Eine Abstimmung zum sogenannten EU-Entwaldungsgesetz ist am Donnerstag von einem heftigen Schlagabtausch im EU-Parlament begleitet worden. Am Ende konnte sich die EVP gemeinsam mit den Rechtsaußen-Fraktionen und Teilen der Liberalen durchsetzen und Änderungen des umstrittenen Gesetzes durchbringen.
Das EU-Entwaldungsgesetz soll verhindern, dass Produkte auf den europäischen Markt kommen oder von dort aus exportiert werden, für deren Herstellung es zur Entwaldung kam – also eine Waldfläche dauerhaft in Agrarfläche umgewandelt wurde. Als betroffene Waren werden neben Holz auch Rinder, Soja, Kakao, Kaffee, Ölpalme oder Kautschuk genannt. Bauern oder Waldbesitzer müssten demnach eine Sorgfaltserklärung inklusive Geodaten abgeben, bevor sie ein Produkt auf den Markt bringen können. Für kleine und mittlere Unternehmen gibt es aber Ausnahmeregelungen.
Geplant war ursprünglich nur, den Zeitpunkt, ab dem die Regeln des bereits beschlossenen EU-Gesetzes greifen, um zwölf Monate zu verschieben. Die EVP brachte aber wenige Tage vor der Abstimmung weitere Abänderungsanträge ein. Demnach soll die EU-Kommission nun auch Länder oder Regionen bestimmen können, in denen es kein Entwaldungsrisiko gibt. Produkte aus diesen Gegenden wären dann von den Regeln der Verordnung weitgehend ausgenommen.
Die Abstimmung am Donnerstag verlief teils chaotisch und war von technischen Problemen begleitet. Mehrere Abgeordnete bemängelten, dass ihre Abstimmungsgeräte zeitweise nicht funktionierten. Angesichts der teils sehr knappen Ergebnisse bei einigen Änderungsanträgen forderten einige Parlamentarier eine neuerliche Abstimmung, was von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (EVP) aber abgelehnt wurde. Empörte Rufe waren die Folge. Die Abstimmung über den gesamten Text (geplante Verschiebung plus angenommene Anträge) fiel dann aber recht deutlich aus, mit 371 Ja-Stimmen bei 240 Ablehnungen und 30 Enthaltungen.
FPÖ kritisiert Sinneswandel der ÖVP
„Die EU-Entwaldungsverordnung ist völlig untauglich. Eine Verschiebung oder kosmetische Korrekturen werden dieses Problem nicht lösen“, reagierte FPÖ-EU-Abgeordneter Roman Haider in einer Aussendung. Er kritisierte zudem die ÖVP, weil diese im Frühjahr 2023 für die ursprüngliche Entwaldungsverordnung gestimmt hatte und jetzt Änderungen durchsetzen wolle.
„Ich kann in der bisherigen Regelung keinen Mehrwert für Österreich und die Steiermark erkennen“, meinte der ÖVP-EU-Abgeordnete Reinhold Lopatka. „Die heutige Nachjustierung der EU-Entwaldungsverordnung durch das Europäische Parlament um eine Nullrisiko-Kategorie für Staaten und die Verschiebung um ein Jahr sind erste wichtige Schritte zum Abbau von Bürokratie und überschießender Regulierung in dieser Legislaturperiode.“
„Der Kahlschlag aus Profitgier in Europa und international ist ein schwerer Fehler, für den noch viele Generationen nach uns teuer bezahlen werden“, bemängelte SPÖ-EU-Abgeordneter Günther Sidl. Besonders kritisch sieht er auch die Zusammenarbeit der EVP mit den Rechtsaußen-Kräften im EU-Parlament.
„Diese Klientelpolitik für die Waldindustrie gefährdet auch europäische Wälder, denn nun können EU-Mitgliedsstaaten behaupten, dass hier alles in Ordnung ist“, urteilte der Grüne EU-Abgeordnete Thomas Waitz. „Die Einführung einer neuen Kategorie für Länder, die angeblich ,kein Risiko‘ für Entwaldung haben, könnte außerdem dazu führen, dass sogar Drittstaaten wie möglicherweise China weniger bis keine Kontrollen mehr durchführen müssen.“
Wirtschaftsverbände jubeln
Erfreut über das heutige Resultat zeigten sich die betroffenen Wirtschaftsverbände aus Österreich. WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik spricht von „einem vorläufigen Sieg der Vernunft“. „Ein Aufschub der EU-Entwaldungsverordnung ist ein erster, alternativloser Schritt“ für Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der WKÖ-Bundessparte Gewerbe und Handwerk. Für den WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf braucht es jetzt „rasch eine finale Einigung zwischen Rat und Parlament.“
Entsetzen bei Umweltorganisationen
Entsetzen herrscht unter Umweltschützern. „Seit Monaten haben einzelne Mitgliedsstaaten – allen voran Österreich unter ÖVP-Landwirtschaftsminister Totschnig – die Umsetzung des Gesetzes blockiert“, schrieb Greenpeace-Sprecherin Ursula Bittner in einem Pressestatement. „Die Wälder sind unsere engsten Verbündeten im Kampf gegen die Klima- und Artenkrise. Nach der heutigen Abstimmung stehen wir vor einem Gesetz, das einige Länder ohne Kontrolle ausnimmt und damit zahlreiche Schlupflöcher schafft.“
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.