Seit knapp zwei Wochen steht der nächste US-Präsident fest. US-Botschafterin Victoria Reggie Kennedy hat sich nun erstmals öffentlich zum Sieg des Rechtspopulisten Donald Trump geäußert – und dabei nicht mit harten Worten gespart.
„Es liegen steinige Zeiten vor uns. Wir können nicht so tun, als ob das nicht so wäre“, warnte Kennedy am Montagabend im einem Podiumsgespräch mit der einflussreichen US-Historikerin Doris Kearns Goodwin an der Webster University in Wien.
Kearns gilt als Doyenne der amerikanischen Geschichtsschreibung und hat mit ihren Biografien über legendäre Präsidenten wie Abraham Lincoln, Franklin D. Roosevelt oder Lyndon B. Johnson nicht nur deren Bild in der US-Öffentlichkeit geprägt. Ihr Lincoln-Porträt „Team of Rivals“ soll auch US-Präsident Barack Obama dazu bewogen haben, seine erbitterte Vorwahlgegnerin Hillary Clinton als Außenministerin in die Regierung zu nehmen. „Team of Rivals“ sei jenes Buch, das er auf eine einsame Insel mitnehmen würde, so Obama.
„Seit dem klaren Sieg von Donald Trump haben mich viele Freunde in Österreich gefragt, was das bedeutet“, holte Kennedy zum Auftakt der Diskussion mit Kearns Goodwin in der randvollen Aula der US-Privatuniversität aus. „Ich kann mir niemand Besseren vorstellen, um dieses historische Jahr zu erklären als Du, Doris“, lobte die Botschafterin die US-Historikerin als „Ikone“ und führende Expertin über die US-Präsidentengeschichte.
Von Baseball zur Geschichts-Ikone
In dem launigen Gespräch erzählte Kearns Goodwin, wie Baseball-Spielberichte im Alter von sechs Jahren in ihr das Interesse an Geschichtsschreibung geweckt hätten und dass sie für ihre Biografie über den Weltkriegspräsidenten Franklin D. Roosevelt länger gebraucht habe „als der Krieg gedauert hat“. „Nur mit meinem verstorbenen Mann war ich länger zusammen“ als mit den Präsidenten, die sie porträtiert habe, plauderte sie zur Erheiterung der Zuhörer aus dem Nähkästchen.
US-Präsidenten seien selten außen- und innenpolitisch gleich kompetent, und viele große Präsidenten hätten in ihrem Leben mit Schicksalsschlägen zu kämpfen gehabt, berichtete Kearns Goodwin. Theodore Roosevelt habe etwa der Tod von Ehefrau und Mutter dazu gebracht, sich ohne Berechnung in den Dienst der öffentlichen Sache zu stellen, während die Polio-Erkrankung FDR Demut gelehrt habe. Zweifel äußerte die 81-Jährige daran, ob sie noch die Gelegenheit bekommen werde, eine US-Präsidentin zu porträtieren.
Sorge um die US-Demokratie
Gelassen sieht Kearns Goodwin auf die anlässlich der jüngsten Präsidentenwahl von beiden Seiten vorgetragenen existenziellen Sorgen um die US-Demokratie. In der Geschichte habe es schon mehrmals ähnliche Situationen gegeben, „nur vergessen wir das“. So hätten sich im Jahr 1860 sechs US-Südstaaten abgespalten, nur weil der Republikaner Abraham Lincoln die Präsidentenwahl gewonnen hatte. Die USA hätten in der Folge zwar „einen schrecklichen Preis“ in Form des Bürgerkriegs mit seinen 600.000 Toten gezahlt, doch letztlich sei nicht nur die Staatseinheit wieder hergestellt, sondern mit der Sklaverei auch die „Erbsünde“ der Vereinigten Staaten getilgt worden. „Wir sind also gestärkt daraus hervorgegangen“, betonte die Historikerin. Ähnlich sei es unter Roosevelts Präsidentschaft gewesen, als ganz Europa vor NS-Diktator Adolf Hitler kapituliert habe und die gesamte westliche Zivilisation „in Gefahr“ gewesen sei.
US-Botschafterin Kennedy und Historikern Goodwin an der Webster University in Wien:
Trump empfahl Kearns Goodwin, sich ein Beispiel an Lincoln zu nehmen. „Ich hoffe, er wird seine Feinde nicht bestrafen“, sagte sie mit Blick auf den künftigen Präsidenten. Vielmehr sollte er in seinem Kabinett Platz schaffen „für Menschen, die nicht mit ihm übereinstimmen“. Lincoln sei bei seiner Wahl politisch eher unerfahren gewesen und habe danach „die riesige Entscheidung“ getroffen, seine drei wesentlich erfahreneren innerparteilichen Rivalen in die Regierung zu nehmen, obwohl sie alle sich für den besseren Präsidenten gehalten hätten.
„Wissen nicht, wie das alles ausgehen wird“
Kennedy dankte der Historikerin dafür, dass sie den Menschen mit ihren Erkenntnissen „Hoffnung“ gebe. „Wir wissen nicht, wie das alles ausgehen wird, aber vielleicht spielen wir eine Rolle dabei, indem wir aktiv werden“, rief die Botschafterin die Bürger zum Engagement auf. Ihr selbst gebe die große Stärke der transatlantischen Beziehung Hoffnung. Diese gründe sich auf gemeinsamen Werten wie dem Eintreten für Freihandel oder Medienfreiheit: „Egal welche Herausforderungen vor uns liegen, wir müssen ihnen nicht alleine begegnen. Das gibt mir Trost und ermuntert mich, der Zukunft optimistisch entgegenzublicken.“
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