Mit seinen seelenvollen Songs erobert der Brite Sam Tompkins seit knapp drei Jahren zuerst das Internet und jetzt auch die Bühnen dieser Welt. Am Freitag stellt er sein Album „Hy, My Name Is Insecure“ im randvollen Wiener Flex Café vor. Im „Krone“-Interview gibt er tiefere Einblicke in sein fragiles Inneres.
Weltberühmt im Internet – dieses durchaus freudige Schicksal widerfuhr vor einigen Jahren dem Briten Sam Tompkins. 2021 ging er erstmals auf TikTok viral und hat sich seitdem eine erkleckliche Fanbase aufgebaut, die ihm und seinem ehrlich-warmen Sound treu ergeben zu Füßen liegt. In Zahlen gegossen bedeutet das: monatlich ca. vier Millionen Spotify-Streams, rund 2,5 Millionen Fans auf den unterschiedlichsten Social-Media-Plattformen und dazu noch Berühmtheiten wie Justin Bieber, Drake oder Fred Again, die ihn und seinen anschmiegsamen Sound abfeiern. Begonnen hat Tompkins im heimatlichen Eastbourne als Straßenmusiker, seine Debüt-EP „Who Do You Pray To?“ landete 2022 gleich auf Platz sieben der britischen Charts. Dazu gingen die Singles „To The Moon“ und „Lose It All“ komplett durch die Decke. Kein schlechter Start in eine zukunftsträchtige Karriere.
Heimelige Österreich-Premiere
Sein Österreich-Livedebüt feierte Tompkins diesen Sommer beim Frequency Festival in St. Pölten. Eingebettet zwischen polternden DJs und toughen Rappern sorgte er bei einem sonnigen Nachmittagsslot für die viel zu unterschätzte gemütliche Komponente des alternativ-musikalischen Gesamtprogramms. „Es ist immer interessant, wenn man das erste Mal in einem Land spielt und gleich so gebucht wird“, erzählt er der „Krone“ im Gespräch, „du hast ein richtig hartes Disco-Tanzset und direkt danach komme ich auf die Bühne und chille die Leute wieder runter. Ich mag das aber, denn persönlich höre ich ja auch verschiedene Musik. Je nach Stimmung. Der Auftritt beim Frequency hat sich jedenfalls sehr heimelig angefühlt, weil mich die Fans warmherzig und freundlich begrüßt haben.“
Tompkins ist aber nicht nur „Rising Star“ am Singer/Songwriter- und R&B-Himmel, sondern auch ein offenes Sprachrohr für das wichtige Thema „Mental Health“, das sich durch alle Songs zieht. Sein diesen Juli veröffentlichtes Debütalbum „Hi, My Name Is Insecure“ (zu Deutsch: „Hallo, mein Name ist Unsicherheit“) vermittelt schon im Titel, dass man die dicke Hose überall, aber sicher nicht hier findet. „Als ich an dem Album schrieb, bin ich durch viele schwierige Phasen in meinem Leben gegangen“, reflektiert der Sänger, „ich habe insgesamt 250 Songs zumindest angefangen zu schreiben, 16 sind davon übriggeblieben.“ Einen Trennungsschmerz von Ideen spürt Tompkins dabei nicht. „Das ist relativ einfach, denn wenn ich auf ein Album verknappe, bleiben die besten Ideen über.“ Den Rest der Sketches und Snippets lagert er auf seiner Festplatte. „Entweder arbeite ich später noch einmal daran weiter, oder ich überlasse es vielleicht anderen Musikern.“
Umsetzung von Tagebucheinträgen
Auch wenn der Spruch schon abgedroschen wirkt, für den Briten ist Musik die essenziellste Form der Therapie. „Ich befördere mich selbst beim Songwriting ans andere Ende meines Seins, was mich dann wiederum zu einer selbstbewussteren Person macht. All meine Songs kommen aus mir. Sie sind autobiografisch, weil selbst erlebt oder in meinem Umfeld gesehen. Die Songs sind wie eine Umsetzung von Tagebucheinträgen. Wenn ich schreibe, bin ich in einem Tunnel und denke gar nicht viel darüber nach. Erst auf der Bühne, wenn ich die Lieder vor anderen Menschen singe, merke ich, wie sie mich treffen, weil sie oft so persönlich sind, dass ich selbst nicht fassen kann. Dieses Teilen der innersten Gedanken mit einer anonymen Öffentlichkeit kann Fluch und Segen zugleich sein.“
Ganz im Sinne einer Gemeinschaftstherapie möchte Tompkins mit seinen Songs nicht nur sich selbst, sondern auch anderen helfen. „Viele Menschen fühlen sich dadurch weniger allein. Das ist doch schön. Das ist in meiner Rolle als Künstler die höchste Form, wenn mir das zu vermitteln gelingt.“ Tompkins schrieb schon mit 16 erstmals Songs, mit ungefähr 20 hat er dann auch die musikalisch passende Richtung für sich entdeckt. Dass die größte Wirkmacht daraus besteht, die persönlichsten Gedanken möglichst ungefiltert in Lieder zu gießen, hat er schnell verstanden. „Es geht aber vor allem darum, alle Sorgen und Probleme erst einmal niederzuschreiben. Ob man sie dann auch zu Liedern macht und veröffentlicht, ist zuvorderst zweitrangig, das ergibt sich bestenfalls danach. Wenn du diese Schwelle übertreten hast, ist das Freilassen von inneren Gedanken nicht mehr so schwer.“
Die richtige Balance
Schwieriger wird es für Thompson dann aber, wenn die manchmal harsche Realität ihn auf der Straße einholt. „Ich habe etwa über den viel zu frühen Tod meines Vaters gesungen und manchmal passiert es mir, dass mich Leute anquatschen und darüber mit mir reden. Es gibt aber Tage, da bin ich einfach gut gelaunt und wenn ich dann damit konfrontiert werde, kommen all die schmerzhaften Erinnerungen wieder hoch. Das ist hart, aber es ist ein auch Teil dessen, dass man mit seiner Musik in die Öffentlichkeit geht. Wenn die Menschen auf mich zugehen, dann tun sie es immer verständnisvoll und mit guten Absichten. Jemand, der so offene Songs wie ich schreibt, muss dann auch damit rechnen, dass er bei solchen Begegnungen manchmal die Balance halten muss. Die Leute lernen mich über meine Texte extrem gut kennen, da darf es mich dann nicht wundern, wenn es zu solchen Begegnungen kommt.“
Mit der Veröffentlichung des Albums kehrte auch eine gewisse Erleichterung bei Tompkins ein. Das nächste, so denkt er zumindest, sollte inhaltlich als auch musikalisch etwas leichter werden. „Jetzt feiere ich einmal die Tatsache, dass ich es schon so weit brachte und mir so viele Menschen zuhören. Ich bin eine sehr emotionale und sensible Person und weiß es ungemein zu schätzen, wie viel Liebe und Zuspruch mir von außen entgegengebracht wird. Ich habe mir nun aber auch sehr viel von der Seele geschrieben und glaube, dass ich dadurch bereit bin für ein neues, etwas positiveres Kapitel in meinem Leben.“ Dass die besten Songs aus Schmerz entstehen, das glaubt der Brite so nicht. „Sie entstehen viel mehr aus starken Emotionen. Das kann gleichermaßen Trauer und Wut, aber auch Euphorie und Freude sein. Hauptsache man spürt etwas.“
Live im Wiener Flex Café
Sam Tompkins live sehen und spüren kann man dieser Tage in Wien. Am 22. November spielt er im Flex Café in Wien seine allererste Club-Show in Österreich. Spätentschlossene müssen sich auf ein da Capo gedulden, denn die Show ist seit einige Wochen restlos ausverkauft.
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