„Notwendigkeiten“

Ringen um Koalition: Mahrer zeigt rote Linien auf

Wirtschaft
27.11.2024 06:00

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer fordert eine Lohnnebenkosten-Senkung ab 1. Jänner 2026. Er wehrt sich gegen neue Steuern und gegen Schließung der Hälfte aller Spitäler.

Die KTM-Insolvenz zeigt, wie tief die österreichische Wirtschaft in der Krise steckt. Das Erdbeben bei der Steiermark-Wahl wiederum veranschaulicht, wie tief die Existenzängste der Bürger sitzen.

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer (Bild: Urbantschitsch Mario/Mario Urbantschitsch)
Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer, der in den Sondierungsverhandlungen Teil des ÖVP-Teams war, geht nun in die Offensive und stellte Forderungen für die neue Regierung auf.

„Es gibt absolute Notwendigkeiten“
„Es gibt absolute Notwendigkeiten, ohne die keine Regierung eine Existenzberechtigung hat.“ Da gilt es die „hausgemachten strukturellen Probleme“ und die große „Ungerechtigkeit, die im Lande herrsche“, zu beseitigen. „Es gibt keinen großen finanziellen Unterschied mehr zwischen denen, die arbeiten könnten, aber ohne guten Grund – etwa Kinderbetreuung oder Pflegearbeit – nicht wollen, und jenen Menschen, die arbeiten können, wollen und auch gehen. Das ist ein schwieriger Giftcocktail“, warnt Mahrer.

Harald Mahrer im Interview mit den „Krone“-Redakteuren Rainer Nowak und Ida Metzger  (Bild: Urbantschitsch Mario/Mario Urbantschitsch)
Harald Mahrer im Interview mit den „Krone“-Redakteuren Rainer Nowak und Ida Metzger 

„Die goldenen Zeiten sind in ganz Europa vorbei“
Eine rote Linie ist die Arbeitszeit: Die Überlegungen vor allem der Sozialdemokratie, „ob man in dem Land weniger arbeiten könnte, ist nicht diskutierbar. Wir müssen diskutieren, wie man in dem Land mehr arbeitet“. Der Trend, „Teilzeit zu arbeiten und nebenbei zu pfuschen“, muss abgestellt werden. „Ich verstehe gar nicht, warum das so lange zugelassen wurde.“

  • Der Leistungswille sollte mit einem Anreiz-System gesteigert werden. „Das gilt für das Arbeiten in der Pension und die Überstundenseite. Zusätzlich brauchen wir rasch eine kräftige Senkung der Lohnnebenkosten ab Anfang 2026. Das sind absolute Muss-Positionen, denn österreichische Produkte sind toll, aber zu teuer.“
  • Warum sind Maßnahmen wichtig? Weil Österreich in den kommenden 15 Jahren durch Pensionierungen auf ein Loch von 250.000 Menschen, die auf dem Arbeitsmark fehlen werden, zusteuert. „Wir werden Zuwanderung brauchen – aber in den Arbeitsmarkt und nicht ins Sozialsystem.“ Mahrer wundert sich beispielsweise, dass Österreich arbeitswillige Menschen aus den Westbalkanländern über die Gastarbeiterroute durch Österreich fahren lässt, damit sie in Bayern arbeiten können, aber dass es für diese Arbeitskräfte kein vergleichbares Arbeitskontingent für Österreich gibt.
  • Gleichzeitig muss der Staat aber sparen. SPÖ-Chef Babler spricht bereits wieder von neuen Steuern. Dieser Idee erteilt Mahrer eine klare Absage. „Neue Steuern sind die Lösung, wenn man sich nicht die Arbeit antun will, die Ausgaben zu durchforsten. Wir leisten uns eine Reihe von Luxusausgaben. Das Geld ist auftreibbar, um das strukturelle Loch zu schließen, und um in die Zukunft zu investieren.“
  • Mahrer fordert alle – Bund, Länder und Gemeinden – auf, endlich zu erkennen, dass „die goldenen Zeiten in ganz Europa vorbei sind. Bildlich gesprochen: Sieben Kreisverkehre in jeder Gemeinde sind sinnlos. Stattdessen muss man Prioritäten setzen“, so sein Appell. „Die Bevölkerung wird immer älter. Da zu glauben, man kann die Hälfte aller Krankenanstalten schließen, ist absurd. Man wird in das Gesundheits- und Pflegesystem investieren müssen.“ Damit die Enkel Zukunftschancen haben, braucht es dringend Investitionen in die frühkindliche Bildung. Bei den Verhandlern vermisst Mahrer noch „das gemeinsame Erkennen, wie kritisch die Lage ist“.

„Manche liebäugeln mit dem Wirtschaftsprogramm der FPÖ“
Mahrer gibt der Zuckerl-Koalition eine 50:50-Chance, die Industriellenvereinigung liebäugelt mit FPÖ-Chef Herbert Kickl als Koalitionspartner. „Manche liebäugeln mit dem Wirtschaftsprogramm der FPÖ, weil es teilweise von uns und der Industriellenvereinigung abgeschrieben ist. Aber man sollte zwei Schritte vorausdenken. Wir verdienen als Exportnation sechs von zehn Euro unserer Wertschöpfung im Ausland. Da kann man sich nicht abschotten. Da geht es auch um die Reputation des Landes.“

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