Brüder festgenommen

USA: Drei vermisste Frauen nach Jahren aus Haus befreit

Ausland
07.05.2013 16:13
Drei seit rund zehn Jahren vermisste Frauen sind in den USA lebend wiederaufgetaucht. Die jungen Frauen waren entführt und in einem Haus in Cleveland im Bundesstaat Ohio gefangen gehalten worden. Zwei der Opfer waren noch Teenager, als sie letztmals gesehen wurden. Ein Nachbar verhalf den Frauen am Montag zur Flucht. Drei Verdächtige wurden festgenommen. Die Männer sind Brüder im Alter von 50, 52 und 54 Jahren. Der 52-Jährige, der Ex-Schulbusfahrer Ariel Castro, lebte in dem Haus.

Der Nachbar wurde am Montagnachmittag (Ortszeit) auf das Verbrechen aufmerksam, als er eine der Frauen schreien hörte und verzweifelt aus einem Spalt an der Tür winken sah. "Sie rastete aus und versuchte rauszukommen", sagte Charles Ramsey einem lokalen Fernsehsender. Er habe angenommen, es würde sich um einen Fall von häuslicher Gewalt handeln. Daraufhin habe er einen Teil der Tür eingetreten, und die Frau sei mit einem kleinen Mädchen im Arm durch das Loch ins Freie geklettert.

Frau bei Notruf: "Ich bin frei, ich bin jetzt hier"
Die durch Ramsey befreite Amanda Berry - im kleinen Bild beim Wiedersehen mit ihrer Schwester Beth (li.) sowie ihrer während der Gefangenschaft geborenen, sechsjährigen Tochter - rief aus einem Nachbarhaus per Telefon die Polizei: "Ich bin Amanda Berry. Ich wurde entführt. Ich werde seit zehn Jahren vermisst. Ich bin frei, ich bin jetzt hier", schluchzte die Frau, wie aus der Aufzeichnung ihres Anrufs hervorgeht.

Am anderen Ende der Leitung fragte der Telefondienst nach der Kleidung des Entführers. "Ich hab keine Ahnung, er ist nicht hier, deswegen bin ich auch entkommen", sagte Berry. Die Polizei riet ihr zu bleiben, wo sie ist. Es würde sich ein Wagen auf den Weg machen, sobald einer zur Verfügung stehe, wurde versichert. "Ich brauche Sie jetzt, weil er zurückkommt!", rief daraufhin Berry. Kurze Zeit später stürmte die Polizei das Haus und befreite auch Gina DeJesus und Michelle Knight.

Vize-Polizeichef: "Amanda ist wahrer Held"
"Amanda ist der wahre Held dieser Geschichte", sagte der stellvertretende Polizeichef von Cleveland, Ed Tomba, bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Sein Chef, Michael McGrath, ergänzte: "Ohne das mutige Handeln von Amanda Berry wären die Frauen nicht freigekommen."

Berry war laut FBI 16 Jahre alt, als sie im April 2003 nach der Arbeit in einem Fastfood-Restaurant verschwand. Ein Anruf, dass sie eine Mitfahrgelegenheit nach Hause gefunden hatte, war das Letzte, das ihre Familie von ihr hörte. DeJesus verschwand ein Jahr später auf dem Heimweg von der Schule, sie war damals 14. Das dritte Opfer, Michelle Knight, war 20 Jahre alt, als sie im August 2002 letztmals gesehen wurde, wie die Polizei am Dienstag bestätigte. Ihre Familie hatte sie am Tag nach ihrem Verschwinden als vermisst gemeldet.

Alle Opfer "anscheinend bei guter Gesundheit"
Tomba zufolge seien die drei Frauen "anscheinend bei guter Gesundheit". "Es ist sehr, sehr schön, dass sie noch unter uns sind. Es ist unglaublich und ein Segen für die Gemeinde, die Polizei und ihre Familien, dass sie noch leben. Ich kann ihnen gar nicht sagen, wie glücklich wir sind", so der Vize-Polizeichef.

Die drei Opfer wurden nach ihrer Befreiung in einem Krankenhaus in Cleveland behandelt. Ein Arzt in der Notaufnahme des Metro Health Medical Centers sagte, sie seien in guter Verfassung. "Dies ist nicht das Ende, das solche Geschichten normalerweise nehmen, deswegen freuen wir uns sehr für sie", meinte der Mediziner Gerald Maloney.

Clevelands Bürgermeister Frank Jackson erklärte, er sei dankbar, dass die Frauen lebend gefunden wurden. "Wir haben viele unbeantwortete Fragen bezüglich des Falles, die Ermittlungen werden weitergehen."

Nachbar: "Habe sogar mit dem Kerl gegrillt"
Den Nachbarn war jedenfalls nie etwas Ungewöhnliches aufgefallen. "Ich hatte keine Ahnung, dass da noch jemand in dem Haus war", erzählte Ramsey, der seit rund einem Jahr nebenan wohnt. "Ich habe sogar mit dem Kerl gegrillt." Der 52-jährige Hauptverdächtige, der ehemalige Schulbusfahrer Ariel Castro, wohnte seit 1992 in dem Haus.

Spekulationen, wonach Castro seinen Job dazu benutzt haben könnte, um mögliche Opfer auszuforschen, wollte die Polizei am Dienstag nicht kommentieren. Es sei eine der "großen Unbekannten" in dem Fall, sagte Tomba. Ob die drei Opfer ihren Entführer möglicherweise kannten, müsse bei weiteren Befragungen der Frauen geklärt werden.

Die beiden Brüder des 52-Jährigen, Pedro und Oneil, wurden ebenfalls festgenommen. Gegen die drei Männer wurde allerdings noch nicht offiziell Anklage erhoben. Die Polizei habe dazu nach der Festnahme 36 Stunden Zeit, hieß es bei der Pressekonferenz am Dienstag. Fotos der Castros werde man vorerst nicht für die Öffentlichkeit freigeben, erklärte ein Behördensprecher.

Drama nur einen Kilometer von zu Hause entfernt
Das FBI durchsuchte das Haus, in dem die Frauen festgehalten wurden. Es liegt in einer von vorwiegend Hispanoamerikanern bewohnten Gegend in Cleveland, nur rund einen Kilometer von den Häusern der Familien von Berry und DeJesus entfernt. Auch das dritte Entführungsopfer Michele Knight lebte nur einige Häuserblocks von Castro's Haus entfernt, wie die Polizei mitteilte. Ein Onkel von Ariel Castro gab zudem gegenüber CNN an, seine Familie und die Familie DeJesus hätten sich gekannt.

Hunderte Schaulustige versammelten sich am Dienstag in der Nähe des Tatorts und vor dem Krankenhaus, in das die Opfer eingeliefert wurden. Die Erleichterung über den guten Ausgang dieser Vermisstenfälle war groß. "Ich bin überwältigt. Es ist ein Segen", sagte etwa die Aktivistin Judy Martin, die sich jahrelang an Aufrufen und Suchaktionen beteiligt hatte.

Die Familien der Entführten hatten die Hoffnung nie aufgeben. Auch nach zehn Jahren berichteten die Lokalmedien immer wieder über Berry und DeJesus. Nancy, die Mutter von Gina DeJesus, habe immer gefühlt, dass ihre Tochter noch lebe, sagte eine Verwandte dem Nachrichtensender CNN. "Sie sagte, es sei so eine Verbindung, die eine Mutter fühlen kann."

Mutter starb "an gebrochenem Herzen"
Für Berrys Mutter kommt die glückliche Nachricht hingegen zu spät. Louwanna Miller sei im März 2006 "an gebrochenem Herzen" gestorben, sagte eine Freundin der Familie. Berrys Cousine Tasheena Mitchell berichtete, sie habe sich erst im Krankenhaus persönlich von der Befreiung überzeugen müssen. "Sie war meine beste Freundin", sagte die 26-Jährige. Eine Freundin unterbrach sie: "Sie ist deine beste Freundin. Sie lebt."

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