Der menschliche Geist hat verschiedene Strategien zur raschen Problemlösung entwickelt. Dazu gehören auch die Heuristiken als Denkstrategien. Sie ermöglichen es uns, komplexe Themen mit einfachen Mitteln greifbar zu machen. Grundsätzlich eine gute Sache – doch dadurch können wir auch rasch Trugschlüssen erliegen. So verhält es sich auch mit der Verfügbarkeitsheuristik. Worum es sich handelt und warum eine differenzierte Betrachtungsweise darauf unerlässlich ist, haben wir im Folgenden für Sie zusammengefasst.
Ausnahmen sind nicht die Regel
Wir alle kennen das: Es ist Montagmorgen und bevor wir zur Arbeit gehen, wollen wir uns über das Tagesgeschehen informieren. Ob online oder offline, es springt uns überall die Schlagzeile eines Terroranschlags ins Auge. Dadurch fühlen wir uns verständlicherweise verunsichert; die ausführliche Berichterstattung bereitet uns Sorge und führt dazu, dass wir eine allgegenwärtige Bedrohung durch Terror empfinden. Das mag je nach Person unterschiedlich stark ausgeprägt sein, doch es wird die wenigsten von uns völlig kaltlassen. Dass die Wahrscheinlichkeit, hierzulande einem Terroranschlag zum Opfer zu fallen, statistisch gesehen äußerst gering ist, tritt hier in den Hintergrund. Dies lässt sich auf viele weitere Themen übertragen; etwa auf Flugzeugabstürze, Mordfälle oder die Kriminalitätsrate von Menschen mit Migrationshintergrund. Wir stellen uns hier unbewusst nicht die eigentlich logische Frage – beispielsweise: „Wie hoch ist die Mordrate in Österreich?“ – sondern fragen uns in Wahrheit: „Wie viele Medienberichte über Morde fallen mir ein?“, und nehmen das als Anhaltspunkt für unsere Sichtweise her.
Das sind nur einige wenige Beispiele dafür, wann die Verfügbarkeitsheuristik zuschlägt. Bei dieser Art der kognitiven Verzerrung beurteilen wir nämlich die Wahrscheinlichkeit oder die Häufigkeit von Vorkommnissen aufgrund der Verfügbarkeit von Informationen, anstatt eine umfassende Analyse der Situation anhand von Daten, wie etwa Statistiken, vorzunehmen. Anders gesagt: Je leichter wir an Informationen über etwas gelangen und je häufiger uns diese unterkommen, desto wahrscheinlicher erscheint es uns, dass es passiert. Unser Gehirn nimmt hier also eine mentale Abkürzung, was evolutionsbiologisch durchaus sinnvoll erscheint; gerade in gefährlichen Situationen kann schnelles Entscheiden vonnöten sein. Doch in unserem Alltag sind wir in den meisten Fällen besser beraten, uns eine Meinung mithilfe aller vorliegender Fakten zu bilden, anstatt blind dem zu vertrauen, was uns als Erstes in den Sinn kommt.
Einflussfaktoren der Verfügbarkeitsheuristik
Verfügbarkeitsheuristik im Online-Diskurs
Auch wenn wir uns dessen vielleicht nicht bewusst sind: Im Internet sind Informationen oft nicht gleichmäßig verteilt. Sensationelle Inhalte werden häufiger geteilt und kommentiert, was ihre Sichtbarkeit erhöht und eine Aufwärtsspirale erzeugt. Online-Phänomene wie Echokammern und Filterblasen verstärken diesen Effekt noch zusätzlich. Dabei spielt die Personalisierung von Inhalten durch Algorithmen eine nicht zu unterschätzende Rolle: Sie zeigen den Nutzenden bevorzugt das, was zu deren bereits bestehenden Interessen und Weltanschauungen passt. So werden bestimmte Informationen ständig wiederholt, was diese noch stärker im Gedächtnis verankert. Eine einseitige Sichtweise ist dann die logische Konsequenz.
Auch Fake News haben durch die Verfügbarkeitsheuristik leichtes Spiel. Durch sie werden Desinformationen, die meist besonders aufwühlend und schockierend sind, häufiger geglaubt und dementsprechend geteilt, was deren Verbreitung verstärkt. Gleichzeitig wird so das Vertrauen in legitime Nachrichtenquellen untergraben, was diese Entwicklung noch zusätzlich befeuert.
So vermeiden Sie Verzerrungen durch die Verfügbarkeitsheuristik
Wir alle unterliegen in unterschiedlichem Ausmaß solchen psychologischen Phänomenen und sie haben teilweise auch ihre Berechtigung. Schließlich hilft uns die Verfügbarkeitsheuristik dabei, schnelle Entscheidungen zu treffen und Informationen effizient und zeitsparend zu verarbeiten. Trotzdem ist sie nicht in jeder Situation sinnvoll. Nachfolgend finden Sie für solche Fälle mögliche Strategien im Umgang mit ihr:
Reflektieren Sie sich selbst: Machen Sie sich bewusst, dass kognitive Verzerrungen wie die Verfügbarkeitsheuristik existieren und einen Einfluss darauf haben, wie man Informationen wahrnimmt und darauf basierend Entscheidungen trifft.
Hinterfragen Sie Quellen und Informationen: Überprüfen Sie, woher bestimmte Nachrichten stammen und welchen Quellen sie zugrunde liegen. Nutzen Sie verschiedene zuverlässige Quellen, um ein möglichst umfassendes Bild eines Sachverhalts zu erhalten. Auch ein Perspektivenwechsel kann hilfreich sein.
Nutzen Sie Statistiken und Daten: Wissenschaftliche Studien und statistische Daten sollten bei realistischen Bewertungen von komplexen Sachverhalten stets Vorrang vor Einzelschicksalen und Anekdoten haben. Beachten Sie dabei insbesondere die Verhältnismäßigkeit – wie häufig oder selten ist ein Ereignis tatsächlich? In welcher Relation steht es zu ähnlichen oder anderen Ereignissen? Im Zusammenhang damit ist es auch wichtig, längere Zeiträume und Trends in den Fokus zu rücken, statt sich lediglich auf Ereignisse aus der jüngeren Vergangenheit zu konzentrieren.
Halten wir uns noch einmal vor Augen: An das, was wir häufiger hören, erinnern wir uns eher und schätzen dessen Wahrscheinlichkeit höher ein. Das ist eine intuitive, aber auch fehleranfällige Vorgehensweise. Bei komplexen Themen sollten wir stets einen systematischen und logischen Ansatz vorziehen. Mit dem Lesen dieses Artikels haben Sie bereits einen Anfang gemacht und sind sich nun dieses kleinen Tricks Ihres Gehirns bewusst. Lassen Sie sich von ihm nicht manipulieren und bewahren Sie sich eine rationale Sichtweise.
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