Die Nachfrage nach Mietwohnungen steigt, der Markt für Eigentum ist aber zusammengebrochen. Wegen der hohen Preise und strikten Vorschriften werden laut Experten viel zu wenige Wohnungen gebaut. Ein Teufelskreis.
Der Bau neuer Wohnungen in der Bundeshauptstadt verzeichnet einen historischen Einbruch. Bereits 2024 wird ein Rückgang der Fertigstellungen um 10 Prozent erwartet, für 2025 prognostiziert die Wirtschaftskammer Wien (WKW) ein Minus von bis zu 38 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das geht aus dem aktuellen „Neubaubericht“ hervor, der von der Immobilienplattform Exploreal erstellt wurde.
Kein Platz für zusätzliche Haushalte
Nach einem Boom im Jahr 2022 mit rund 17.000 fertiggestellten Wohneinheiten droht Wien eine abrupte Trendwende. „Die Neubauleistung bricht massiv ein“, warnt Michael Pisecky, Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der WKW. Im Jahr 2026 könnte der Rückgang laut Prognosen sogar 80 Prozent erreichen. Besonders alarmierend: Der Rückgang betrifft sowohl den privaten als auch den sozialen Wohnbau.
Ohne Unterstützung droht eine Konkurswelle unter Bauträgern, die die Bauwirtschaft weiter schwächen könnte.
Michael Pisecky, Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder
Bild: Florian Wieser
Kostenexplosion und Bürokratie als Bremse
Die Gründe für die Krise sind vielfältig. Der Quadratmeterpreis für Neubauwohnungen liegt aktuell bei durchschnittlich 7000 Euro, wie der Bericht zeigt. Dazu kommen Baukosten von bis zu 4000 Euro pro Quadratmeter und Grundstückspreise von rund 1300 Euro – doppelt so hoch wie etwa in Niederösterreich. „Die Preise sind durch die Decke gegangen. Das macht es für viele Bauträger fast unmöglich, Projekte wirtschaftlich umzusetzen“, erklärt Bauträger Hans Jörg Ulreich. Doch rund 65 Prozent des Wohnungsneubaus in Wien wird von gewerblichen Bauträgern gestemmt.
Die Entwciklung bleibt stehen
Diese sehen sich jedoch in einer Doppelschere gefangen: Einerseits steigen die Baukosten immer höher, andererseits haben sie Schwierigkeiten, ihre bereits errichteten Wohnungen zu verkaufen. Dies führt zu einer deutlichen Zurückhaltung bei neuen Projekten. „Wenn keine neuen Wohnungen gebaut werden, wird es schwer vorstellbar, dass zusätzliche Haushalte in Wien Platz finden“, erklärt Matthias Grosse, einer der Autoren des Berichts. Ein weiterer Hemmschuh sei die strenge Regulierung. Vorschriften wie die Stellplatzverpflichtung oder der Schutz des Stadtbilds machen Sanierungen und Ausbauten gerade in den inneren Bezirken extrem schwierig. „Das Stadtbild bleibt stehen, aber die Entwicklung bleibt auch stehen“, kritisiert Ulreich. Die Folge: Die Bautätigkeit konzentriert sich zunehmend auf die Außenbezirke.
Es braucht ein Instrument wie die frühere Wohnbauinvestitionsbank, um Liquidität zu schaffen und den Neubau wieder anzukurbeln.
Hans Jörg Ulreich, Bauträger
Bild: Florian Wieser
In Favoriten wurde in der Laxenburger Straße 4A der Willi-Resetarits-Hof jetzt an die 350 Bewohner übergeben. Es ist der elfte neue Gemeindebau seit der Wiederaufnahme des Programms im Jahr 2015 – insgesamt 1316 Wohnungen.
Abwanderung an den Stadtrand von Wien
Mit 18,55 fertiggestellten Wohneinheiten pro 1000 Einwohner führt der 22. Bezirk (Donaustadt) die Liste der Bauaktivität an. In den inneren Bezirken hingegen bleibt die Bauquote niedrig – eine Entwicklung, die nicht nur die urbane Struktur belastet, sondern auch ökologische Ziele wie „Raus aus Gas“ gefährdet. Doch Hausverwalterin Nicole Fürntrath fehlen die Rahmenbedingungen: „Es braucht klare Vorgaben und einfache Genehmigungsverfahren, um thermische Sanierungen und nachhaltige Heizsysteme umzusetzen. Mit Anreizen können Bewohner vom Umstieg überzeugt werden.“ Ohne sei es unmöglich, die Klimawende zu schaffen.
Leuten fehlt Geld für Kauf
Auch die Nachfrage nach Eigentumswohnungen hat sich halbiert. Gründe sind stark gestiegene Zinsen, die unsichere Wirtschaftslage und die KIM-Verordnung, die es vielen Menschen erschwert, einen Kredit zu bekommen. „Die Bauträger verkaufen nicht, was sie bauen. Gleichzeitig können sie nichts Neues starten, weil die Finanzierung fehlt“, so Ulreich. Für den Bau dringend benötigter Mietwohnungen fehle das Geld. Die Stadt reagiert zwar, wird den Bedarf aber nicht alleine decken können. Seit 2015 wurden insgesamt 836 Dachgeschoß-Gemeindewohnungen geschaffen bzw. sind aktuell in Bau. Auch elf neue Gemeindebauten wurden bereits bezogen.
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