocean’s 12“ und „Ocean’s 13“, „Public Enemy No. 1“, „Die drei Musketiere“), oder den britischen Schauspieler John Boyega („Star Wars“-Trilogie„Pacific Rim – Uprising“) zeigen Grazie, Würde und eben Schönheit.
„MeToo hat nichts mit Nacktheit zu tun“
Padma Lakshmi stellt die Arbeit an dem Pirelli-Kalender in einen gesellschaftlichen Zusammenhang. „Die MeToo-Bewegung hat nichts mit Nacktheit zu tun. Sie bekämpft den Zwang und fordert die Einwilligung. Wenn das geklärt ist, ist alles möglich. Es geht nicht um Nacktheit oder ähnliches. Es geht nur darum, jemandem den freien Willen zu rauben. Das ist der Denkfehler. Es geht nicht einmal um Sex. Es geht um Zwang.“
So war es Greens Models auch freigestellt, wie viel sie von sich preisgeben wollten. Als „Bekleidung“ fungierte während der Aufnahmen in Miami auch unterschiedlichstes Strandgut, etwa Treibholz oder angeschwemmte Palmwedel. Dabei changiert Green, der als dritter Künstler nach Prince Gyasi (2024) und Bryan Adams (2022) selbst als Motiv im Kalender vertreten ist, auch zwischen Schwarz-Weiß- und Farbaufnahme, zitiert die Körpersprache antiker Skulpturen ebenso wie Tanzfotografie und klassischen Akt.
Herausgekommen ist eine Wundertüte an Schönheit. Green und sein Team rücken die Anmut des Individuums ins Rampenlicht, ob nun klassisch - also normativ – „schön“ oder nicht. Das ist nicht nur ein Hochamt der Ästhetik, sondern auch eine Mahnung, die Einzigartigkeit des Menschen nicht aus den Augen zu verlieren in dieser komplexen und krisenvollen Zeit.
„Refresh and Reveal“ lautet das Motto von „The Cal“ in diesem Jahr. Aufgefrischt, enthüllt der Pirelli-Kalender wieder nackte Haut, setzt aber in der Art, wie das geschieht, neue Maßstäbe. Auch, was den Körpereinsatz des Fotografen anbelangt. Auf seine Motivation, sich für den eigenen Kalender auszuziehen, angesprochen, sagt Green: „Wir hatten Mühe, einen Mann zu finden. Es gab auch zwei andere, die wollten sich aber wohl nicht vollständig nackt zeigen. Da viele Frauen dazu bereit waren, wollte ich sicherstellen, dass wenigstens ein Mann da mitmacht.“
Weitere Models des diesjährigen Kalenders sind: Simone Ashley (britische Schauspielerin), Elodie (italienische Schauspielerin, Sängerin und Model), Connie Fleming (US-Model und Mode-Illustratorin) Martine Gutierrez (US-Künstlerin), Hoyeon (südkoreanische Schauspielerin), Hunter Schafer (US-Schauspielerin und Aktivistin) Jenny Shimizu (US-Model) und Jodie Turner-Smith (britische Schauspielerin).
11.000 Exemplare des Sammlerstücks wurden dieses Jahr gedruckt. Sie sind weiterhin nicht verkäuflich und gehen nur an ausgewählte Freunde und Kunden. (Daniel Killy/SPX)
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