Neues Album „Three“

Markus Kienzl: Elektronik nach den Sofa Surfers

Musik
29.11.2024 09:00

Zuerst schreibt Markus Kienzl als Mitglied der Sofa Surfers heimische Musikgeschichte, dann reüssiert er auch noch breitflächig als Komponist für Filme und Serien. Irgendwo dazwischen blieb dem 51-Jährigen immer wieder Zeit, um an eigenen Songs zu arbeiten. Auf dem Album „Three“ bündelt er sie nun und vermischt Stärken aus seiner Vergangenheit mit zeitgenössischen Themen und einem modernen Zugang zum Sound.

(Bild: kmm)

Ohne ihn würde in der österreichischen Elektronikszene nichts gehen – oder sie wäre zumindest um so manch atmosphärische Klangcollage ärmer. Markus Kienzl, Mitglied der legendären und zurzeit auf Eis gelegten Sofa Surfers, hat sich in den letzten Jahren vor allem als Komponist für Film und Fernsehen einen Namen gemacht. Mit seiner Band hat er schon die „Brenner“-Verfilmungen nach den Romanen von Wolf Haas musikalisch begleitet, alleine hat er sich in den letzten Jahren u.a. beim „Tatort“, der von Sky produzierten Serie „Die Ibiza Affäre“, der dritten Staffel von „Der Pass“ oder in der ZDF-Produktion „Dead End“ verewigt. Keine schlechte Vita also. Dazwischen hat sich der Mödlinger immer wieder in seinem Studio im 4. Gemeindebezirk verschanzt, um abseits der visuellen Klangbegleitung musikalisch wieder richtig auf den Putz zu hauen – „Bumm-Zack“, wie Kienzl die in diesen Sessions geschriebenen Songs lachend und passend im „Krone“-Gespräch nennt.

Den nächsten Schritt gegangen
„Ich habe die kurzen Pausen zwischen den Serien und Filmproduktionen immer wieder genützt, um zurück in meine Welt heimzukommen“. Mit Heimkommen meint Kienzl nicht nur härtere Stücke, sondern auch mehr Freiheit. Während man im TV-Geschäft bis zur Fertigstellung unendlich viele Feedback- und Kontrollschleifen durchlaufen muss, ist er bei seinen Solo-Produktionen selbst das größte Korrektiv. „Ich habe einige Songs geschrieben, die ich gar nicht so groß rausbringen wollte. Ich habe mal an eine EP gedacht, aber dann gab es mehr und mehr Material. Ich wollte die Songs irgendwann auch nicht mehr nur auf der Festplatte horten, sondern sie anderen Leuten zugänglich machen.“ Als die Songs sich sammelten und ein Produkt ergaben, hat ihn Freund und Sofa-Surfers-Kollege Michael Holzgruber, der auch für das Mastering sorgte, dazu animiert, den nächsten Schritt zu gehen. „Er sagte, ich solle gleich ein Album machen. Ich hätte noch mehr als die 13 Nummern machen können, aber das passt jetzt schon so.“

„Three“ ist Kienzls drittes Studioalbum und solo das erste nach 15 Jahren. Basierend auf der Grundlage seines klassischen Sounds streckt er sich in diverse Richtungen von Hip-Hop über Trip-Hop, Dub, Rock und auch etwas Soul hinaus. Ein elementar wichtiger Teil des Gesamtergebnisses liegt an den starken Gesangsleistungen. Der aus New York stammende und derzeit in Lyon lebende Oddateee sorgt für die harschen Hip-Hop-Parts, Tania Saedi lässt mit ihrer Stimme eher die feine Klinge springen, dazu sind auch noch Semtex MC aka MC Santana und Loretta Who auf den Songs zu hören. „Manchmal bekam ich die Gesangsparts und habe die Musik dazu gemacht, manchmal war es umgekehrt. Bei manchen Tracks weiß man schnell, zu welcher Art von Gesang sie passen, bei anderen dauert es länger. Ich habe viel probiert und auf mein Gefühl vertraut.“

Minimalistische Schärfe
Klanglich versuchte Kienzl ebenfalls bei seinen angestammten Leisten zu bleiben. Sprich: Die Musik soll zeitgemäß, aber nicht überproduziert oder allzu fett klingen. „Die größte Herausforderung war, nicht alles mit Bombast voll zu kleistern. Jeder Song und jeder Klang stehen auf dem Album für sich. Wenn ich mir die verschiedenen Aufnahmespuren anhöre, klingt es auch für sich stehend gut und das war mir besonders wichtig. Diese Art des Minimalismus bringt eine gewisse Härte und Schärfe mit sich, die mir für die einzelnen Tracks sehr gut gefallen hat.“ „Three“ ist trotz der über mehrere Jahre geschriebenen Songs, der verschiedenen Genre-Strukturen und der unterschiedlichen Stimmen sehr sphärisch und zusammenhängend ausgefallen. Eine kontrollierte Aggressivität duelliert sich auf angenehme Weise mit einer für heimische 90er-Elektro-Produktionen gewohnten Zurückhaltung. Eine interessante und gelungene Gemengelage, die unbewusst einen Bogen von alten Sofa Surfers über Kienzls Sololiedern bis hin zu Teilen seiner Film- und Serienarbeit schlägt.

„Viele Klänge und Beats der 2000er-Jahre liebe ich sehr, aber ich wollte sie nicht einfach reproduzieren“, führt Kienzl aus, „ich habe mich schon bemüht, dass das Album aktuell und zeitgemäß klingt. Ich bin kein junger Act mehr, der krampfhaft irgendwelche Höhen erklimmen möchte. Ich habe keinen Druck, mit diesem Album etwas erreichen zu müssen. Ich schlage Bögen zurück und versuche mich in alle Richtungen zu bewegen. Wichtiger, als dass die Songs dem Zeitgeist entsprechen, war mir, dass sie mich erheitern und mir Freude machen.“ Kienzl spricht bei seiner Musik viel davon, möglichst der ersten Intuition zu folgen, ist bei ihrer Ausarbeitung und Verfeinerung aber ein unverbesserlicher Perfektionist. „Ich plane vorher nicht, was ich mache und wie etwas klingen soll. Da lasse ich mich leiten und das hört man dem Album auch an. Das Grundgerüst ist immer intuitiv, danach geht es in die Bearbeitungsphase.“

Der Flow stimmt
Der völlig auf den Sound fixierte Komponist lässt seinen Sängern bei ihren Texten völlige Freiheit. So besingt Oddateee in „Confused“ die von Social-Media-Plattformen angetriebene, verzerrte Realität, wundert sich in „I Often Wonder“ über Klimaleugner und Trump-Fans, während Saedi auf „Chained“ eine persönliche Begegnung mit ihrem kindlichen Selbst wagt und bei „Hustler“ die Geschichte über einen toxischen Mann erzählt. „Ich weiß, was ich von ihnen kriege und muss da nicht aufpassen. Irgendwelche Nazi-Parolen werden garantiert nicht zu finden sein und im Großen und Ganzen passt der inhaltliche Flow sehr gut zum musikalischen.“ Je nach Stimme und Inhalt verändern und adaptieren sich auch Härtegrade und Ausrichtung. Im Großen und Ganzen geht es um erlebte und erfahrene Alltagsprobleme aus unterschiedlichen Perspektiven – für jedermann identifizier- und auch nachvollziehbar.

Eine Überraschung ist das abschließende Louis-Armstrong-Cover „What A Wonderful World“ mit Saedi als Sängerin. „Mit dem Track haben wir uns bei einer Werbung beworben und sind damit gescheitert. Unsere Version hat so einen Depri-Touch, weshalb es mich im Nachhinein gar nicht wundert, warum er nicht gewählt wurde. Ich fand die Nummer aber zu gut, um sie nicht irgendwo zu veröffentlichen. Außerdem entlässt sie den Hörer doppeldeutig. An unserer Welt ist einerseits nämlich so gar nichts mehr wundervoll. Andererseits kann man das Lied auch so interpretieren, dass sie trotz allem, was passiert, immer noch toll ist.“ Ob das kompakte „Three“ auch mal live zu hören sein wird, lässt der Musiker offen. „Ich will nicht in all den Venues spielen, wo ich schon so oft war. Schön wäre es, zum Beispiel kommendes Jahr beim Donaufestival in Krems zu spielen, das wäre ein passender Rahmen. Schauen wir mal, ob es sich ergibt.“

Was passiert mit den Sofa Surfers?
Aufgrund seiner vielen Aktivitäten im Filmgeschäft ist Kienzl nicht auf Konzerte angewiesen. Der Familienvater müsste sich dafür noch zusätzlich Zeit und Raum freischaufeln – deshalb auch die vorerst noch sehr wage Prognose ob eines Live-Auftritts. Völlig ausgeschlossen wäre auch eine Wiederkehr der Sofa Surfers nicht, die mit ihrem Jubiläumsalbum „20“ zuletzt vor sieben Jahren ins Licht der Öffentlichkeit gerückt sind. „Wir sehen uns hin und wieder. In meinem Studio habe ich einen Pokertisch, an dem wir immer aktiv sind. Unlängst hatten wir ein Interview für Ö1 und wurden gefragt, wie es bei uns weitergeht. Wir haben uns angeschaut und gemerkt, dass wir vielleicht wirklich mal wieder was machen sollten. Es ist aktuell kein großes Thema und alle sind gut beschäftigt, aber wenn der Vibe passt, bin ich auf jeden Fall dabei. Es hat von uns nur keiner so richtig das Feuer live zu spielen, geschweige denn auf eine Tour zu gehen.“ So bleibt immer noch das starke „Three“. Kienzls drittes Solowerk ist ohnehin mehr als nur eine Überbrückung hin zur eigenen Wiener Club-Nostalgie.

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