Einst war Bildung Auftrag der Kirche und Klosterschulen die einzigen Bildungseinrichtungen. Wie aber schaut die Sache heute aus, entscheiden sich noch viele Eltern für eine katholische Schule für ihr Kind? Und wenn ja, warum, was ist die große Stärke solcher Bildungseinrichtungen, was die Herausforderungen? Wir haben uns die Lage angeschaut.
Wissen Sie eigentlich, dass die Katholische Kirche bis 1869 die Bildungsaufsicht hatte? Und das selbst über das staatliche Schulwesen. Erst danach wurde die Aufsicht vom Staat übernommen. Noch heute prägen katholische Einrichtungen unser Bildungssystem: „Die katholische Kirche ist weltweit bei weitem der größte Bildungsanbieter im privaten Bereich und auch im Vergleich zu nationalstaatlichen öffentlichen Bildungsträgern nach China und Indien auf Platz drei“, weiß Theologin Marie-Theres Igrec, designierte Bildungsbereichsleiterin der Österreichischen Ordenskonferenz.
„Weltweit besuchen in etwa 62 Millionen Kinder und Jugendliche mehr als 210.000 katholische Schulen und Kindergärten“, so Igrec. „Nehmen wir alle konfessionellen Bildungseinrichtungen zusammen, so sind wir bereits bei über 100 Millionen Schülerinnen und Schüler weltweit.“
Im Verhältnis zur globalen Gesamtschülerzahl sind das 4,8 Prozent im Primarstufenbereich und im Sekundarstufenbereich 3,2 Prozent.
„Die Zahl der Schüler an katholischen Schulen weltweit hat sich zwischen 1980 und 2020 von 34,6 auf 61,4 Millionen fast verdoppelt“, erklärt die Theologin, die wir im Zuge der jährlichen Ordenstagung in Wien treffen, „was u. a. dem starken Bevölkerungszuwachs in Afrika geschuldet ist.“
Die katholische Kirche ist der weltweit größte Bildungsanbieter im privaten Bereich und auch im Vergleich zu nationalstaatlichen öffentlichen Bildungsträgern nach China und Indien auf Platz 3.
Theologin Dr. Marie-Theres Igrec
Bild: OÖK/emw
Interessant dabei die Aufteilung: „Schauen wir uns diese auf einer Landkarte an, sind zwei Drittel der Schüler katholischer Schulen auf 15 Länder verteilt“, berichtet Igrec und bezieht sich bei den Statistiken auf den „Global Education Report“ von Quentin Wodon.
Die Lage von Indien bis Österreich
Fast neun Millionen Kinder besuchen die katholische Schule in einem Land, in dem der Katholikenanteil bei etwa zwei Prozent liegt: „nämlich Indien, wo die Diözesen und verschiedenste Orden fast 50.000 Einrichtungen betreiben“, sagt die Bildungsexpertin.
Und unter den Top fünf folgen weiters vier afrikanische Länder der Sub Sahara Region, nämlich die Demokratische Republik Kongo, Uganda, Kenia und Malawi.
Europäische Länder findet man zumindest unter den Top 15, darunter Frankreich, Spanien, Belgien und Irland. Generell besuchen rund 8,8 Millionen Kinder und Jugendliche in Europa katholische Schulen, in Österreich sind es rund 75.000.
Schulen unterschiedlich eingebettet
„Die historische und politisch-strukturelle Einbettung der Schulen könnte über den Globus verteilt unterschiedlicher nicht sein, das zeigt schon der exemplarische Blick nach Europa“, betont die Bildungsexpertin.
Demnach würden in manchen Staaten fast ausschließlich katholischen Schulen vom Staat mit der Bildungsaufgabe betraut und zu 100 Prozent subventioniert, in anderen wiederum seien sie ganz von der Finanzierung durch den Schulträger und von Schulgeld abhängig – „österreichischer Mittelweg inklusive“.
Ordensschulen besonders nachgefragt
In Österreich gehen etwa 75.000 bzw. 6,7 Prozent aller Schüler in eine katholische Privatschule; davon 50.000 bzw. 4,5 Prozent der Gesamtzahl in eine der bundesweit 190 Ordensschulen. Und deren Nachfrage sei enorm, hebt Igrec hervor, an vielen Standorten ist sie sogar „zwei- bis dreifach überzeichnet“.
Zum guten Ruf der Ordensschulen trägt laut der Theologin das gute Abschneiden in der Leistungsskala bei, aber auch das spürbare Bemühen um ein gutes Schulklima. Ordensschulen sehen sich „nicht als Unterrichtsanstalten, sondern als Lebensräume“, sagt die Theologin.
Und es seien „Orte des Erwerbs nicht nur von Wissen, sondern auch von Sozialverantwortung, Solidarität oder demokratischen Grundwerten“ – inklusive Förderung einer politischen Wachsamkeit und einer „Einmischungskompetenz“ -, ebenso wie „Orte der Hoffnung inmitten eines sich ausbreitenden Fatalismus und wachsender psychischer Belastung“.
Nachwuchs an Lehrern als Herausforderung
Aber ja, natürlich stehen heutzutage auch Ordensschulen vor Herausforderungen wie Säkularisierung und Pluralisierung. An allen Standorten nimmt die Zahl von Schülern ohne Bekenntnis zu, „und es wird auch immer schwieriger, Lehrpersonal zu finden, das christlich und vielleicht sogar katholisch sozialisiert ist“.
Notwendig wird also, „das Wertefundament praktikabel zu übersetzen, also konkret: Was bedeutet das Evangelium jetzt für die Schulführung oder für die Unterrichtsgestaltung, sodass es auch von jenen Mitarbeitenden, die der Kirche fernstehen, mitgetragen werden kann“, betont Igrec.
Diversität als große Stärke
Generell im Christentum sei gerade Diversität eine große Stärke - „und auch etwas Grundkatholisches“, so die Bildungsexpertin: „Es war immer eine Stärke des Christentums, dass Einheit im Grunde genommen immer Einheit in Verschiedenheit bedeutet hat.“
Und das zeigen ja auch die vielen verschiedenen Ordensgemeinschaften, die „mit ihren jeweiligen Charismen und Zielsetzungen – auch im Bildungsbereich – ganz verschiedene Schwerpunkte setzen“. Und damit auch punkten.
Katholische Schule zu sein bedeutet heutzutage u.a. eine Profilschärfung - „aber nicht im Sinne einer Abgrenzung, sondern im Dialog mit den Anforderungen der Zeit“. Dazu gehört es eben auch, „eine Willkommenskultur zu pflegen und Diversität auch in den eigenen Reihen zu begrüßen“.
Marokkos besondere Christen-Situation
Übrigens: In Marokko z. B., einem Land mit rund 30.000 Christen unter 37 Millionen Muslime, gibt es nur zwölf katholische Schulen, die von etwa 10.000 Schülern besucht werden. Auf diese zwölf Schulen verteilen sich jeweils zehn bis zwölf christliche Kinder, der Rest sind Muslime. Auch unter den 600 Lehrenden und 200 weiteren Mitarbeitern gibt es dort nur 15 Christen.
Der Diözese hier war ein christliches Schulprofil wichtig, das von muslimischer Seite gut mitgetragen und mitgestaltet werden kann. Kardinal Cristobal Lopez Romero hatte in diesem Zusammenhang vor zwei Jahren erklärt, nicht steigende Zahlen an Christen und christlichen Einrichtungen an einem Ort seien ausschlaggebend.
Vielmehr erfülle Kirche ihre Mission, wenn sie dazu beiträgt, eine Welt zu schaffen, in denen Gott und dessen Werte regieren: „Ob die Kirche größer oder kleiner ist, mit mehr oder weniger Gläubigen, gehört nicht zu den Zielen, die uns gesetzt werden. Das ist Sache des Arbeitgebers; er wird wissen, wie viele Arbeiter erforderlich und angemessen sind“.
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