Produktions-Aus

Italien trauert um das legendäre Dreiradauto Ape

Motor
01.12.2024 16:08

Italien muss Abschied von einem seiner Straßen-Klassiker nehmen: Der legendäre dreirädrige Piaggio-Kleintransporter namens Ape – italienisch für Biene – wird künftig nur noch in Indien gebaut. Dort ist die Herstellung günstiger – und auch die Sicherheits- und Umweltvorschriften.

(Bild: kmm)

Im heimischen Werk in der Toskana soll das letzte „Dreiradlauto“, das für Italien auch eines der Nationalsymbole ist, zum Jahresende vom Band laufen. Das Aus für die Produktion in der Heimat wurde der Belegschaft nach Gewerkschaftsangaben in den vergangenen Tagen mitgeteilt.

Mit der vollständigen Verlagerung der Produktion nach Indien endet in Europa dann wohl auch der Verkauf. Die neuen Modelle sollen nur noch in Asien und Afrika auf den Markt kommen. In Italien werden dann nur noch einige Hundert Restposten vertrieben.

Vespa auf drei Rädern
Der erste solche Kleintransporter lief 1948 in der toskanischen Stadt Pontedera vom Band – nur zwei Jahre, nachdem Piaggio seine ersten Vespa-Roller auf die Räder gestellt hatte. Entwickelt wurde er von Firmengründer Enrico Piaggio und dem Ingenieur Corradino D‘Ascanio. Im Grundsatz war die Arbeitsbiene namens Ape auch nichts Anderes als eine Vespa (deutsch: Wespe) auf drei Rädern mit Fahrerkabine und Ladefläche.

Viel mehr als 40 Stundenkilometer schafft die Ape 50 normalerweise nicht. Dafür konnte das Standardmodell von Anfang an mehr als 200 Kilogramm Lasten transportieren. Der Komfort im Führerhäuschen ist allerdings gleich null: Weder Heizung oder Radio gibt es. Im Lauf der Jahrzehnte wurden auch größere und stärkere Versionen gebaut, mit bis zu 800 kg Nutzlast.

Das Ape Car (ab 1971) hat eine einigermaßen komfortable Kabine, einen 218,9-cm³-Motor und 550 kg Traglast als Transporter, 612 kg mit Ladefläche. (Bild: Camilla Giribardi)
Das Ape Car (ab 1971) hat eine einigermaßen komfortable Kabine, einen 218,9-cm³-Motor und 550 kg Traglast als Transporter, 612 kg mit Ladefläche.

In Italien gehörten die Blechkisten über Jahrzehnte hinweg fest zum Straßenbild. Aus Großstädten wie Rom oder Mailand ist die Ape inzwischen allerdings weitgehend verschwunden – nur in der Nachbarschaft von Märkten sieht man sie noch. In Dörfern und kleineren Gemeinden knattern die robusten Dinger aber weiterhin umher: Mit einer Länge von nur 2,50 Meter und eine Breite von 1,30 Meter ist die kleine Ape vielerorts immer noch das einzige Nutzfahrzeug, das sich durch die engen Gässchen zwängen kann.

Ein Stück Italien
In Indien hat Piaggio bereits seit mehreren Jahren Produktionsstätten. Im bevölkerungsreichsten Land der Welt mit seinen mehr als 1,4 Milliarden Einwohnern wird die Ape bereits als Elektro-Modell hergestellt und auch mit einem Antrieb aus Erdgas. Die Italo-Transporter machen dort im hektischen Straßenverkehr den Tuk-Tuks Konkurrenz.

In Italien ist die Trauer nun groß. Die Zeitung „La Repubblica“ schrieb am Sonntag: „Die Wahrheit ist, dass die Ape perfekt zu unserem Nationalcharakter passt, zwischen ungezügeltem Individualismus und Familiensinn. Man fühlt sich im Fahrerhäuschen alleine wohl, mit der Ware oder dem Handwerkszeug im Rücken. Aber man fährt darin auch zu zweit, enger aneinander und mit einem Hauch von Intimität. Oder, allen Vorschriften und Sicherheitserwägungen zum Trotz, zum Feiern in Zusammenkünften mit Freunden.“

War fahrbarer Untersatz für Jedermann
Über Generationen hinweg war die Ape auch ein perfekter Untersatz für Leute, die sich kein Auto leisten konnten. Auch eine Kleinfamilie ließ sich dort unterbringen, wenn auch ziemlich zusammengezwängt. Die Kinder fanden dann oft genug auf der Ladefläche Platz. Inzwischen liegt der Preis für das kleinste Modell mit 50 Kubik aber auch bei mehr als 7000 Euro.

Vor allem in Italiens Süden sind die Dreiräder unter Jugendlichen Kult – was auch daran liegt, dass man sie mit 14 Jahren fahren darf und mit bescheidenen Kenntnissen aufmotzen kann. Gern werden sie auch benutzt, um Touristen mit ihrem Gepäck zum Hotel zu bringen.

Trauer und Wut in Italien
In die Trauer mischt sich in Italien auch Zorn, vor allem in der Nachbarschaft der Piaggio-Zentrale. Der Regionalsekretär der Gewerkschaft UIIM, Samuele Nacci, sagte, mit den heutigen EU-Vorschriften gebe es für eine Produktion in Italien keinen Platz mehr. „Vielleicht wurden einige Gesetze ein wenig übereilt eingeführt. Es sieht so aus, als ob sich nur Europa um den Umweltschutz kümmert, während der Rest der Welt sich einen Dreck darum schert.“

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(Bild: KMM)



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