Das renommierte Blue Bird Festival geht im Wiener Porgy & Bess diese Woche in seinen 20. Runde. Eröffnet wird es von der fantastischen US-Amerikanerin Vera Sola, die ihrer Westküsten-Melancholie einen Schuss Dunkles und Geheimnisvolles beimengt. Im „Krone“-Interview gibt sie nähere Einblicke in ihr Wirken und Schaffen.
Wenn sich die Nebelschleier des Novembers über das Land legen, dann ist wieder Blue Bird-Zeit. Das Singer/Songwriter-Auskennerfestival findet heuer von 21. bis 23. November im beliebten Wiener Jazzkeller Porgy & Bess zum bereits 20. Mal statt und hat auch im Jubiläumsjahr wieder eine ganze Heerschar an fantastischen Künstlern aus aller Herren Länder aufs Billing geschaufelt, die die Hauptstadt mit einer etwas zarteren musikalischen Note durchziehen. Zu den schönsten Perlen des wohl kuratierten Line-Ups zählt etwa die Amerikanerin Vera Sola. Im April stellte sie sich und ihr zweites Studioalbum „Peacemaker“ im kuscheligen B72 vor und überzeugte mit einer düsteren, durchaus an Lana Del Rey gemahnenden Performance, auch wenn ihr Sound mehr an Calexico oder Nancy Sinatra, denn an die ultimative Melancholie der düsteren Pop-Königin erinnert.
Musik durch ein Kaleidoskop
„Ich bin unglaublich glücklich darüber, wenn die Menschen mich mit Lana vergleichen“, lacht Sola im „Krone“-Gepräch, „ich weiß schon, woher diese Meinung kommt und sehe, dass sie mit großem Respekt geäußert wird.“ Auf ihren bisherigen Alben evoziert Vera Sola eine untrügliche Zwanglosigkeit zum ruralen Westküstenamerika. Ein bisschen so, wie man sich die sonnendurchfluteten Wüstenweiten aus europäischer Fernsicht imaginiert. „Ich habe eine große Sensibilität für diese Gegend und bin sehr stark von der 9. Symphonie von Dvorak inspiriert. Ich bin halbe Kanadierin und auch wenn das nicht dasselbe ist wie Europa, kann ich diese Betrachtungsweise auf meine Musik gut nachvollziehen. Jemand hat mir mal gesagt, ich schreibe Musik, als würde ich den Westen Amerikas durch ein Kaleidoskop sehen. Genau diese surrealistische Herangehensweise gefällt mir gut.“
Ein kurzer Blick auf die Person – Vera Sola ist nur ein Künstlername, eigentlich heißt sie Danielle Aykroyd. Wer jetzt an die „Blues Brothers“-Hälfte und den legendären 80er-Hollywood-Komödianten Dan Aykroyd denkt, hat vollkommen recht. Er ist ihr Vater. Obwohl sie aus einem Künstlerhaushalt entstammt und schon früh selbst ihre Liebe für Musik, Malerei, Kostümierung und Videos entdeckt, ist Vera Sola schüchtern und sieht den berühmten Nachnamen mehr als Bürde denn als Karrierepush. „Der Name gehört eben meinem Vater und nicht mir. Das war für mich immer ein Problem. Ich wollte ihn aber auch nicht ändern, weil ich meine Familie liebe. So habe ich für meine musikalischen Projekte eine Person erschaffen, die den Sound trägt und vollführt.“ 2018 veröffentlicht sie ihr Debüt „Shades“, das sie komplett im Alleingang einspielte und fertigte. Erst über die Jahre kann sie sich aus ihrem geschützten Kokon schälen und anderen stärker vertrauen.
Eine lange Reise
Ein entscheidendes Puzzle-Teil auf dem Weg zu Erfolg und Selbstständigkeit wird der Folk-Rocker und gute Freund Elvis Perkins, der sie zum Musizieren animiert und längst in Solas Liveband spielt, wenn es sein Terminplan zulässt. Das inhaltlich sehr persönliche, dunkle „Peacemaker“-Album reift durch die Liebe am gemeinschaftlichen Arbeiten. „Ich war meiner Musik am Anfang so eng verbunden, dass ich Wände aufzog, die nicht hätten sein müssen“, erinnert sie sich zurück, „eigentlich bin ich ein ziemlich selbstsicherer Performer, aber in der Musik ist etwas, das mich verunsichert und zuweilen blockiert.“ Dass es zwischen den beiden Alben sechs Jahre brauchte, hatte mehrere Gründe. Die Pandemie stoppte Solas Karrierebestreben, es musste erst ein Label gefunden werden (City Slang) und dann galt es auch noch eine Band so zusammenzustellen, dass es auch auf Reisen und Tour klappt. „Die technisch besten Musiker sind nicht unbedingt die besten, die auch zu meinem Sound passen“, erkannte Sola recht früh.
Schon 2019 war sie erstmals auf großer Europa-Tour, damals aber noch ohne Plan und Ziel. „Das Routing war so, als hätte man mit verbundenen Augen Dartpfeile auf die Scheibe geschossen“, lacht sie rückblickend, „ich weiß nicht, wie oft wir die Alpen überquert haben, weil es kreuz und quer ging.“ Derartiges Chaos war zwar erfrischend, aber auch anstrengend. Mit der nötigen Erfahrung im Gepäck geht die 35-Jährige heute wesentlich routinierter an Dinge heran. Musikalisch lässt sie sich leiten. „Mein Sound ist eine Verlängerung meiner Einflüsse, Geschmäcker und Sensibilitäten. Als ich im Frühling in Wien spielte, besuchte ich das Leopold Museum und war völlig hin und weg von der großartigen Kunst. Das dient mir wieder als Inspiration, die vielleicht erst später einmal neu aufpoppt. Meine Musik ist zuweilen etwas verwinkelt und surreal, dann aber auch wieder klar artikuliert. Ich lasse mich von meinen Gefühlen leiten und vertraue darauf, dass diese Natürlichkeit das richtige ist. Ob das Folk, Singer/Songwriter, Indie Rock oder Americana ist, ist völlig egal.“
Beide Welten verbunden
Zwischen Vera Sola und Danielle Aykroyd hat sich die Distanz mittlerweile minimiert. Der Erfolg mit ihrem künstlerischen Alter Ego gibt auch mehr Sicherheit, um mit der schweren Bürde des Namens zurechtzukommen. „Vera hat die Musik gemacht, weil Danielle das nicht konnte, aber mittlerweile befinden sich die Charaktere auf einer Ebene. Ich versuche sie zunehmend zu vereinen, weil es mir mittlerweile auch leichter fällt und es sich natürlicher anfühlt. Als ich mit dem Singen begann, habe ich meinen Körper verlassen und die Musik wie durch einen Kanal mit der Welt geteilt. Heute bin ich selbst wesentlich präsenter und so ist es auch mit meiner Stimme. Das größte Ziel war schon am Anfang, beide Welten und Stärken zu verbinden und jetzt bin ich auf dem richtigen Weg dorthin. Das ist in sehr schönes Gefühl, dass mich automatisch mit mehr Selbstsicherheit für die Bühne ausstattet.“
Schmankerl beim Blue Bird
Vera Sola wird das diesjährige Blue Bird Festival am 21. November um 20 Uhr eröffnen und dabei auch Songs ihrer brandneuen EP „Ghostmaker“ mit im Gepäck haben. Zu den Highlights des diesjährigen Festivals zählen u.a. auch Jessica Pratt, Edna Million, Porcelain id, Dan Croll und die in Österreich bereits wohlbekannte Wallis Bird. Unter www.oeticket.com gibt es noch die letzten Karten für das beliebte Festival im Herzen der Hauptstadt.
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