Gefahr in Chat-Apps

Bub (11) in Schweden als Auftragskiller angeheuert

Ausland
02.12.2024 10:08

Die Lage der Bandenkriminalität in Schweden ist in den letzten Jahren zunehmend besorgniserregend. Besonders in Malmö, Göteborg und Stockholm kommt es regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen - häufig mit Schusswaffen. Die Täter werden immer jünger und skrupellos als Auftragskiller angeheuert.

Schweden hat in den letzten Jahren Mühe, die zunehmenden Schießereien und Bombenanschläge von Banden im ganzen Land einzudämmen. Die Gangs kämpfen um die Kontrolle des Drogenmarktes. Sie liefern sich Schießereien und verüben Anschläge mit selbstgebauten Sprengsätzen.

Die Lage scheint vielerorts prekär: 2023 starben 53 Menschen bei Schusswechseln, auch Unbeteiligte. 

Maritha O. in Stockholm mit einem Bild ihres Sohnes Marley, der 2015 erschossen wurde.   (Bild: AFP )
Maritha O. in Stockholm mit einem Bild ihres Sohnes Marley, der 2015 erschossen wurde.  
Ermittlungen nach einem Mord im April 2024 in Skarholmen (Bild: Oscar OLSSON / TT NEWS AGENCY / AFP, Krone KREATIV)
Ermittlungen nach einem Mord im April 2024 in Skarholmen
(Bild: AFP/Claudio BRESCIANI / TT News Agency / AFP)
Ein Jugendlicher in Baronbackarna in Örebro. Viele haben keine Perspektive, streben nach Anerkennung und Geld und „sind überzeugt, nicht älter als 25 zu werden“. (Bild: AFP (Archivbild))
Ein Jugendlicher in Baronbackarna in Örebro. Viele haben keine Perspektive, streben nach Anerkennung und Geld und „sind überzeugt, nicht älter als 25 zu werden“.

Bandenchefs agieren vom Ausland
Die Banden sind komplex organisiert: Die Bandenchefs agieren vom Ausland aus über Mittelsmänner, die dann über verschlüsselte Messenger-Dienste wie Telegram, Snapchat oder Signal Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren rekrutieren, die noch nicht strafmündig sind. Jene Personen, die Aufträge – wie auf einem Markt – annehmen, werden immer jünger. 

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Bruder, ich kann es kaum erwarten, meine erste Leiche zu sehen.

Bursche (11), der Auftragsmord begehen sollte

Rekrutierung über Chat-Apps für Kinder
„Bruder, ich kann es kaum erwarten, meine erste Leiche zu sehen.“ Diesen Satz schrieb etwa ein Elfjähriger auf Instagram. Der Bursche ist eines von vielen Opfern krimineller Banden. Diese rekrutieren über Chat-Apps Kinder für Auftragsmorde. „Bleib motiviert, das kommt schon noch“, antwortete ein 19 Jahre altes Bandenmitglied dem Jungen.

13.000 Euro für Mord geboten
Er bot dem Kind im Dezember vergangenen Jahres 150.000 Kronen (13.000 Euro) für einen Mord, dazu Kleidung und den Transport zum Tatort. Das geht aus den Ermittlungsakten der Polizei in der westlichen Provinz Värmland hervor. In diesem Fall werden vier Männer im Alter von 18 bis 20 Jahren beschuldigt, vier Minderjährige zwischen elf und 17 angeworben zu haben, für eine kriminelle Bande zu arbeiten. Alle wurden festgenommen, bevor die Verbrechen verübt werden konnten.

In Örebro klappern Freiwillige abends die Straßen benachteiligter Stadtviertel ab und warnen Jugendliche vor der Gefahr, in die Fänge der Banden zu geraten. Einer der Sozialarbeiter zeigt sein Notfallgerät, das SOS funkt, sobald er auf den roten Knopf drückt. (Bild: AFP)
In Örebro klappern Freiwillige abends die Straßen benachteiligter Stadtviertel ab und warnen Jugendliche vor der Gefahr, in die Fänge der Banden zu geraten. Einer der Sozialarbeiter zeigt sein Notfallgerät, das SOS funkt, sobald er auf den roten Knopf drückt.

Die Ermittlungsakten enthalten Fotos, die sich die Jugendlichen gegenseitig geschickt haben. Darauf posieren sie mit Waffen, manche mit nacktem Oberkörper. Er habe „cool“ wirken und „seine Angst nicht zeigen“ wollen, sagte der Elfjährige bei der Vernehmung.

Mordfälle in Schweden

Die Zahl der Mordfälle in Schweden, bei denen ein Verdächtiger unter 15 Jahre alt war, stieg der Staatsanwaltschaft zufolge im Vergleich zum Vorjahr dramatisch an: 2023 waren es 31 Fälle in den ersten acht Monaten des Jahres, 2024 im gleichen Zeitraum bereits 102.

Auf TikTok & Co.
Wie „Crimefluencer“ junge Söldner rekrutieren

Auf TikTok und Co. sind sogenannte „Crimefluencer“ unterwegs, die den Kontakt zwischen Auftraggebern und ihren „Söldnern“ herstellen. Manchmal werden Kinder auch in der direkten Nachbarschaft angesprochen. Oft handelt es sich bei den Auserwaählten um Kinder mit Suchtproblemen, die schon mit dem Gesetz in Konflikt geraten und auf der Suche nach Geld und Anerkennung sind.

Zugehörigkeitsgefühl und Adrenalinstoß als Motiv
Einige Kinder suchen sich einem Bericht des Nationalen Rates für Kriminalprävention die Aufträge sogar selbst aus, weil sie auf der Suche nach Geld, einem Adrenalinstoß, Anerkennung oder dem Gefühl von Zugehörigkeit sind. „Heutzutage will jeder ein Mörder werden“, sagt Viktor G., der mit 22 den Ausstieg aus einer Gang schaffte. Der heute 25-Jährige bekam es mit 13 zum ersten Mal mit der Polizei zu tun.

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Heutzutage will jeder ein Mörder werden.

Ehemaliges Bandenmitglied Viktor G.

„Es ist unglaublich traurig zu sehen, wonach diese Kinder streben.“ Tony Quiroga, Polizist in Örebro 200 Kilometer westlich von Stockholm, spricht von einer „skrupellosen Ausbeutung von jungen Leuten, die gerade erst ihr Leben beginnen“. Die Bandenchefs und Mittelsmänner „wollen selbst kein Risiko eingehen“, sagt er. „Sie verstecken sich hinter Pseudonymen in sozialen Netzwerken und errichten mehrere Filter zwischen sich und den jungen Auftragskillern.“

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