Am Wiener Landesgericht begann am Montag der Prozess gegen einen 18-Jährigen wegen Doppelmordes, versuchten Mordes und schwerer Körperverletzung. Er soll im Sommer 2023 zwei schlafende Obdachlose mit einem Messer getötet und eine unterstandslose Frau schwer verletzt haben. „Ich bekenne mich schuldig“, sagte er bei seiner Einvernahme. Das Urteil: Zwölf Jahre Haft und Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Als „Phantom von Wien“ sorgte er nicht nur in der Wohnungslosen-Szene für Angst und Schrecken, nachdem zwei Obdachlose brutal ermordet worden waren. Heute musste sich jener 18-Jährige vor Gericht verantworten, der gestanden hat, die beiden Männer ermordet sowie eine Frau schwer verletzt zu haben.
Die „Krone“ berichtete live vom Prozess:
Tod der Stiefschwester warf ihn aus der Bahn
Die Vorgeschichte des Falles ist tragisch und leitete auch die achtseitige Anklageschrift ein. 2021 musste die Stiefschwester des Beschuldigten im Alter von nur vier Jahren sterben – das Mädchen wurde bei einem erweiterten Suizid von seiner Mutter erschossen. „Ich bin zum Teil mit ihr gestorben“, sagte der 18-Jährige dazu.
Seine leibliche Mutter litt laut der Einvernahme des Angeklagten „an einer manischen Depression“. Verteidiger Manfred Arbacher-Stöger betonte, der 18-Jährige sei „kein empathieloses Monster“, sondern ein „lieber, netter 18-Jähriger“.
Eine posttraumatische Belastungsstörung bei Thomas A. ist nur eine von vielen psychischen Erkrankungen, über die insgesamt fünf Sachverständige im Prozess referierten. Als Motiv nannte der Angeklagte laut StA Wien „innerliche Wut, Unruhe und endlose Traurigkeit“. „Mein Mandant ist geständig und bereut seine Taten zutiefst“, so sein Anwalt Arbacher-Stöger vor dem Prozess, zu dem sich auch internationale Presse angekündigt hatte.
Musste vor jeder Tat „komplett sauber sein“
„Wenn ich schon über Leben und Tod entscheide, muss ich das machen“, erläuterte der 18-Jährige. Er sei „in eine Art Blutrausch verfallen“, meinte der Angeklagte. Er habe sich „vor jeder Tat dreckig gefühlt und schmutzig. Ich musste komplett sauber sein, frisch geduscht, gesäubert.“ Er sei „ein dummer Mensch gewesen, der durch die Gegend geht und Menschen umbringt“. Das habe ihn schon „eine längere Phase, zwei bis drei Monate beschäftigt“. Der Gedanke habe ihn „nicht mehr losgelassen“.
„Es waren nicht gezielt obdachlose Menschen“, betonte der Angeklagte. Er habe den Opfern „nicht in die Augen schauen können. Ich konnte nicht das Leiden im Gesicht sehen. Es waren schlafende Menschen.“ Nach dem ersten vollendeten Mord habe ihn ein Gefühl von Erfüllung überkommen: „Das Opfer sollte sterben.“ Er habe sich „einerseits schlecht gefühlt. Andererseits war es ein Reiz, den ich noch nie gespürt habe. Irgendwie hat es mir das gegeben, was ich gesucht habe“. „Der kleine Teufel hat die Oberhand gehabt“, bemerkte der Angeklagte. „Der große Teufel“, korrigierte der vorsitzende Richter Andreas Hautz.
Mit fester Freundin endete Mordverlangen
Erst beim dritten Tötungsdelikt hätte der Angeklagte begonnen, sich schlecht zu fühlen, speziell „beim Zustechen“. Danach sei er nicht mehr auf wehrlose Menschen mit einem Messer losgegangen. Auf die Frage des Warum, verwies der 18-Jährige auf seine Freundin, die er zwischenzeitlich kennengelernt habe. Diese habe ihm „bedingungslose Liebe, die ich nicht verdient habe“ geschenkt. Dieses „plötzliche Gefühl, das ich nicht begreifen kann“, habe ihn aufhören lassen.
Neben den Tötungsdelikten wurde auch eine gegen die Mutter des Burschen gerichtete Gewalttat verhandelt. Am 18. September 2023 ging er laut Anklage auf seine Mutter los und fügte ihr mehrere Rippenbrüche, eine Schädelprellung, Hämatome und Abschürfungen am ganzen Körper zu, indem er ihr einen Faustschlag ins Gesicht versetzte und anschließend auf Kopf und Körper der zu Boden gestürzten Frau eintrat.
Auf der großen Leinwand im Schwurgerichtssaal erschienen die Fotos der Mutter – die zeigen, wie schlimm zugerichtet die Frau nach dem Angriff durch ihren eigenen Sohn war. Der 18-Jährige blickt dabei starr zu Boden, schaut die Verletzungen seiner Mutter kein einziges Mal an.
Viele Menschen wachsen mit einem psychotischen Elternteil auf und erleben auch sonst viele Traumata, werden aber nicht zu Serienkillern.
Gerichtspsychiater Peter Hofmann
Bild: Groh Klemens
Drei Opfer bedeute „Serientäter“
Ein psychiatrisches Gutachten bescheinigt dem Burschen, zu sämtlichen Tatzeitpunkten zurechnungsfähig und damit schuldfähig gewesen zu sein. „Er hat sich akribisch darauf vorbereitet, alles genau geplant“, so Gerichtspsychiater Peter Hofmann. Drei Opfer bedeute „Serientäter“, so der Gutachter. Es sei positiv, dass er sich selbst gestellt habe, um die Serie zu beenden. Sowohl Kinder- und Jugendpsychologin Kathrin Sevecke als auch Gerichtspsychiater Peter Hofmann sind sich einig: „Es sind alle Voraussetzungen für eine Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum wegen seiner Gefährlichkeit erfüllt. Er weiß genau, was gut und böse ist.“
Hofmann relativiert außerdem die Erklärung, die Thomas A. seit Beginn seines Mordprozesses immer wieder präsentiert – die schwierigen Beziehungen zu seiner Mutter und seinem Vater.“ Die Familienverhältnisse sind kein ausreichender Grund, um seine Taten zu rechtfertigen“, so der Psychiater.
Zwei Personen konnten ihre Geschichte nicht mehr erzählen. Sie mussten sterben, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Weil der Angeklagte ein Ventil brauchte.
Staatsanwältin Julia Kalmar
In den Schlussplädoyers erklärte Staatsanwältin Julia Kalmar als Erste, der Angeklagte hätte „aus reiner Mordlust“ getötet, zudem würde die brutale und heimtückische Vorgangsweise den Angeklagten stark belasten. Verteidiger Manfred Arbacher-Stöger: „Es gibt wesentliche Milderungsgründe, die von der Staatsanwältin vergessen wurden: Die Behörden wären nie auf ihn gekommen, wenn er sich nicht selbst gestellt hätte.“ Die letzten Worte des 18-Jährigen, kurz bevor sich die Geschworenen für eine Entscheidung zurückzogen: „Ich möchte mich bessern.“
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