Pere Romeu muss noch viel lernen. Vor allem (Fußball-)Geschichte! Wie man kickt, weiß der 31 Jahre junge Chef-Trainer hingegen ganz genau. Dies haben seine Schützlinge vom FC Barcelona am Donnerstagabend in der UEFA Women’s Champions League eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Der ungefährdete 4:1-Erfolg bei Österreichs Frauen-Serienmeister SKN St. Pölten zeigte die ganze Klasse der Gäste aus Katalonien. Bei der Pressekonferenz nach dem Spiel jedoch versagte Romeu kläglich. Wenig später folgte aber eine extrem sympathische Entschuldigung durch den Medien-Boss und vom Erfolgs-Coach selbst.
Was war passiert? Im Ausweichquartier „Viola Park“ (die UEFA lässt nach wie vor keine Heimspiele in der von den Überschwemmungen schwer in Mitleidenschaft gezogenen NV Arena in Sankt Pölten zu) präsentierten sich die SKN-Frauen bis zum 0:1 in der 20. Minute als extrem unangenehmer Kontrahent für das Schwergewicht im Welt-Fußball. Barca fand kein Mittel um die Fünfer-Kette der Gastgeber zu überwinden. Trainer-Mastermind Celia Brancao hatte ihre Lehren aus der 0:7-Abreibung in Barcelona gezogen.
Die SKN-Frauen warfen sich in jeden Ball, gingen beinhart in die Zweikämpfe, suchten immer wieder den Körperkontakt und zogen den internationalen Topstars damit vorerst den Zahn. Erst ein folgenschwerer Fehler von Not-Abwehrchefin Kamila Dubcova kostete Österreichs Frauen-Champion das mit jeder Minute größer werdende Selbstvertrauen. Der Treffer von Francisca Nazareth ließ die Partie dann aber völlig kippen. Mit der Führung im Rücken geigten die Topstars plötzlich befreit auf.
Die große Stunde von Valentina Mädl
Erneut Francisca (29.) sowie Vicky Lopez (31.) machten innerhalb von elf Minuten alles klar. Nach der Pause legte Alexia Putellas (57.) noch einen drauf, ehe die große Stunde einer 18-jährigen Zukunftshoffnung des österreichischen Fußballs kam. Ein idealer flacher Freistoß von SKN-Standardspezialistin Maria Mikolajova erwischte Barcelona völlig auf dem falschen Fuß. Der Ball der SKN-Spielführerin passte genau in den Lauf der am langen Eck mit vollem Tempo heranrauschenden Nummer 11: Valentina Mädl!
Ein Name, den man sich merken muss. Zudem einer für die Geschichtsbücher. Dort standen bisher nur jene von Gerhard Steinkogler und Andreas Ogris. „Gerd“ Steinkogler hatte am 16. März 1983 im Viertelfinal-Rückspiel des Europacups der Cupsieger für eine der größten Sternstunden des österreichischen Vereins-Fußball gesorgt. Nach dem 0:0 im Hinspiel im Praterstadion ging Barca als haushoher Favorit in das Rückspiel in Nou Camp gegen die Wiener Austria.
Doch der Supertreffer des Flügelflitzers aus der Steiermark warf den Giganten aus dem Bewerb. Auf der anderen Seite stand ein gewisser Diego Armando Maradona (1986 dann Weltmeister mit Argentinien) in der Startformation. Jubelten durften jedoch am Ende nur die Veilchen, die dann erst im Semifinale von Real Madrid gestoppt wurden.
Am 3. November 1993 traf dann erneut ein Austrianer sehenswert gegen Barca. Das Traumtor von Andy Ogris mit der Ferse im Ernst Happel-Stadion war jedoch nach der glatten 0:3-Niederlage im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League „nur“ Ergebniskosmetik. Dafür sehenswert und noch heute ein Hit auf YouTube. Und nun steht der Name von Valentina Mädl in den Annalen des österreichischen Vereins-Fußballs: Ein Tor im Europacup gegen Barcelona – ein Traum wurde wahr.
„Irgendwann als Oma werde ich meinen Enkeln wohl oft davon erzählen“, lachte der hochgewachsene Teenager nach dem Spiel in der Mixed Zone im Gespräch mit der „Krone“. Bis dahin hat sie noch ein wenig Zeit. Aktuell gehören ihre Gegenwart und Zukunft. Sie strahlte mit ihren SKN-Teamkolleginnen um die Wette. Viele ergatterten ein Barca-Dress, sogar österreichische Journalisten gingen auf Autogramm-Jagd. Barca ist eben nicht alle Tage in Wien zu sehen.
„Plötzlich lag der Ball vor meinen Beinen. Es war ein unglaubliches Gefühl als er drin war und im Netz gezappelt ist“, grinste Mädl schelmisch. Hoffentlich bleibt sie dennoch am Boden und hebt nicht ab. Jetzt wartet die schwierige Kunst der Bestätigung im nationalen Alltag der Admiral-Frauen-Bundesliga.
Hansi Krankel! Verzweiflung beim Barcelona-Medienboss
Die „Wölfinnen“ bissen zu und hatten damit bis zum Schlusspfiff das letzte Wort für sich. „Die zweite Halbzeit haben wir 1:1 gespielt“, lächelte Celia Brancao bei der PK nach dem Hit. Das Match von der 59. Minute bis zum Ende der Nachspielzeit hat der SKN übrigens sogar mit 1:0 gewonnen!
Nach Brancao war kurz Pause ehe der Barcelona-Trainer den zweiten Teil der von der UEFA vorgeschriebenen Pressekonferenz absolvierte. Ein kurzes „Vergnügen“. Der 1993 in Barcelona geborene Jungspund sorgte für eine Aussage, die den Barca-Medienchef an seiner Seite zur Verzweiflung brachte. „Ich kenne ihn nicht!“, antwortete Romeu auf die Frage nach Ex-Goleador Hans Krankl.
Der arme Kommunikations-Boss der Katalanen begann eine hektische Übersetzung: „Hansi Krankel!“, versuchte er verzweifelt den Frauen-Coach an den einstigen Torjäger zu erinnern, der den Katalanen 1978 mit seinem Treffer den ersten Europacup-Sieg der Vereinsgeschichte beschert hatte. Ein paar Minuten später war es dem Pressechef wichtig, die Sache persönlich aus der Welt zu räumen: „He is too young!“, entschuldigte er seinen Trainer.
Horst Hötsch, Edelfeder des österreichischen Sport-Journalismus, entspannte die Situation. Wie schon so oft. Wenig später wurden Hände geschüttelt und neue Freundschaften geschlossen. Der FC Barcelona verließ Wien als Sieger, Sympathie-Träger und neuer Rekord-Halter: 8.832 Fans bei einem Vereinsspiel im Frauen-Fußball. Das ist wirklich mehr als nur ein Verein!
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