Knapp einen Monat nach seinem 80. Geburtstag beehrt der legendäre US-Jazzpianist George Cables wieder das Wiener Porgy & Bess, um mit seinen Fans nachzufeiern. Mit der „Krone“ zeichnete der sympathische und allürenfreie Ausnahmemusiker seine beeindruckende Karriere noch einmal nach.
Wenn die Jahre voranschreiten, dann tickt die Uhr automatisch erbarmungsloser und schneller. Drei Jahre ist es schon wieder her, als der Jazz-Meisterpianist George Cables an zwei aufeinanderfolgenden Abenden im Wiener Porgy & Bess begeisterte. Am 8. Dezember ist dies wieder der Fall. Bei seinem Geburtstagskonzert feiert er in Quartett-Besetzung jetzt seinen 80er. Nun wissen wir seit Mick Jagger, Bob Dylan und Co., dass diese Zahl bei weitem nicht beängstigen muss, aber leichter und unbeschwerter geht einem das Tun auch nicht von der Hand. Cables‘ Karriere in einen Artikel zu packen, würde ihm Unrecht tun. Allein mit dem Name-Dropping seiner Studio- und Livepartner könnte man ganze Enzyklopädien füllen. Wenn er im Interview von den größten Größen der amerikanischen Jazz-Zunft fabuliert, passiert dies aber immer mit Respekt und Demut und völlig ohne den Drang, sich aktiv in deren gleißendes Licht drängen zu wollen.
Perfektion ist nicht möglich
„Diese Musik zu spielen ist ein Geschenk und eine Belohnung“, erklärt er im „Krone“-Gespräch, „es ist eine gleichermaßen ernste, wie auch lustige Angelegenheit. Man hat im Jazz absolute Freiheit, aber trotz alledem die Verantwortung, immer das Beste zu geben. Auch wenn es hier besonders oft den Anschein hat, dass man es sein möchte – aber Perfektion ist nicht möglich. Niemand und nichts ist perfekt, insofern ist die Musik generell eine wundervolle Metapher für das Leben. Du kannst dich so gut wie möglich frei entfalten, musst aber trotzdem im Team arbeiten und auf andere eingehen. Sehr oft instinktiv und ganz spontan.“ George Cables ist der Inbegriff eines mannschaftsdienlichen Musikers. Jenes menschlichen Korpus, der für den Gesamtbau eines Jazzkorsetts von unschätzbarem Wert ist, weil er den talentierten Egozentrikern das Rampenlicht lässt und lieber sepiatönig im Hintergrund erstrahlt.
Der gebürtige New Yorker genoss eine klassische Klavierausbildung und gründete 1964, im zarten Alter von 20 Jahren, seine erste eigene Band, die Jazz Samaritans. Was damals eine lose Ansammlung an motivierten Musikern für ein ungezwungenes Projekt war, dafür würde man sich heute ergriffen hinknien. Größen wie Billy Cobham, Lenny White oder Clint Houston tummelten sich darin. „Wir lebten alle in derselben Gegend und hatten dieselben Interessen“, erinnert sich Cables zurück, „wir sind zusammengekommen, um zu üben und zu lernen. Aber die Band war nie stabil. Es war ein Kommen und Gehen, einige mussten zu Army oder haben sich anderswohin orientiert. Die meiste Zeit haben wir uns Musik angehört, darüber geredet und versucht, sie nachzuspielen. Es war eine schöne und frei Zeit, die überhaupt keinen Druck mit sich brachte.“
Mit den größten Drummern der Welt
Als Cables 1969 mit dem legendären Tenor-Saxofonisten Sonny Rollins die amerikanische Westküste betourt, wird er mit seinem stringenten Klavierspiel sofort zu einer bedeutenden Größe. Er zieht zuerst nach Los Angeles, ein paar Jahre später etwas nördlicher ins basischere San Francisco. Cables spielt an der Westküste mit allen Größen zusammen. Vor allem die Schlagzeuger haben es ihm getan. „Für mich ging es auch als Klavierspieler immer um die Drums. Ein guter Schlagzeuger prägt den Jazz. Er gibt den Rhythmus vor und entscheidend mit seinem Spiel, ob das Kollektiv funktioniert oder nicht. Cobham, Art Blakey, Philly Joe Jones, Roy Haynes, Joe Chambers, Max Roach oder Tony Williams – er spielt mit ihnen allen. „New York war in jeder Hinsicht härter und kantiger. San Francisco und Los Angeles waren geschliffener, aber da tummelte sich auch eine Riesenszene an Top-Musikern. Im legendären Jazzclub ,Keystone Korner‘ in San Francisco spielte ich so oft, dass die Leute glaubten, ich würde dort wohnen, obwohl ich zu der Zeit längst in L.A. war“, lacht der sympathische Pianist.
Von all seinen musikalischen Partnern, von jedem Auftritt und jeder Studiosession nimmt der lernwillige Cables etwas für sich mit. Pläne, um als Solopianist Karriere zu machen, hatte er nie. „Absolut kein Thema. Ich wollte immer nur ein Teil der Musik, der Gesamterfahrung sein. Ich bin auch recht spät in die Welt des Jazz gerutscht und hatte oft das Gefühl, immer viel aufholen zu müssen. Ich hatte das große Glück, mit den Besten der Besten spielen zu dürfen und sie alle haben mich auf meinem eigenen Weg weitergebracht.“ Dass diese starken Charaktere nicht immer die einfachsten waren, hat Cables eher angespornt als abgeschreckt. „Menschen wie Dexter Gordon haben Jazz nicht gespielt, sie waren Jazz. E spielte mit Louis Armstrong – mehr geht nicht. Ich fühle mich einfach geehrt, dass ich jetzt schon 60 Jahre lang ein Teil dieser Welt sein darf. Mein einziger Wunsch war immer, Musiker in Jazzbands und -projekten zu sein und zu meinem großen Glück ist mir das gelungen.“
Ideen für mehr sind da
Seit geraumer Zeit hat sich Cables auch daran gewohnt, in Trio- oder Quartettform selbst im Rampenlicht zu stehen. „Ich bin immer nervös, vor jedem einzelnen Auftritt, aber wenn man tolle Mitmusiker auf der Bühne hat, dann verfliegt dieses Gefühl schnell. Ich habe viele Jahrzehnte mit den großen Meistern gespielt und mir dabei mein eigenes Profil heraus geschärft.“ Sein immer noch aktuelles Soloalbum trägt den Titel „Too Close For Comfort“, kam 2020 in den Wirren der Pandemie heraus und befasste sich inhaltlich damit. Ideen für weitere Songs und Projekte sind da, aber mit 80 und einem immer noch heftigen Liveplan bleibt nicht mehr so viel Zeit und Kraft, um ständig neue Alben einzuspielen. Manchmal spürt und sieht er die Magie von Musik noch immer. Wie einst bei einem Konzert mit Sonny Rollins. „Ich sah ins Publikum und es gab so ein kollektives, zufriedenes Schmunzeln. Als würde sich ein Regenbogen über die Menschen spannen, weil wir alle auf einer Welle waren. Diese Kraft hat nur die Musik.“
Live in Wien
Ein kräftiges Stück Jazz-Magie versprüht George Cables jedenfalls am 8. Dezember im Wiener Porgy & Bess, wenn er seinen 80er knapp einen Monat verspätet in der österreichischen Bundeshauptstadt nachfeiert. Unter www.porgy.at gibt es noch Karten und weitere Informationen zum vorweihnachtlichen Jazz-Highlight.
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