Nachdem die Spesenliste des ehemaligen Grazer Vizebürgermeisters Mario Eustacchio an die Öffentlichkeit gelangt war, soll der Gemeinderat am Donnerstagvormittag neue, genaue Regelungen für die Verwendung dieser Gelder schaffen. Die Debatte kreiste vor allem um die Finanzaffäre der FPÖ – und wurde immer hitziger geführt.
450 Euro für Faschingskostüme, Skiurlaub und ein Hochzeitsgeschenk für Mario Kunasek: Die „Krone“ deckte auf, was auf der Spesenliste von Mario Eustacchio stand und was jetzt zu einer Sondersitzung des Grazer Gemeinderats führte. Debattiert wird dabei die größere Frage: Braucht es Verfügungsmittel für Stadtregierer, die frei verwendet werden können?
Eustacchio angriffig
Noch bevor Bürgermeisterin Elke Kahr zum ersten Tagesordnungspunkt aufrufen konnte, unterbrach sie Mario Eustacchio, der als freier Gemeinderat an der Debatte teilnahm: „Zur Geschäftsordnung“, sagte er. In dieser Gemeinderatssitzung werden Aufzeichnungen gemacht: „Ich möchte hinweisen, dass es auch zu inkriminierenden Aussagen kommen kann.“ Er werde sich um einen respektvollen Umgang bemühen und rief auch seine Kollegen dazu auf.
„Verfügungsmittel abschaffen“
Philipp Pointner von den Neos forderte, Verfügungsmittel generell abzuschaffen. „Der Finanzskandal (der FPÖ, Anm.) schwebt wie eine düstere Wolke über der Gemeinderatsperiode, deswegen halte ich die Sitzung heute für wichtig.“ Es gehe darum, wie es um die Kontrolle von Steuergeld in der Stadt bestellt sei. „Vielleicht schaffen wir heute einen Schritt in die richtige Richtung.“
Pointner dankte KFG-Gemeinderat Alexis Pascuttini für die „unermüdliche Aufklärungsarbeit“: Es sei mit dem heutigen Gemeinderat noch nicht geschehen. Man wolle „konstruktiv kritische Kontrolle und Transparenz“, dazu gehöre die „Abschaffung der Verfügungsmittel“, oder wie er es auch bezeichnete: „Trantscherlgeld“.
Verfügungsmittel seien ein Relikt aus anderen Zeiten für „Polit-Dinosaurier“. Ausgaben wie Bewirtungen könne man über den Klub abrechnen. „Ich bin froh, dass wir Neos jede Wurstsemmel, die wir als Jause für die Sitzung kaufen, transparent auf unserer Homepage ausweisen.“ Die Streichung der „unkontrollierbaren Verfügungsmittel“ sei man „den Grazerinnen und Grazern schuldig“.
1,1 Millionen Euro Kosten
Sahar Mohsenzada (KPÖ) referierte: 50.000 Euro Verfügungsmittel gibt es aktuell für die Bürgermeisterin, 34.000 für die Vizebürgermeisterin, 20.000 je Stadtrat. In Graz seien diese Mittel verhältnismäßig hoch dotiert. Schon nach dem Rechnungshofbericht 2023 hatte man eine Innenrevision angeregt, um die Verfügungsmittel stichprobenartig zu kontrollieren – aber dazu kam es aus Zeitgründen nicht. Zielführend wäre es, eine Kontrolle durch den Stadtrechnungshof durchzuführen, schlug Mohsenzada vor.
Vizebürgermeister Eustacchio hat seine Verfügungsmittel als Vergnügungsmittel verwendet.
Sahar Mohsenzada, KPÖ
Die Neos brachten einen Abänderungsantrag ein: „Wir fordern die Abschaffung der Verfügungsmittel.“ Eine neue Richtlinie müsse „so durchsichtig sein wie ein Nudelsieb“. Außerdem schlug Pointner vor, auch die Klubförderung zu halbieren. 1,1 Millionen Euro in einer Periode machten die Verfügungsmittel insgesamt aus, rechnete er vor: „Das können wir bei der Bildung besser brauchen.“
„Es geht um ein Sittenbild“
„Aufklärer“ Pascuttini schritt ans Rednerpult. „Mario Eustacchio, ich bin auf deiner Seite und werde dich entlasten“, begann er. „Es geht um Schamlosigkeit, es geht um Exzesse, es geht um ein Sittenbild.“ Er sei kein Ankläger, doch die Leute dürften ein moralisches Urteil fällen.
„Der Finanzskandal hat so viele Ebenen. Es ist vor allem ein Justizskandal.“ Er ließ den Skandal Revue passieren. „Für wie blöd verkaufen Sie uns, Herr Eustacchio?“ Neben dem Strafrecht gehe es um die moralische Komponente: „Sie haben sich am Geld der Partei und an Steuergeld bereichert, das ist ein Faktum.“ Er zählte aus der Spesenliste auf: 4000 Euro für Silberloge am Akademikerball Wien, einige Hundert für ein Stiftungsfest. Fotoalben, Feiern, Geschenke.
Claudia Schönbacher, ebenso KFG, nahm zuerst Bezug auf die FPÖ-Affäre: „Wir stehen drei Jahre lang alleine da und werden belächelt – aber nicht draußen von den Bürgern.“ Man brauche eine fixe jährliche Prüfung der Verfügungsmittel, außerdem eine Offenlegung der Verwendungen.
Grüne für mehr Kontrolle
Grünen-Gemeinderat Gerhard Hackenberger argumentierte damit, dass nicht jeder, der Verfügungsmittel hat, gleich kriminell sei. Die Gelder seien einer Funktion geschuldet. „Man kann auch Ladendiebstahl damit beseitigen, indem man niemanden mehr ins Geschäft reinlässt“, aber das sei freilich nicht sinnvoll.
ÖVP-Klubchefin Anna Hopper wolle „keine Wahlwerbung machen“, sondern Konsens suchen, um „etwas Dauerhaftes zu beschließen“. Der ÖVP sei es „lieber, dass es Verfügungsmittel gibt“. Man stehe „für klare Regeln“.
Daniela Schlüsselberger von der SPÖ wehrte sich gegen „die Generalverurteilung der Politik“. Aber man müsse aus der Affäre lernen.
Eustacchio wehrt sich
Auch Eustacchio meldete sich erneut zu Wort: „Es kommt also zufällig zehn Tage vor der Landtagswahl zur einer Sondersitzung.“ Aufgrund von „anonymen Vorwürfen“ werde nach „Material gegen mich gesucht“, unterstützt von „inquisitorisch agierende Medien“. Die Bewertung seiner Ausgaben sei subjektiv und ohne Hintergründe zu kennen passiert.
Er habe ein Stadtratskonto, „kein Spesenkonto“ gehabt. Und jetzt würden Äpfel mit Birnen verglichen, nämlich Verfügungsmittel der Stadt und Gelder der FPÖ, die auch auf dem Konto waren. Der Skiurlaub sei nicht aus städtischen Mitteln, sondern aus anderen gezahlt worden.
Eustacchio zitierte aus einem „neuen Gutachten“ der Staatsanwaltschaft: „Der Schlusssatz des Gutachters: In Summe ist daher davon auszugehen, dass die Mag. Eustacchio zur Verfügung stehenden Mittel bestimmungsgemäß verwendet wurden.“
Polemiken von Gegner
Pascuttini reagierte daraufhin scharf und polemisch: „Wenn du nur hier bist, weil du das Geld brauchst, dann mach ich dir ein Angebot: Lege dein Amt zurück, und ich zahl es dir privat!“
Pointners Abänderungsantrag wurde angelehnt, der Antrag der KPÖ mit breiter Mehrheit angenommen.
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