Prozess in Avignon
„Nicht wir sollten uns schämen, sondern sie“
In Frankreich geht das Verfahren rund um das Vergewaltigungsopfer Gisèle Pelicot in seine Endphase. „Ich will, dass sie keine Schande mehr verspüren. Nicht wir sollten uns schämen, sondern sie“, sagte Pelicot an missbrauchte Frauen gerichtet. Sie wurde etwa 200 Mal von mehr als 50 Männern vergewaltigt, darunter von ihrem damaligen Ehemann.
Die Taten erschüttern Frankreich: Knapp zehn Jahre lang soll Dominique Pelicot (72) seine damalige Ehefrau mit Medikamenten betäubt und missbraucht haben. Während sie bewusstlos war, ließ er Gisèle Pelicot auch von fremden Männern vergewaltigen, die er über eine Online-Plattform kennenlernte. Hunderte Fotos und Videos zeugen von den Taten. Die Männer waren zum Tatzeitpunkt zwischen 21 und 68 Jahre alt. 50 von ihnen standen bereits vor Gericht, Chefermittlerin Gwenola Journot geht jedoch von zehn bis 20 weiteren Tätern aus, die nicht identifiziert werden konnten.
Angeklagte gaben sich unwissend
Bei einigen Angeklagten war vor Gericht Scham zu spüren, die Aussagen wirken jedoch wie Ausflüchte. Ein Mann gab etwa an, nur zum Vergnügen des Ehemannes vorgetäuscht zu haben, dessen bewusstlose Frau zu penetrieren. Ein anderer meinte, Angst vor Pelicot gehabt zu haben, den er aber gar nicht kannte. Einer von ihnen bat Gisèle Pelicot mit gesenktem Kopf um Entschuldigung. „Zu spät, das ist zu spät“, sagte diese und wendete sich ab.
Manche behaupteten, nicht verstanden zu haben, dass die Frau tatsächlich bewusstlos war. Sie hätten es für ein Spiel gehalten.
Um anderen missbrauchten Frauen Mut zu machen, hatte sich Pelicot dazu entschieden, den Prozess in Avignon öffentlich führen zu lassen (siehe Video oben). „Es hilft sehr, dass das nicht hinter verschlossenen Türen stattfindet“, bestätigte eine 36-jährige Mutter aus dem Großraum Paris, die extra in den Süden gereist war, um bei dem Verfahren dabei zu sein. Sie hat selbst sexuelle Gewalt erlitten.
Gisèle Pelicot sprach vor Gericht von „Barbarei“ und „Horrorszenen.“ Die Polizistinnen und Polizisten, die den Computer ihres Mannes durchsuchten, hätten ihr das Leben gerettet. Der Pensionist war im September 2020 wegen Filmaufnahmen unter den Röcken von Supermarktkundinnen festgenommen worden. Dadurch kam der jahrelange schwere Missbrauch seiner damaligen Ehefrau ans Licht.
Sie selbst hatte die Taten wegen der starken Medikamente, die ihr Mann ihr verabreichte, nicht mitbekommen. Wegen verschiedener Beschwerden hatte sie mehrere Ärztinnen und Ärzte aufgesucht, die jedoch nichts fanden.
Wird Gesetz verschärft?
Der Fall hat Debatten um die Definition sexueller Gewalt wieder aufflammen lassen. Aktivistinnen und Aktivisten fordern seit Langem, dass in sexuelle Handlungen ausdrücklich eingewilligt werden müsse und dass dies auch im Strafrecht stehen solle. Nun beschäftigt sich die französische Nationalversammlung mit einem entsprechenden Vorschlag, das Gesetz zu ändern. Dann könnten sich mutmaßliche Täter vor Gericht nicht damit herausreden, von der fehlenden Einwilligung nichts gewusst zu haben.
Rund um das Gericht fordern Menschen die Höchststrafen von 20 Jahren Haft für die Angeklagten.
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