Tabubruch beim Bundesheer: seit Freitagnachmittag kann am Himmel über Österreich theoretisch jeder machen, was er will. Die Eurofighter-Flotte ist tagelang nicht einsatzbereit. Obwohl die Flieger intakt sind.
Die „Krone“ ist am Freitag über fünf kurze, verstümmelte Zeilen gestolpert, die tiefgreifende Probleme in der militärischen Landesverteidigung Österreichs offenbaren: In den NOTAMs, den täglich aktualisierten, öffentlichen Fluginformationen für alle Piloten weltweit, ist derzeit zu lesen, dass seit Freitagmittag kein militärischer Flugbetrieb in Zeltweg stattfindet.
Am einzigen Jet-Stützpunkt des Landes sind somit auch keine Alarmstarts der Eurofighter möglich. Diese sollten eigentlich an jedem Tag des Jahres in Einsatzbereitschaft stehen, um bei unbekannten Flugzeugen im Luftraum oder bei Kommunikationsverlust innerhalb von Minuten starten zu können. Einsätze dieser Art kommen im Jahr rund 50-mal vor
Unbekannte Flugzeuge nicht identifizierbar
Somit stand an diesem Wochenende erstmals seit mehr als 50 Jahren über mehrere Tage hinweg kein einziger Eurofighter in Bereitschaft. Ab Montag, soll der Normalbetrieb wieder aufgenommen werden. Dringt bis dahin ein unbekanntes Flugzeug in unseren Luftraum ein, kann es ungehindert über Österreich kreisen. Immerhin: die flugfreie Zeit am Wochenende wurde bis Samstagmittag dazu genutzt, um Wartungsarbeiten an der Kabelfanganlage der Landebahn zu erledigen.
Doch es dürften noch weitere Wochenenden folgen, an denen die Luftraumüberwachung ruht: Eine inoffizielle Anfrage an die zuständigen Stellen ergab, dass es rund um die Weihnachtszeit wieder knapp werden dürfte. Zwar wären genügend Flugzeuge und Piloten in Zeltweg vorhanden. Aber nicht mehr genügen Mitarbeiter der Flugbetriebsdienste – vor allem Fluglotsen und Feuerwehr –, um den Militärflugplatz täglich einsatzbereit zu halten. Pensionierungen und andere Abgänge hätten dazu beigetragen, dass immer mehr Überstunden anfallen würden, heißt es. Das Problem sei bekannt gewesen, aber jahrelang verschleppt worden.
Besonders brisant: laut „Krone“-Informationen wurden die für Alarmstarts vorgesehenen Eurofighter bereits in der Vergangenheit tageweise stillgelegt, um Überstunden für Großevents wie der „Airpower“ aufzusparen. Im Notfall wäre kein Jet aufgestiegen.
Von „Rund um die Uhr“-Überwachung keine Spur
Das weicht stark von den aktuellen Aufbauplänen des Verteidigungsministeriums ab. Mit 17 Milliarden Euro mehr im Budget sollten neue Jettrainer für den Standort Linz-Hörsching angeschafft werden, um den Eurofighter zu entlasten. Und um die aktive Luftraumüberwachung auf einen 24-Stunden-Betrieb, sieben Tage die Woche, aufzustocken. Passiert ist bislang nichts davon. Die Anschaffung der neuen Jets scheitert seit bald einem Jahr an internen Revisionsprozessen im Ministerium, aus der „Rund um die Uhr“-Überwachung wurde eine Teilzeit-Luftpolizei.
Verteidigungsministerin reagiert auf „Krone“-Bericht
Kurz nach Bekanntwerden der Zustände in Zeltweg reagierte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner: „Als ich heute davon erfahren habe, habe ich den Generalstab sofort damit beauftragt, umgehend Alternativlösungen zu finden und umgehend umzusetzen, um so einen Umstand nicht mehr eintreten zu lassen.“
Chef dieses Generalstabs, also oberster Militär des Landes, ist Rudolf Striedinger. Er nimmt Werner Koglers Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS) in die Pflicht, das für die Besoldung zuständig ist: „Das Verteidigungsministerium arbeitet seit Jahren an der Lösung des Problems von zu wenigen Fluglotsen. Dazu gab es unzählige Gespräche mit dem BMKÖS, das jedoch die Tragweite der Problematik nicht erkannt hat oder nicht erkennen wollte“, so Striedinger zur „Krone“. „Das BMLV steht mit seinen Fluglotsen in direkter Konkurrenz mit der zivilen Luftfahrt. Das BMLV wird weiterhin alle Maßnahmen ergreifen, um den Beruf des Fluglotsen attraktiv zu gestalten. Dazu ist jedoch die Mitwirkung des BMKÖS zwingend erforderlich“, spielt der General auf das unterschiedliche Lohnniveau bei ähnlichem Aufgabenspektrum zwischen zivilen und militärischen Lotsen an.
Ursprünglicher Auslöser für die Überforderung des Standorts Zeltweg, da sind sich die Experten einig, sei die Abkehr von Linz-Hörsching als zweite Jetbasis gewesen. Mit der Einmottung der dort stationierten Saab 105-Flotte vor bald fünf Jahren blieb die gesamte Last der aktiven Luftraumüberwachung an Zeltweg hängen. Bei sinkendem Personalstand.
Promi-Pilot nicht mehr im Eurofighter-Cockpit
Der eklatante Personalmangel zeigt sich auch an einem gut kaschierten Schönheitsfehler, mit dem die Fliegertruppe hadert: der prominente Eurofighter-Pilot und Social-Media-Star Patrick „Beauty“ Wöss (siehe Bild oben), der erst vor drei Wochen als Testimonial der Kampfjet-Flotte im ORF Interviews gab, ist längst kein Eurofighter-Pilot mehr. Er fliegt seit dem Sommer Fracht für eine deutsche Fluglinie.
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