Netanyahu-Haftbefehl

Minister fordert als Rache Westjordanland-Annexion

Außenpolitik
21.11.2024 17:14

Mord, Verfolgung, Hunger als Waffe: Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat einen Haftbefehl gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu erlassen. Die Reaktionen in Israel ließen nicht lange auf sich warten. Teile der Regierung fordern ein noch radikaleres Vorgehen. 

Netanyahu sprach in einer ersten Reaktion von einer „antisemitischen Entscheidung“. Sie sei von „voreingenommenen Richtern getrieben von antisemitischem Hass gegen Israel“ getroffen worden, stand in einer Erklärung seines Büros. Der Schritt sei absurd, Israel werde dem Druck nicht nachgeben und seine Bürger weiter verteidigen.

Der IStGH habe jegliche Legitimität verloren, meinte der israelische Außenminister Gideon Saar. Das Gericht habe absurde Befehle ohne Autorität erteilt. Auch Israels Präsident Isaac Herzog bezeichnete die Haftbefehle als absurde Entscheidung. „Dies ist ein dunkler Tag für die Justiz. Ein dunkler Tag für die Menschheit“, schrieb er auf X.

Rufe nach Annexion des Westjordanlands
Andere Teile der Netanyahu-Regierung wollen die neue Dynamik für düstere Allmachtsfantasien nutzen. Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir sprach sich für eine vollständige Annexion des besetzten Westjordanlandes als Reaktion auf die Haftbefehle aus.

Das Gericht sei „durch und durch antisemitisch“, schrieb Ben-Gvir auf X. Der Polizeiminister und auch der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich haben schon mehrfach für eine Ausweitung israelischer Siedlungen im Westjordanland geworben.

Die islamistische Hamas – dessen Anführer ebenfalls vom IStGH ins Visier genommen wurde – feiert die Haftbefehle hingegen als historischen Schritt. Die Entscheidung sei ein „wichtiger historischer Präzedenzfall und eine Korrektur eines langen Wegs historischer Ungerechtigkeit gegen unser Volk“, teilte die Hamas mit.

Die USA hätten monatelang versucht, den Schritt gegen die beiden „Terroristen“ Netanyahu zu verhindern und das Gericht und dessen Richter „terrorisiert“. Die Hamas rief das Weltstrafgericht dazu auf, die Ermittlungen gegen „alle kriminellen Anführer der Besatzung“ auszuweiten auf Minister und Offiziere, die „Blut unseres palästinensischen Volks vergossen haben“. Zum Haftbefehl gegen Mohammed Deif äußerte sich die Hamas nicht.

Wie geht es jetzt weiter?
Der IStGH hat keine eigene Polizei, um seine Haftbefehle durchzusetzen, und ist deshalb auf die Kooperation der 124 Mitgliedstaaten, darunter Österreich, angewiesen. Sie sind theoretisch verpflichtet, die Gesuchten festzunehmen, sobald sie sich in ihrem Staatsgebiet aufhalten. Dies könnte Reisen von Netanyahu etwa in die EU erschweren.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell rief alle Mitgliedsländer auf, den internationalen Haftbefehl gegen Netanyahu und andere Verantwortliche zu achten. Die Entscheidung des IStGH sei rechtsverbindlich, sagte Borrell in der jordanischen Hauptstadt Ammann. Alle EU-Staaten seien als Vertragsparteien „verpflichtet, die Gerichtsentscheidung umzusetzen“.

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