„Ich würde mir wünschen, dass wir die Kinder und Jugendlichen, die heute zum ersten Mal mit Football in Berührung kommen, in zehn Jahren bei den Olympischen Spielen, am College oder vielleicht sogar schon in der NFL spielen sehen.“ Im Gespräch mit „krone.at“ blickt Ex-NFL-Profi Sebastian Vollmer auf eine vielversprechende Football-Zukunft im europäischen Raum, schwärmt von Bernhard Raimann und erinnert sich an seine Zeit bei den New England Patriots.
„Krone.at“: Sebastian, du hast acht Jahre in New England gespielt, wurdest mit den Patriots zweimal Super-Bowl-Champion – welche Erinnerungen bleiben von dieser Zeit über?
Vollmer: Super-Bowl-Ringe und Play-off-Siege stehen sportlich natürlich ganz oben - das war auch alles sehr schön. Für mich sind es jedoch die zwischenmenschlichen Ereignisse, Gespräche und Freundschaften, die in dieser Zeit entstanden sind, die mir in Erinnerung bleiben. Es waren knapp zehn Jahre meines Lebens, die nicht viele Menschen so erleben können. Du gehst in Jogginghose zur Arbeit, spielst ein Spiel und wirst obendrein auch noch dafür bezahlt, für mich waren jedoch die Bekanntschaften, die ich machen durfte, noch einmal wertvoller.
In Deutschland zählte American Football zu Beginn deiner Karriere nicht gerade zu den Volkssportarten – wie darf man sich deinen Weg in die NFL vorstellen?Eigentlich war ich Schwimmer und Fußballspieler, bis ich in der Schule gefragt wurde, ob ich nicht Lust hätte, Football auszuprobieren. Ich hatte eine grobe Idee, was ich mir darunter vorstellen durfte und habe mich schnell in den Sport verliebt. Schwimmen ist ein Einzelsport, du bist mit deinen Gedanken allein, kontrollierst dein eigenes Schicksal. Im Teamsport ist das anders. Du kannst noch so talentiert sein, doch wenn dein Team nicht gut ist, bringt dir das nichts – und umgekehrt. Als ich den Sport zum ersten Mal ausprobiert habe, war ich sofort fasziniert. Als ich die Chance bekam, für das deutsche Nationalteam zu spielen, wurden mir Stipendien angeboten – all das dank der Hilfe von Menschen, die etwas in mir gesehen und sich für mich eingesetzt haben. Die Kombination aus Ehrgeiz, harter Arbeit und Leuten, die mich unterstützt haben, hat mich schließlich in die NFL geführt.
Viermal war die NFL heuer in Europa zu Gast, auch du durftest in deiner Karriere zweimal in London spielen …
Als ich 2009 zum ersten Mal in London gespielt habe, hatten die Fans noch wenig Ahnung von der NFL. Für mich als Europäer war es dennoch cool, im Wembley Stadium zu spielen. Bis 2012 hat sich einiges getan, die europäischen Fans haben sich viel intensiver mit der Liga befasst. Auch heute sehe ich Jahr für Jahr, wie viel aufgeklärter die Zuschauer sind und die Spiele genießen. Für mich ist die Atmosphäre etwas Besonderes – so etwas erlebst du als Amerikaner nicht oft. Die NFL wird in Europa immer mehr, immer größer.
Inwiefern lässt sich die Football-Fankultur mit jener in Europa – etwa im Fußball – vergleichen?
Die Fans sind anders, aber auch das Spiel an sich ist nicht zu vergleichen. Footballspiele sind um einiges länger und leben von Aspekten wie dem Entertainment oder Tailgating vor den Games. Selbst, wenn man kein großer Football-Fan ist, sollte man das auf jeden Fall einmal mitnehmen, um es sich gut gehen zu lassen. Das ist schon etwas ganz Besonderes – obendrein stets friedlich und familiär. Ich habe bei Autogrammanfragen oder Fotowünschen bislang kaum negative Erfahrungen gemacht. Der perfekte Mix ergibt sich, wenn Choreografien und Fanmärsche, wie wir sie aus den European Games kennen, auf die friedliche Football-Atmosphäre treffen.
Österreich ist durch Bernhard Raimann in der NFL vertreten – wie siehst du seinen Werdegang?
Beeindruckend! Ich habe ihn vor seinem Draft kennengelernt – er sieht aus wie ein Tackle und verhält sich auch so: Er ist immer ruhig, arbeitet hart, macht alles richtig. Er hat einen sehr guten und schnellen Start hingelegt. Das macht Lust auf mehr!
Wie können europäische Spieler wie Raimann oder du das NFL-Bewusstsein in Europa beeinflussen? Wie wichtig sind europäische Spieler für die NFL?
Extrem wichtig! Du kannst die Menschen nicht für ein Team oder den Sport begeistern, wenn du nichts Anfassbares hast. Am einfachsten gelingt das durch Spieler. Als wir in der Saison 2014/15 den Super Bowl gewonnen haben, konnten die New England Patriots in Deutschland riesige Fanmassen für sich begeistern - weil dort eben ein Deutscher gespielt hat. Zwei Jahre später konnten wir den Super Bowl erneut gewinnen und die Aufmerksamkeit wurde wieder ein Stück größer, wodurch sich die Story natürlich auch einfacher schrieb. Die Patriots haben den europäischen Markt zudem sehr früh für sich erkannt – etwa durch das Flag-Football-Feld in Düsseldorf. Aktionen der Teams gekoppelt mit europäischen Spielern schreiben eine immer größer werdende Geschichte, die dazu führt, dass sich junge Menschen in den Sport verlieben, davon träumen, Superstars zu werden und in zehn Jahren vielleicht selbst in der NFL spielen.
Er (Raimann, Anm.) hat noch viele Jahre vor sich, um noch besser zu werden, hat aber definitiv einen sehr guten und schnellen Start hingelegt.
Sebastian Vollmer
Bild: Birbaumer Christof/Christof Birbaumer/Kronenzeitung, GEPA Pictures
Europäern wird gerne nachgesagt, es schwerer zu haben, sich in Amerika durchzusetzen. Mit welchen Herausforderungen kämpfen Spieler aus Deutschland oder Österreich, mit denen US-Amerikaner kaum bis gar nicht konfrontiert sind?
Ich wurde nie als „Deutscher“ abgestempelt, habe nie eine negative Haftung zu spüren bekommen. Am Ende zählt die Leistung. Das Problem ist eher die Grunderfahrung, die Europäern oft fehlt. Ich habe mit 17 Jahren – also sehr spät – begonnen, Football zu spielen. Wenn du nicht früh genug anfängst, hast du es als Fußballer schwierig, ein Ballgefühl zu entwickeln. Ähnlich ist es im Football – vor allem als Quarterback oder Receiver. Die Patriots und die NFL haben das erkannt und sich dem Ziel verschrieben, eine gute Grundausbildung in Europa zu schaffen. Hier kommen Initiativen wie das Flag-Football-Programm oder die NFL-Acadamy ins Spiel. Der Schritt vom College in die NFL ist nicht der schwierige, sondern jener vom Gymnasium ans College. Hier will die NFL nachhelfen.
Die New England Patriots haben am Donnerstag ihre Partnerschaft mit dem AFBÖ bekannt gegeben. Was versprechen sich die beiden Parteien von dem Deal?
Eine gute Partnerschaft wird dann geschaffen, wenn sich zwei Parteien demselben Ziel verschreiben: den Sport in Österreich zu entwickeln, die Leute zu begeistern und an den Sport heranzuführen. Die New England Patriots wollen in der DACH-Region weiter Fuß fassen, sie unterstützen Ligen und finanzieren Förderungen. Der AFBÖ hingegen profitiert von der Expertise – sei es in puncto Business, Spieler oder der Trainingskultur.
Richten wir den Blick in die Zukunft: wo siehst du die NFL in zehn Jahren - insbesondere aus europäischer Perspektive?
Hätte ich vor zehn Jahren gedacht, dass wir mit der NFL heute hier stehen? Wohl kaum. Wir haben Spiele in München, London, Madrid, etc. Ein ganz großes Thema bleibt somit die Globalisierung, hier gehört natürlich auch die DACH-Region als Nummer eins dazu. Ich würde mir wünschen, dass wir die Kinder, die heute zum ersten Mal mit Football in Berührung kommen, in zehn Jahren bei den Olympischen Spielen, am College oder vielleicht sogar schon in der NFL spielen sehen. Zumindest aber den Sport als Fans verfolgen. Das ist der Anspruch und das Ziel der Patriots.
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