Über 100 Messerstiche

Unterbringung nach „Massaker“ im Asiastudio

Gericht
25.11.2024 15:54

„Es waren insgesamt über hundert Messerstiche und -schnitte“ – mit denen ein 27-jähriger Afghane am 23. Februar in einem Wiener Asiastudio zwei Sexarbeiterinnen und die Studiobetreiberin regelrecht hinrichtete. Auf seiner Flucht nach Österreich sei er „verhext“ worden, sagt er. Im Wiener Landl entscheiden Geschworene seine Unterbringung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum.

„Der Anblick schockierte sogar erfahrene Mordermittler“, versucht die Staatsanwältin zu verdeutlichen, was die Polizei am 23. Februar in einem Asiastudio in der Wiener Engerthstraße vorfand. Mit über hundert Messerstichen und -schnitten richtete ein 27-Jähriger dort ein Blutbad an, ermordete zwei Sexarbeiterinnen und die Betreiberin des Studios.

Anstalt statt Gefängnis
Im Wiener Landesgericht wird dem Afghanen ausgerechnet am „Internationalen Tag zu Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ der Prozess gemacht – eine Gefängnisstrafe droht ihm jedoch nicht. Er nimmt auch nicht als Angeklagter Platz, sondern, wie dies bei Unterbringungsanträgen genannt wird, als „Betroffener“. Laut Gutachten kann der „Betroffene“ nämlich für die brutalen Hinrichtungen von drei Frauen in Wien, zwei 47-jährigen Angestellten und der 67-jährigen Betreiberin des Bordells, nicht verantwortlich gemacht werden. 

Er leidet laut Gerichtspsychiater Peter Hofmann an einer paranoiden Schizophrenie: „Es war ein explosionsartiger Aggressionsdurchbruch. Die Psychose war tat- und handlungsbestimmend.“

Die Bezeichnung „Betroffener“ wirkt dennoch wie ein Hohn für die Opfer. Vor allem, wenn berichtet wird, wie sehr die attackierten Chinesinnen leiden mussten. Laut Gutachter Nikolaus Klupp waren es außergewöhnliche Stichverletzungen unter besonders heftiger Gewalteinwirkung.

Die Gerichtsgutachter Nikolaus Klupp und Peter Hofmann (re.). (Bild: Jöchl Martin)
Die Gerichtsgutachter Nikolaus Klupp und Peter Hofmann (re.).

Frau habe ihn „verhext“
2021 flüchtete der 27-Jährige – in seiner Heimat studierte er Informatik, betrieb eine Werbeagentur – nach Österreich. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens berichtete der Afghane, er habe eine Frau getroffen – „eine Hexe, die ihn verhext hatte“, so die Staatsanwältin. Bis zur Tat hätte sie Einfluss auf ihn gehabt. „Sie wollte, dass ich ihre Macht anerkenne.“

Zeugin hörte 20 Minuten lang die Schreie eines Opfers
Jene Frau, die an jenem Abend auch im Asiastudio gearbeitet hat und den Angriff überlebt hat, erscheint sichtbar gezeichnet als Zeugin im Gericht. „Ich habe Schreie gehört. Von einer Frau“, sagt sie. „Das hat 20 Minuten lang gedauert.“ Ihr Leben sei durch den Vorfall durcheinander gekommen. „Ich habe seither große Schwierigkeiten. Ich habe große Ängste. Aber ich bin dankbar, dass ich noch am Leben bin“, beginnt sie zu weinen. „Ich vermisse meine Kinder so sehr. Wegen dem Verfahren darf ich das Land nicht verlassen. Meine Enkelin habe ich noch nie gesehen“, sagt sie, ehe sie – gestützt von Sozialarbeitern und ihrem Ehemann – aus dem Saal gebracht wird. Anspruch auf Schmerzensgeld hat die Frau aufgrund der psychischen Erkrankung des „Betroffenen“ nicht.

Drei Messer für Mord gekauft
„Er beschäftigte sich außerdem intensiv mit dem Islam“, erklärte die Anklägerin. Gott habe ihm dann befohlen, gegen „die Feinde“ Dschihad zu betreiben – diese Feinde fand er schließlich in den drei getöteten Sexarbeiterinnen. „Er besuchte das Freitagsgebet in einer Moschee. Dann ging er mit drei Messern in das Asiastudio. Diese Messer hat er nur für diesen Zweck gekauft.“ Er täuschte vor, als Kunde das Bordell zu besuchen. Mit unsagbarer Brutalität ermordete er die drei Frauen. 

„Unfassbare Katastrophe“
Das streitet der 27-Jährige auch nicht ab – „diese unfassbare Katastrophe“, bezeichnet es sein Verteidiger Philipp Springer. Der Anwalt beschreibt die Eskalationsspirale der Krankheit seines Mandanten, die schon Monate vor der Tat angefangen hätte. Der Afghane gibt an: „Die Hexe war in meinem Kopf und hat geredet.“ Bei der Polizei hatte der Asylwerber noch ausgesagt, dass er während der Tat den Koran zitiert habe. 

Am Montag will er sich aber an die Tat gar nicht mehr erinnern. „Meine erste Erinnerung ist, dass meine Hände verletzt waren“, sagt der Afghane, der im Großen Schwurgerichtssaal in Winterjacke vor den Geschworenen Platz nimmt. Der Mann ist groß gewachsen, trägt einen kurzen Bart. 

Keine Rückführung möglich
Im Laufe des Prozesses wird auch noch Gerichtspsychiater Peter Hofmann ein ausführliches Gutachten erstatten. Er konfrontiert den Mann mit seinen furchtbaren Taten: „Das kann man als Massaker bezeichnen! Warum haben Sie diese Frauen mit dieser unglaublichen Brutalität hingerichtet?“ Der Mann antwortet nicht. Im März hätte der Asylwerber nach Teheran zurückfliegen sollen. Auch jetzt würde er gerne seine Strafe in der Heimat verbüßen. Doch da es mit Afghanistan kein Rückführungsabkommen gibt und es dort auch keine forensich-therapeutischen Zentren gibt, wird er in Österreich bleiben.

Am Nachmittag steht es schließlich fest: Wie erwartet folgen die Geschworenen dem Unterbringungsantrag der Staatsanwaltschaft Wien. Der 27-Jährige wird also auf unbestimmte Zeit in eine Anstalt eingewiesen.

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