2024 gilt in Österreich als beispielloses Rekordpleitejahr. Auch innovative Leitbetriebe sind vor einer Insolvenz nicht gefeit. Der burgenländische Müllverwertungspionier Oswald Hackl hat es selbst erlebt. Die Wiederauferstehung eines Gescheiterten.
Genau zwei Jahre ist es nun her, dass die niederösterreichische Entsorgungsfirma Brantner die Hackl Container Abfallbehandlungs GmbH. in Wulkaprodersdorf übernommen hat. Davor war das burgenländische Familienunternehmen, das zuletzt 70 Mitarbeiter beschäftigte, 44 Jahre lang ein Leit- und Vorzeigebetrieb gewesen. Doch dann musste Eigentümer Oswald Hackl Junior am 14. Juli 2022 wegen einer Überschuldung von 1,9 Millionen Euro Insolvenz anmelden. Wie sieht er die Pleite in der Retrospektive? Und was macht er eigentlich heute?
„Rückblickend war es ein Multiorganversagen. Nach dem Großbrand 2017, bei dem der Großteil der Firma zerstört wurde, investierte ich 2019 und 2020 mehr als 13 Millionen Euro in den Bau einer neuen Müllaufbereitungs- und Sortieranlage, der modernsten damals in Europa. Doch dabei wurde ich von dem beauftragten Elektrounternehmen eines Verwandten über den Tisch gezogen. Das veranschlagte Budget war plötzlich mehr als dreimal so hoch wie ursprünglich vereinbart. Damit waren alle meine finanziellen Reserven aufgebraucht“, schildert der 52-Jährige.
Aufgrund der Bauverzögerungen habe die Betriebsunterbrechung länger als geplant gedauert. Und die Versicherung habe nicht gezahlt, was vereinbart war. Und dann sei auch noch die Pandemie dazugekommen. „Als wir den Bankkredit nicht tilgen konnten und eine zugesagte Förderung ausblieb, zog ich 2021 einen Finanzberater hinzu und suchte nach einem strategischen Partner, doch letztlich kamen wir aus der Schieflage nicht mehr heraus“, beschreibt Hackl die unglückliche Verkettung „aus eigenen Fehlern“ und „Dingen, die man nicht berücksichtigen kann“.
Unsere größten Learnings? Keine Geschäfte mit Freunden und Familie. Und: Du siehst in solchen Situationen, wer wirklich zu dir steht. Solange man Erfolg hat, kennt dich ein jeder. Doch wenn‘s bergab geht, bleiben vielleicht zwei oder drei Weggefährten übrig.
Oswald Hackl
Bei der Oswald Hackl e.U. wurden im Sanierungsplan 98 Gläubiger mit Forderungen von rund 13,5 Millionen Euro berücksichtigt. Bei der Hackl Container Abfallbehandlungs GmbH. ging es um 10,5 Millionen Euro Forderungen und 66 Gläubiger. Vorgesehen war in beiden Fällen eine Zahlung von 20 Prozent in vier Raten über einen Zeitraum von zwei Jahren:
Dieser Tage habe ich die letzte Quote in der Höhe von fast 500.000 Euro bezahlt. Jetzt bin ich fertig und stehe vor der nächsten Herausforderung: In den USA kann man als gescheiterte Person sogar Präsident werden. In Österreich kann man nicht einmal ein Konto eröffnen. Größere Investitionen sind somit in den nächsten Jahren nicht möglich, selbst dann, wenn ich gute Ideen habe.
Oswald Hackl
Alles Ersparte ist weg
Oswald Hackl und seine Frau Christiane, die in der Firma 30 Jahre lang für die Buchhaltung zuständig war, haben gelernt, das zu akzeptieren, und sich mit Anfang 50 beruflich neu auszurichten. Ein sorgloses Leben als Privatiers ist nicht möglich. Alles Ersparte ist weg, auch ihr Privatvermögen.
„Das Einzige, das wir halten konnten, ist unser Haus. Und unser Wissen. Das setzen wir nun ein“, sagt das Paar, das seit 32 Jahren verheiratet ist und gemeinsam durch dick und dünn geht. Nach der Übernahme durch Brantner waren beide kurz dort angestellt. Doch ein Unternehmergeist lässt sich nicht ablegen. Deshalb haben sie sich selbstständig gemacht. Gearbeitet wird in den alten Räumlichkeiten der Firma Hackl in Zagersdorf. Die Hallen und das 6.500 m2 große Gelände gibt es nämlich immer noch.
Das macht er jetzt
„Meine Frau Christiane unterstützt seit kurzem Klein- und Mittelbetriebe, für die sich eine Vollzeitmitarbeiterin in der Verwaltung nicht auszahlt. Sie erledigt für sie alle möglichen administrativen Tätigkeiten: Buchhaltung, Rechnungen, Mahnungen und Korrespondenzen. Sie hat über 30 Jahre Erfahrung und kennt viele Abkürzungen. Ich bin als selbstständiger Unternehmensberater tätig und begleite Firmen bei der Optimierung der Abfallwirtschaft und der Transformation von der zur Kreislaufwirtschaft“, sagt der studierte Betriebswirt, der hierzulande Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit war. Demnächst möchte er auch die ehemaligen Produktionshallen vermieten. Gerade verhandelt er mit drei Interessenten.
„Ich habe das Tal der Tränen noch nicht überwunden“, gesteht er mit feuchten Augen, um dann innezuhalten. „An manchen Tagen komme ich nicht auf, an anderen spüre ich aber bereits eine Aufbruchstimmung und ein neues Feuer in mir. Meine Frau ist mir da eine sensationelle Stütze. Wir geben uns gegenseitig Halt. Denn Aufgeben ist für uns keine Alternative.“
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