Album & Interview

Body Count: Unbarmherzig und gnadenlos

Musik
22.11.2024 09:00

Seit fast 35 Jahren sind Body Count führend im Bereich des Crossover-Metal. Mit ihrem neuen Album „Merciless“ will man nicht nur einen gewonnenen Grammy bestätigen, sondern auch ein Abbild des gegenwärtigen Amerika gestalten. Gitarrist und Band-Mitbegründer Ernie C erklärt im „Krone“-Talk, warum die Band so langlebig ist, weshalb es immer gut ist, Vorband von Body Count zu sein und wie man in den heiligen Gral Pink Floyd eindringen konnte.

(Bild: kmm)

Der Großteil der Leserschaft kennt Ice-T wahrscheinlich vom New-York-Ableger von „Law & Order“, wo er seit mittlerweile knapp 25 Jahren ermittelt und einen für die Zunft der Schauspieler seltenen Vorteil eines Fixjobs hat. Wesentlich länger wütet der mittlerweile 66-Jährige aber als Frontmann der Crossover-Band Body Count. Mit politischen und sozialkritischen Texten, einer Mischung aus Thrash- und Groove-Metal-Elementen mit dem Geist des Hip-Hop und einer Scheißegal-Attitüde im besten Sinne des Punk versetzt, durchläuft man seit 34 Jahren alle Höhen und Tiefen. Dieser Tage erscheint mit „Merciless“ das achte Studioalbum der Band. Davon ist es das vierte in der „zweiten Ära“ von Body Count, die nach einer mehrjährigen Auszeit 2014 fulminant mit dem Comeback-Album „Manslaughter“ begann und der Band zu neuen Höhenflügen verhalf.

Drei wichtige Erfolgspfeiler
Diese Höhenflüge fußen auf drei Stützpfeilern. Erstens: Die Band schreibt richtig gute Songs. Auch wenn die frühen 90er-Jahre stilprägend für Body Count waren, haben sich die Mitglieder nach mehreren Besetzungswechseln so gut eingespielt, dass man wie eine kompakte Einheit klingt und dabei auch eine nonchalante Lockerheit nach außen trägt. Zweitens: Die politische Lage ist gerade in den USA so verfahren, dass die direkten und nur selten zweideutigen Texte von Ice-T besser zur Geltung kommen als in Jahren des sozialen Friedens. Dementsprechend passen brandneue Songs wie „Do Or Die“, „Drug Lords“ oder „World War“ auch perfekt in den zerrütteten Zeitgeist. Drittens: Weil auch die musikalische Welt in Zirkeln voranschreitet, reitet man auf der perfekten Nostalgiewelle. Harsch-aggressive Crossover-Sounds sind wieder en vogue und begeistern eine neue Generation an Fans.

„Merciless“ muss sich dabei mit einem absoluten Gassenhauer messen. Dass der Vorgänger „Carnivore“ 2020 nur eine Woche vor dem ersten großen Corona-Lockdown erschien, schadete zwar dem Live-Geschäft, nicht aber der Popularität des Albums. Für den Song „Bum Rush“ sackte die Combo 2021 sogar einen Grammy für die „Best Metal Performance“ ein. 31 stolze Jahre nach Bandgründung. Ein solch später Karriereboost gelingt äußerst selten, beweist aber, mit welch ungebrochener Frische man bei Body Count noch immer ans Werk geht. Einen großen Anteil daran habe Produzent Will Putney, wie Body Count-Gitarrist Ernie C im „Krone“-Interview betont. „Mit ihm kam der Erfolg, so einfach ist das. Es passt jetzt aber auch die Chemie. Momentan ist das die siebente Besetzung von Body Count, aber er ist seit der allerersten auch die stabilste. Und du weißt ja – unsere ersten und nun die aktuellsten Alben sind die besten und erfolgreichsten.“

Prog-Metal-Sensation
„Merciless“ begeistert nicht nur mit druckvollem Sound und direkten Texten, sondern auch mit tatkräftigen Gästen. Unter den Gastsängern befindet sich u.a. Cannibal Corpse-Brüllwürfel George „Corpsegrinder“ Fisher oder die Sepultura-Legende Max Cavalera. Die größte Sensation des Albums ist aber zweifellos die „metallisierte“ Version des Pink-Floyd-Klassikers „Comfortably Numb“, für deren Umsetzung man überraschenderweise das bekam, woran zig andere Bands jahrelang scheiterten – die Rechte zur Umsetzung. Ein überaus kräftiges Zeichen dafür, welcher Respekt Body Count mittlerweile attestiert wird, obwohl man für Mainstream-Verhältnisse viel zu hart klingt. Doch Direktheit und Kompromisslosigkeit sind ungebrochene Stärken, an denen andere Acts scheitern, weil man oft nicht das letzte Stück Mut aufbringt, um seine Gedanken in aller Klarheit auszudrücken.

Die Chose rund um den 1991 veröffentlichten Skandalsong „Cop Killer“ ist längst in allen Details auserzählt, doch auch die neue Single „Psychopath“ hat in diversen Kreisen für Wirbel gesorgt. Für Ernie C völlig unverständlich. „Diese Cancel Culture verstehe ich überhaupt nicht. ,Cop Killer‘ war ein wichtiger Song und wurde völlig missverstanden, aber gut, das Thema ist durch. Jetzt passiert mit ,Psychopath‘ ähnliches. Glauben die Leute wirklich, dass wir im echten Leben wie Psychopathen durch die Gegend laufen und Leute umbringen? Das ist eine Hommage an unsere Liebe zu Horrorfilmen. Ich bin als Teenager nicht mit Disney, sondern mit Horror aufgewachsen. Als ich das erste Mal den ,Exorzist‘ sah, konnte ich nächtelang nicht schlafen. Trotzdem ist aus mir kein Psychopath geworden. Produzent Rick Rubin hat es schon richtig gesagt: Wenn jedem gefällt, was du machst, dann machst du wahrscheinlich irgendwas nicht ganz richtig.“

Dasselbe Ziel vor Augen
Nach knapp vier Dekaden Karriere im Musikbusiness lässt man sich davon aber längst nicht mehr aus dem Tritt bringen, sondern genießt vielmehr die Tatsache, dass man am bisherigen Gipfel des Daseins angelangt scheint. „Wir umgeben uns auch gerne mit jungen und hungrigen Menschen, die uns im Team pushen“, so Ernie C, „zudem sind wir gut befreundet. Ice-T und ich sind seit fast 50 Jahren beste Kumpel, da sind alle potenziellen Gefahrenquellen längst verarbeitet. Wir sind natürlich verschieden, haben aber dieselben Ziele vor Augen und streiten nie wirklich.“ Bei so einer Karriere kommen auch Erinnerungen hoch. Früher wählten Body Count ihre Supportbands selbst. So eröffneten einst Rage Against The Machine oder die Stone Temple Pilots ihre Konzerte. „Dann wurden sie alle berühmter und reicher als wir“, lacht der Gitarrist, „spiel einfach vor Body Count und du landest in der Rock And Roll Hall Of Fame. Das war bei uns schon ein geflügelter Witz.“

Beim Los-Angeles-Kollektiv ist man freilich auch mit der eigenen Laufbahn mehr als zufrieden, zumal sie weiterhin Früchte trägt und sich weiter positiv entwickelt. Dafür musste man weder an seinen Grundsätzen, noch an den musikalischen Rezepten. Beharrlichkeit und Ehrlichkeit zu sich selbst und seiner Kunst zahlen sich manchmal doch aus. „Ich habe früher viel zu viel getrunken, bin aber seit 14 Jahren trocken“, gibt der Jimi-Hendrix-Fan tiefere Einblicke in sein Seelenleben, „ich erfasse und spiele Musik ganz anders, als es früher der Fall war. Mir wurde auch klar, dass dir Talent alleine nichts nützt, wenn du es nicht einsetzt und ständig dafür arbeitest.“ Die Rolling Stones machen seit Jahren vor, wie Unendlichkeit im Live-Rock’n’Roll ausschauen kann. Und bei Body Count? „Diese Band kennt kein Ende. Schieß auf uns, wir spielen weiter. Wenn du glaubst, wir sind tot, wachen wir erst richtig auf. Body Count sind unbarmherzig und gnadenlos.“

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