„Die westliche Welt wird bulgarisiert.“ Mit diesen Worten beschreibt der renommierte bulgarische Journalist Georgi Milkov die immer tiefer werdende Spaltung der Gesellschaften in allen westlichen Ländern. Einen großen Anteil daran habe Russland, erklärt er im Gespräch mit der „Krone“.
Die Einflussnahme und Desinformation aus dem „Zarenreich“ hat viele Jahre vor dem Ukraine-Krieg begonnen. „Nur haben es die Menschen in Westeuropa nicht gemerkt. Sie kennen und erkennen die subtilen Methoden der Russen nicht“, so Milkov. „Es macht mir Angst, wenn ich nach Deutschland oder Frankreich blicke.“
In Bulgarien sind die russischen Angriffe dagegen großes Thema. Das bestätigt auch Milkovs Kollege Luybomir Neshkov, Eigentümer der Nachrichtenagentur BGNES. „Wir sind gerne behilflich und klären die Politik im Westen auf. Vielleicht ist das der Gewinn, wenn man nach einem solchen suchen will, aus dem täglichen Kampf, den wir hier gegen die russische Einflussnahme führen.“
Rumänische Präsidentenwahl wurde offenbar beeinflusst
Das jüngste Beispiel für Manipulationen ist die rumänische Präsidentschaftswahl. Der rechtsextreme und russlandfreundliche Calin Georgescu landete überraschend auf Platz ein, der favorisierte sozialdemokratische Regierungschef Marcel Ciolacu verpasste den Einzug in die Stichwahl am 8. Dezember.
Der rumänische Verteidigungsrat bestätigte nach dem Urnengang, dass es im Kontext der Wahl „Cyberattacken zur Wahlbeeinflussung“ gegeben hat. Konkret verwies das Gremium darauf, dass die Social-Media-Plattform TikTok einen Präsidentschaftsanwärter massiv und unrechtmäßig begünstigt hat – was aus Sicht des Gremiums mit einer Cyberattacke gleichzustellen ist.
Tiktok ignorierte rumänische Behörden
Rumäniens zentrales Wahlbüro soll sich noch während des Wahlkampfes mit der Kurzvideoplattform in Verbindung gesetzt haben – allerdings vergeblich, da Tiktok trotz der Aufforderung der rumänischen Behörden weiterhin keine Kennzeichnung besagten Wahlkampfmaterials vorgenommen habe. Dies habe sich letztlich auf das Endergebnis der ersten Runde der Präsidentenwahl ausgewirkt, erklärte das Gremium, das die zuständigen Ermittlungsbehörden des Landes abschließend aufforderte, umgehend Verfahren zur Klärung dieses Sachverhalts einzuleiten. Anträge auf Annullierung der Wahl wurden vom Verfassungsgericht allerdings abgelehnt.
Ein Krebsgeschwür, das sich in ganz Europa ausbreitet
„Es ist ein Krebsgeschwür und breitet sich immer mehr aus“, sagt eine Diplomatin aus dem bulgarischen Auslandsministerium, die nicht namentlich genannt werden will. Tatsächlich ist Bulgarien inzwischen ein unregierbares Land geworden. Es gab in den letzten drei Jahren sieben Parlamentswahlen. Und auch nach sechs Anläufen konnte kein Parlamentspräsident gewählt werden. Die Wahlbeteiligung liegt bei 37 Prozent – ein demokratiepolitisches Desaster.
Die politischen Beobachter in Bulgarien sind überzeugt, dass Russland bei der Spaltung der westlichen Gesellschaften, der Zersplitterung ihrer Parlamente und beim Erstarken der rechten Parteien die Finger im Spiel hat. Das gelte natürlich auch für die FPÖ und sei bei den vielen Wahlen – von der EU-Wahl, über die Landtags-Wahlen bis zur Nationalratswahl – sichtbar geworden.
Russen mischen auch bei Migration mit
In Bulgarien tauchen immer wieder neue Parteien auf, die die Demokratie zu destabilisieren versuchen. Um eine Regierungsmehrheit zu bilden, braucht es immer Parteien. Ein Phänomen, das sich langsam überall in Europa ausbreitet. Milkov ist überzeugt, dass Russland auch bei der Massenmigration nach Europa mitspielt. Russische Paramilitärs wie die frühere Gruppe Wagner sind in Afrika aktiv und „machen alles, womit sich Geld verdienen lässt“.
Am Balkan spielt Russland seine Propaganda über emotionale Themen wie die gemeinsame orthodoxe Religion und die kyrillische Schrift. „Der Einfluss im Osten und in Bulgarien überrascht nicht, aber es ist erschreckend, wie stark er auch in Deutschland und Frankreich ist. Das macht mir richtig Angst. Der Westen versteht und erkennt den russischen Einfluss nicht, der Erfolg der FPÖ hat natürlich auch damit zu tun“, so Milkov.
Ost-Länder haben Angst, von Vergangenheit eingeholt zu werden
Die bulgarische Gesellschaft sei ein gutes Beispiel dafür, wie gut das funktioniert. Die Pro-Europäer warnen vor einer Sackgasse, aus der es keinen Exit gibt. Es ist ein täglicher Kampf gegen die Desinformation. Die Russen bedienen sich aller Kanäle: soziale Medien, Journalisten, Parteien. Den pro-europäisch eingestellten Menschen ist der Kampf besonders wichtig. Das Land hat in den vergangenen 34 Jahren hart für Freiheit, Wirtschaft und Fortschritt gekämpft, man will nicht zurück in die Vergangenheit katapultiert werden.
Wollen nicht auf der falschen Seite des Zauns landen
„Österreich kann sich sicher sein, dass es auf der richtigen Seite des Zaunes bleiben wird, uns droht ein Rückfall. Das wollen wir nicht. Wir haben dafür gekämpft, uns aus der russischen Umarmung zu befreien“, so die Diplomatin, die anonym bleiben will. So werde etwa versucht, Stimmung gegen die NATO zu machen. Anlässlich der 20-jährigen Mitgliedschaft im Verteidigungsbündnis wurden Graffitis mit „NATO-RAUS“-Parolen beschmiert.
„Wir spüren den Einfluss jeden Tag. Der Westen ist sich dessen nicht bewusst, wir wollen sie wachrütteln. Wir sind über das Erstarken der rechten Parteien besorgt und fragen uns, ob Europa noch funktionieren kann, wenn der große deutsch-französische Motor nicht mehr arbeitet“, sagt Gergana Passy, Vorsitzende von Pan Europa Bulgaria und ehemalige Europaministerin.
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