Lesestoff

„Wahre Grenzen existieren nur in unserem Kopf“

Tierecke
20.03.2025 05:11

Es hieß: „Auf über 3.000 Höhenmeter mit Hund. . . geht nicht! Alpines Bikepacking mit Hund . . . schaffst du nicht!“ Francie Vogel schaffte es und noch viel mehr – gemeinsam mit ihrem Vierbeiner „Mexx“. Wie, beschreibt sie in ihrem Buch „Aufbruch ins Freie“.

Das Cover ist ansprechend: Eine junge Frau mit Tourenrucksack, umgeben von einer faszinierenden Bergkulisse, blickt liebevoll in die Augen eines schwarzen Hundes. Und nach den ersten Seiten wird schnell klar: Die Aussicht auf mehr ist fantastisch. Francie Vogel nimmt den Leser in ihrem Buch „Aufbruch ins Freie“ mit auf abenteuerliche Reisen, die alle Grenzen sprengen. Allen voran die persönlichen.

Ventil für Wut und Verzweiflung 
Der erste „Ausflug“ führt in die Kindheit der Autorin. Authentisch und demaskiert erzählt sie von dem stillen, sterilen Umfeld, in dem sie aufwuchs – ohne Zuneigung und Rückhalt. „Wenig Leben, wenig Liebe und leere Räume“ füllten damals ihren Alltag aus. Dazu kam das immer stärker werdende Gefühl, ausbrechen zu wollen. In der Schule wurde sie gemobbt, ausgelacht – und verstummte zunehmend. Sie fand ein Ventil im Boxen. Ging mit 13 Jahren wöchentlich in ein Thaibox-Gym. Zwischen Ex-Militärs und Türstehern quälte sie sich hoch motiviert durch hartes Training, wurde körperlich und mental stärker.

Am Weg zum Gipfel des Monte Cevedale auf 3.769 Meter in Trentino/Italien. (Bild: Francie Vogel)
Am Weg zum Gipfel des Monte Cevedale auf 3.769 Meter in Trentino/Italien.

Schmerzvoller Weg in die Freiheit
Mit 15 Jahren kämpfte sie das erste Mal gegen eine deutsche Meisterin in Kickboxen. Und steckte gehörig ein, bis der Kampf abgebrochen werden musste. „Als ich mit blauen Augen und gelb-violetten Verfärbungen im Gesicht mit dem Bericht von meinem Wettkampf im Klassenzimmer saß, hörten die Hänseleien in der Schule auf. Im Gegenteil, ich fühlte mich auf einmal wertgeschätzt, respektiert.“

Immer öfter flüchtete sie aus ihrem „Käfig“, der sich Zuhause nannte, in die wilde Natur. Und traf bei einer Tour in der Eiseskälte einen Entschluss – dem sie bis heute treu geblieben ist: „Dort draußen, an der Grenze meiner mentalen und körperlichen Leistungsfähigkeit, dem Ungewissen ausgesetzt, hatte ich etwas gespürt, wonach ich mich sehr gesehnt habe. Hier konnte mir keiner mehr wehtun. Hier war ich frei.“

Ein Ungewollter, der für immer sein Glück fand
An einem Dezembertag trat „Mexx“ in ihr Leben. „Unser Sorgenkind. Er darf nur mit Maulkorb raus, weil er gebissen hat. Wurde als Welpe herumgereicht und vermutlich vom Vorbesitzer, einem Alkoholiker, geschlagen. Bis jetzt hat ihn jeder nach der Probezeit wieder zurückgebracht“, hieß es im Tierheim. Francie gab ihm Zeit. Sie sah nicht das Problem, sondern das Potenzial. Mit viel Geduld und Verständnis gewann sie sein Herz. Und der Belgische Schäferhund-Mischling entschied sich, bei ihr zu bleiben – das war vor acht Jahren.

Das Leben eines Abenteurer-Hundes. (Bild: Francie Vogel)
Das Leben eines Abenteurer-Hundes.

Vier Pfoten und ein Paar Schuhe unterwegs
Stark, wie die junge Frau jeher mit Herausforderungen umgegangen ist, welche Umstände sie bis heute auf sich nimmt, um Berge zu Fuß oder mit dem Rad zu erklimmen. „Mexx“ und Francie sind ein eingeschworenes Team.

Beeindruckend erzählt sie von ihren Touren, die Übernachtungen im Zelt irgendwo im Nirgendwo, bei Gewitter, Kälte und Sturm. Von steilen Aufstiegen mit Schwerstgepäck, Fahrrad und Hund. Das Glücksgefühl überwiegt am Ende immer! Denn bei jedem Abenteuer schwingt die Freude mit, was sie gesehen, erlebt und daraus gelernt hat. Mit jeder Seite mehr macht Francie neugierig auf ihre Person und auch auf ihren treuen vierbeinigen Weggefährten.

Alles beginnt im Kopf
Auf die Frage, ob sie je Angst vor den Herausforderungen hatte, antwortet die sportliche Autorin: „Das Thema Grenzen ist im Buch stark hochgekommen. Grenzen am Berg, aber auch persönliche Grenzen, die von Menschen immer wieder überschritten werden. Ich hörte oftmals, dass ich es nicht schaffen werde mit einem Hund auf über 3.000 Höhenmeter zu steigen, dass Bikepacking mit ,Mexx‘ nicht machbar sein wird. Ich denke hier anders. Erst wenn ich es probiert habe, kann ich wissen, was geht und was nicht. Die wahren Grenzen existieren nur in unserem Kopf.“

Die Freiheit spüren im kühlen Wind, der Stille unter dem klaren Sternenhimmel lauschen, über Berge und eigene Grenzen gehen – für Francie und „Mexx“ ist das Lebensgefühl, wie es sein sollte.

Buch & Autorin

  • „Aufbruch ins Freie – Meine wilden Bergabenteuer zu Fuß, mit Rad, Ski und Hund“
    Erschienen im Tyrolia-Verlag.
    Erhältlich im Buchhandel: 
    ISBN 978-3-7022-4215-2 oder als
    E-Book: ISBN 978-3-7022-4218-3
  • Francie Vogel, geboren 1994 in Chemnitz, ist seit jeher am liebsten draußen unterwegs. Die studierte Geotechnikingenieurin lebt mit ihrem vierbeinigen Gefährten „Mexx“ in Innsbruck. Von ihren gemeinsamen Abenteuern erzählt sie auch auf ihrem Outdoorblog berginsel.de
Leseprobe aus dem Buch „Aufbruch ins Freie“
Alta Via Monte Liguri – ein Wendepunkt

16. Mai 2023: „Vor 48 Stunden stand ich noch vor dem gepackten Gravelbike, um wie langfristig geplant durch die Abruzzen zu radeln. Nach Gesprächen mit Freunden und in Anbetracht der Wettervorhersage überfliege ich nochmal alternative Bikepacking-Routen: Alta Via dei Monte Liguri, über 450 Kilometer und mehr als 21.000 Höhenmeter, Schwierigkeit 9 von 10. Viel zu schwer! Mit Hund kann ich das vergessen, denke ich . . . Mmh, okay, ich mach’ es! Reduziere mein Gepäck, da ich nun beim Fully keinen Gepäckträger und Hundeanhänger mehr habe, versuche die Schaltung perfekt einzustellen, telefoniere stundenlang mit Campingplätzen, Touristeninfos, Polizeistationen, Tankstellen, um einen sicheren Parkplatz für mein Auto zu finden. Schreibe einem Freund: ,Es funktioniert alles nicht so wie gedacht, aber ich mach’ es trotzdem‘ . . .
18. Mai 2023, 15 km hinter Deiva Marina: Die Dämmerung setzt ein, zwischen zwei Bäumen weht meine Zeltplane im Wind. Dahinter schimmert das Blau des Meeres. Herr Hund nagt an einem Stöckchen, scheinbar ist er noch nicht ausgelastet. Ich hingegen schon. ,Tag eins also‘ denke ich, als ich müde in meinen Schlafsack krieche . . . 
Stunden und Höhenmeter, Tage und Kilometer fließen ineinander. Das Rad in der einen Hand tragend, mich mit der anderen Hand am Fels abstützend, geht es im Seitschritt und im Schneckentempo schwankend bergauf. ,Mexx‘ tingelt leichtfüßig vorneweg und wartet geduldig. Nach fast einer Woche Unterwegssein setzt die Schwerelosigkeit des Reisens ein. Mit Wind im Haar, Sonne und Schmutz auf der Haut. Es gibt immer einen Weg. . . 
28. Mai 2023: In wenigen Stunden werde ich wieder zu Hause sein. Werde mich fragen, ob es stimmte, als ich gesagt habe ,I go to Ventimiglia.‘ Denn was meine Reise bestimmt hat, war nicht das Ziel. Es waren all die Wege und Momente dazwischen. Von der Entscheidung bis zur Heimkehr. Von dieser ungreifbaren Anzahl an Metern in der Entfernung und in der Höhe, von denen ich nun jeden Millimeter kenne. Die Felszacken genauso wie die Gänseblümchen. Wie der Regen in Ligurien schmeckt. Ich lausche dem tiefen Seufzen eines träumenden Vierbeiners namens ,Mexx‘. Das ist also das Ende der Alta Via dei Monte Liguri. Und der Beginn von . . . ja, von was eigentlich? Von einem Jahr ,geht nicht, gibt´s nicht.‘“

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