Seit Anfang August hat der russische Rubel fast ein Viertel seines Werts verloren. Obwohl die Zentralbank in Moskau ihren Leitzins erst kürzlich auf 21 Prozent angehoben hat, um die hohe Teuerung zu bändigen, ist die Währung weiter im Tiefflug. Warum das so ist, erklärt der Ökonom Vasily Astrov.
„Die Zentralbank hat die Situation nicht mehr voll im Griff. Seit Mitte 2023 versucht sie, die steigenden Preise mit immer höheren Zinsen zu bändigen. Doch die Inflation hat nicht nachgelassen, sondern sich teilweise sogar noch beschleunigt“, sagt der Russland-Expert des Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) in einem Interview mit dem deutschen Magazin „Spiegel“.
Zinserhöhungen zeigen keine Wirkung
Die Zinserhöhungen der russischen Zentralbank würden nicht wirken, weil zum einen durch staatliche Kredite weit unter dem Marktwert – z. B. für die Rüstungsindustrie – eine effiziente Steuerung der Kreditvergabe unmöglich sei und es zum anderen strukturelle Inflationstreiber gebe. Dazu gehöre etwa das kräftige Lohnwachstum – die Löhne steigen pro Jahr real um acht bis neun Prozent, so Astrov (Bild unten).
Wegen US-Sanktionen ist Russland zudem gezwungen, viele Importe über Drittländer abzuwickeln, was die Kosten erhöht. Sie verteuern importierte Güter und Dienstleistungen, was ebenfalls zur hohen Inflation beiträgt. Offiziell prognostiziert die Zentralbank für heuer ein Inflation von maximal 8,5 Prozent, ihr Ex-Vizechef Oleg Wjugin schätzt die wahre Inflation auf 18 bis 20 Prozent.
„Druck auf die Realwirtschaft nimmt zu“
Laut Astrov dämpfen die gestiegenen Zinsen zwar kaum die Inflation, haben aber einen anderen Effekt: Für viele Firmen sind Kredite sehr teuer geworden. Die Zahl der Unternehmen mit Zahlungsausfällen sei vom zweiten auf das dritte Quartal 2024 um rund 70 Prozent gestiegen. „Der Druck auf die Realwirtschaft nimmt zu“, so der Experte, der die Gefahr sieht, dass die Zentralbank die russische Wirtschaft in eine Rezession treibt.
„Falsche geldpolitische Entscheidungen“
Für den wiiw-Experten ist die russische Wirtschaftsschwäche eine Folge falscher geldpolitischer Entscheidungen. Das Problem sei hausgemacht, sagt er im „Spiegel“-Interview. Hinzu komme, dass seit Kriegsbeginn rund eine Millionen Russen das Land verlassen habe – vor allem Vertreter der urbanen Mittelschicht und IT-Spezialisten. Diese Arbeitskräfte würden der Wirtschaft jetzt fehlen.
Zum einen gebe es auch in Russland einen demografischen Wandel – die Geburtenrate liegt stets unterhalb der Sterberate – zum anderen kommen weniger Ausländer ins Land. Bis zum Kriegsbeginn haben vor allem Menschen aus dem Kaukasus und Zentralasien schlecht bezahlte Jobs übernommen. Da der Rubel massiv an Wert verloren habe, sei für diese der Anreiz, in Russland zu arbeiten, geringer geworden.
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