Donald Trump arbeitet mit Hochdruck daran, eine Regierungsmannschaft zusammenzustellen. Insbesondere drei Nominierungen gleichen dabei einem politischen Mittelfinger an das bürokratische Amerika, wie wir es kennen. Eine Geschichte über Rachegelüste und menschliche Abgründe.
Trump spricht gerne von sich als „Vergeltung“. Als zerstörerische Urgewalt, die in Washington D.C. aufräumt und alte Gepflogenheiten über Bord wirft. Der Republikaner plant einzureißen, was die USA einst stark gemacht hat: die sogenannten „Checks and Balances“. Demokratische Mauern, die Machtorgane in Schach halten, um ein politisches Gleichgewicht zu wahren.
Wer sich mit Trump beschäftigt, weiß, mit Ausgeglichenheit kann der 78-Jährige herzlich wenig anfangen. Darum wird jetzt großflächig umgebaut. Für seine autokratischen Pläne benötigt der designierte US-Präsident allerdings hoch motivierte Bulldozer.
Trump gegen das bürokratische Amerika
Die dürfte er namentlich in Matt Gaetz, Tulsi Gabbard und Pete Hegseth gefunden haben. Sie sollen ihm dabei helfen, das Justizministerium, die US-Geheimdienste und das Pentagon unter seinen direkten Befehl zu bringen.
Auf den ersten Blick verbindet die drei nicht viel, außer dass sie von Experten als gänzlich unqualifiziert eingestuft werden, diese riesigen Behörden zu leiten. Ehemalige Trump-Wegbegleiter wie Ty Cobb sprechen offen von einem „Fuck You“-Moment. Von Trump an das bürokratische Amerika.
Ein zweiter, genauerer Blick auf Trumps Auserwählte bestätigt den demokratiegefährdenden Mittelfinger. Alle drei Kandidaten sollen künftig jenen Behörden vorstehen, die einst gegen sie ermittelt haben.
Am meisten Erfahrung auf seinem Feld hat Matt Gaetz – allerdings als Beschuldigter. Das Justizministerium ermittelte jahrelang gegen ihn wegen „Sex Trafficking“. Was in etwa Menschenhandel zum Zwecke sexuellen Missbrauchs bedeutet.
Ein früherer Freund hatte den Politiker aus Florida beschuldigt, eine damals 17-Jährige zum Sex und Drogenkonsum auf die Bahamas geschafft zu haben. Das Verfahren wurde eingestellt, weil der vorbestrafte Belastungszeuge nicht als zuverlässig genug galt.
Die Ethikkommission des US-Kongresses ermittelte trotzdem weiter. Am Freitag hätte der explosive Ermittlungsbericht veröffentlicht werden sollen. Gaetz hat noch am Mittwoch sein Mandat im Repräsentantenhaus mit sofortiger Wirkung zurückgelegt, was die Erkenntnisse unter Verschluss halten dürfte.
Gaetz, der sich auf Landesebene in Florida gegen ein Anti-Racheporno-Gesetz stark gemacht hat, dementiert alle Vorwürfe. Zum Ende von Trumps erster Amtszeit dürfte er übereinstimmenden Berichten zufolge dennoch um eine vorsorgliche Begnadigung durch den Präsidenten gebeten haben.
Lange Skandalakte und menschliche Abgründe
Als Generalstaatsanwalt soll er künftig das Justizministerium leiten und Ermittlungsbehörden wie dem FBI vorstehen. Gaetz ist ein essenzielles Puzzlestück in Trumps Rachefeldzug, um Juristen, die ihn vor Gericht gebracht haben, in Schauprozessen zu demütigen. Während Trumps Gerichtsverhandlungen stellte sich Gaetz demonstrativ hinter seinen moralischen Ziehvater.
Für seine Eskapaden und vulgären Ausbrüche wird der gelernte Anwalt selbst unter Republikanern verachtet. „Wir haben alle die Videos gesehen, die er im Plenum gezeigt hat, von den Mädchen, mit denen er geschlafen habe. Er prahlte damit, wie er Potenzpillen zerrieben und mit einem Energiedrink runtergespült habe, damit er die ganze Nacht habe durchmachen können“, erklärte im vergangenen Jahr der republikanische Senator Markwayne Mullin gegenüber CNN. Die Liste ähnlicher Anschuldigungen ist lang.
Putins Liebling als Geheimdienstchefin
Die nächste Kandidatin auf Trumps Liste dürfte selbst die kühnsten Träume des Kreml sprengen: Tulsi Gabbard soll als Geheimdienstkoordinatorin künftig alle 18 US-Geheimdienste überwachen und auf seine Linie bringen. Die selbst ernannte Friedenstaube und Darling russischer Staatssender wird zudem darüber entscheiden, was im „President‘s Daily Brief“ steht. Dem täglichen Geheimdienstmemo für den US-Präsidenten.
Die Rolle wurde nach den 9/11-Anschlägen geschaffen, um den Informationsfluss zwischen den einzelnen Geheimdienstzweigen zu verbessern. Auch hier dürfte für Trump bedingungslose Loyalität ein ausschlaggebendes Kriterium gewesen sein.
Obwohl sie eine militärische Vergangenheit hat, hat sie keinerlei Vorerfahrung auf ihrem zugeteilten Gebiet. Sie hegt jedoch einen Groll gegen die Geheimdienstgemeinschaft. Gabbard selbst behauptet, dass sie in diesem Sommer auf eine Beobachtungsliste für inländischen Terrorismus gesetzt wurde, was zu häufigen zusätzlichen Kontrollen an Flughäfen führte. Ob das so ist, wurde bis dato nicht bestätigt.
Gabbard war in der Vergangenheit bekannt dafür, russische Propaganda über den Ukraine-Krieg zu verbreiten. Sie gehört zu jener Fraktion, die der NATO und „Kriegstreibern“ in den USA die Schuld am größten Bodenkrieg in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg geben. Die ehemalige Demokratin wird von Mitgliedern beider Parteien als „Sicherheitsrisiko“ eingestuft.
Ein Glaubenskrieger für das Pentagon
Für Pete Hegseth, Trumps Kandidat für das Pentagon, dürften Rachegefühle ebenfalls eine Triebfeder sein. Zwei Wochen nach der Erstürmung des Kapitols hatte die Nationalgarde mitgeteilt, dass sie am Tag der Amtseinführung von Joe Biden zwölf Mitglieder aus Sorge vor extremistischen Gruppen vom Dienst abgezogen hat. Nach eigenen Angaben war Hegseth einer von ihnen.
Bald darauf verließ er das Militär und schrieb ein Buch, in dem er den Apparat als eine Bastion der „Verlogenheit“ und des Verfalls angriff. Er stört sich an Frauen, die aktiven Militärdienst ausüben – und „woken“ Strukturen. Der Wochenendmoderator von Fox News wird christlichen Nationalisten zugeordnet. Auf seiner Brust trägt er beispielsweise das Jerusalemer Kreuz der Kreuzritter. In den Gewalttätern der Kapitolerstürmung sieht er freiheitsliebende Menschen.
In Militärkreisen ist Hegseth ein völlig unbeschriebenes Blatt ohne administrative Vorerfahrung. Nationale Berühmtheit erlangte der 44-Jährige lediglich, als er sich im Rahmen einer Silvestershow outete, sich nie die Hände zu waschen. Seine Begründung: Er sehe die Viren nicht, also glaube er auch nicht daran. Trump, der gerne vor dem TV-Gerät lungert, hat offenbar gefallen, was er gesehen hat. Hegseth soll künftig drei Millionen Soldaten und Zivilangestellte sowie die Nuklearstreitkräfte des Landes kommandieren.
Jetzt ist der US-Senat am Zug
Kein Wunder, dass sich nun alle Blicke auf den US-Senat richten. Wie jeder Minister müssten im Normalfall auch Gaetz, Gabbard und Hegseth ein Berufungsverfahren durchlaufen. Trump hat jedoch signalisiert, eine Ausnahmeregelung anzustreben, um seine Vergeltungskrieger ohne Kontrolle ins Amt zu hieven.
Der neugewählte Mehrheitsführer im US-Senat, John Thune, muss dieses umstrittene Verfahren jedoch absegnen. Wie lange lassen sich etablierte Republikaner noch der Lächerlichkeit preisgeben? Oder knicken sie wieder vor Trump ein? Es ist ein erster Stresstest für die altehrwürdigen „Checks and Balances“. Die Zeichen stehen in jedem Fall auf Vergeltung.
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