„Krone“-Interview

Harald Krassnitzer: „Tod ist ein Teil des Lebens“

TV
04.12.2024 06:00

Als Schutzengel mit Pensionsbestrebungen stolpert Oskar Manker (Harald Krassnitzer heute Abend (ORF 2, 20.15 Uhr) in „Engel mit beschränkter Haftung“ durch Wien und muss sich auch noch mit der jungen Mira (Maresi Riegner) auseinandersetzen. Der „Krone“ verriet Krassnitzer, wie er es persönlich mit Engeln, Weihnachten und der Quantenphysik hat.

„Krone“: Herr Krassnitzer, ist die ORF-Premiere Ihres Films „Engel mit beschränkter Haftung“ heute Abend auch für Sie so etwas wie der Beginn des Weihnachtsfilmreigens?
Harald Krassnitzer: 
Für mich noch nicht ganz, aber die vorweihnachtliche Stressphase ist bereits rundum spürbar. Ich würde mich ihr gerne immer entziehen, aber so wirklich gelingen tut es mir nicht.

Sind Sie selbst ein Fan von Weihnachtsfilmen und -produktionen?
„Tatsächlich… Liebe“ mit Emma Thompson und Hugh Grant ist ein Film, den ich in dieser Hinsicht für sehr gelungen halte. Er ist wirklich sehr gelungen und ich schaue ihn mir deshalb so gerne an, weil die atemberaubende Thompson dort eine Szene zum Niederknien spielt. Ein nicht für sie bestimmtes Weihnachtsgeschenk lässt da eine ganze Welt zusammenbrechen. Wie sie das macht und was das passiert - allein deshalb kann man sich diesen Film immer wieder anschauen.

In „Engel mit beschränkter Haftung“ spielen Sie den Schutzengel Oskar Manker, der gerne die wohlverdiente Pension antreten würde, der auf dem Weg dorthin aber noch so einige Hürden überwinden muss. Was hat Sie an diesem Projekt am meisten gereizt?
Was mich an den Büchern von Uli Brée immer begeistert, ist die Art und Weise, wie er Komik blitzartig verändert. Er wechselt zu berührenden Szenen, lässt dann Realitäten einfließen und entscheidet sich dafür, einen Krimi zu erzählen. Trotz allem vergisst er dazwischen nie, dass das Projekt am Ende immer noch eine Komödie ist. Die Figuren haben eine unglaublich emotionale und narrative Vielfalt. Er macht das schön und gut und für Schauspieler ist so etwas immer ein gefundenes Fressen. Brée und Regisseur Dirk Kummer haben schon mehrere erfolgreiche Produktionen miteinander ausgetragen. Mit diesen beiden zusammenzuarbeiten, macht dann besonders Spaß.

Konnten Sie sich stark in die Rolle eines Schutzengels versetzen? Wie sah denn vor dem Dreh Ihre Vorstellung von einer solchen Figur aus?
Ich bin ja eher Agnostiker. Es gibt manchmal Momente im Leben, wo man das Gefühl hat, das war knapp. Diese Momente haben deshalb so eine Brisanz, weil man dann immer glaubt, man müsse aus diesen Situationen etwas lernen und fürs Leben mitnehmen. Es gab eine Situation, wo man nicht richtig reagiert hat und man kam gerade noch davon. Dort wird der Schutzengel dann gerne zitiert, aber ich glaube nicht daran, dass höhere Kräfte über uns walten. Ich glaube eher an Konzentration, Dekonzentration, Übermüdung und Übermut – daraus entstehen solch prekäre Situationen.

Oskar ist wenig erfreut, dass er Mira (Maresi Riegner) zum Schutzengel ausbilden soll. (Bild: ORF)
Oskar ist wenig erfreut, dass er Mira (Maresi Riegner) zum Schutzengel ausbilden soll.

Schutzengel werden gerne als perfekte Wesen ideologisiert, die einem im letzten Moment den Hintern retten. Oskar ist als Schutzengel aber mehr Eigenbrötler und Sonderling, dem auch Fehler widerfahren. Ist eine Kernbotschaft des Films zu sagen, Schutzengel haben mit Menschen viel gemein? Sie sind sich eigentlich sehr ähnlich?
Das ist ein sehr gelungener Wurf der Geschichte. Brée holt den Engel aus der Idealisierung raus. Wenn wir von Schutzengeln sprechen, sehen wir vor unserem geistigen Auge ein strahlend helles, langhaariges Wesen, das mit ausgebreiteten Armen zwei kleinen Kinder über eine Brücke hilft. Wissentlich, dass die Kinder sicher drüber kommen. Ich finde es sehr gelungen, dass wir Schutzengel in einer Welt, die sich nahezu täglich auf den Kopf stellt, mit ihren Burn-outs zeigen. Momentan gibt uns sehr vieles Sorgen und wir befinden uns in einem Gefühl der Auflösung und Bedrohung. Da ist ein Schutzengel immer gefragt, aber warum sollte so eine Figur denn nicht auch manchmal an einem Burn-out leiden, genauso wie es bei uns ist? Oskar ist dadurch ein bisschen bemitleidenswert, weil er selbst schützenswert ist. Er muss auch Leuten aus der Bredouille helfen, die zum Beispiel Drogen an Kinder verteilen und hinterfragt, warum das sein muss.

Schutzengel können nicht einfach nur den guten Menschen helfen. Oder anders gefragt: Was definiert einen guten Menschen überhaupt?
Genau. Insofern ist Uli Brée diese Mischung der Verhaltensweisen und Bewertungen wirklich gut gelungen, ohne den moralischen Zeigefinger zu heben und zu pathetisch zu werden. Das macht eine gute Komödie aus.

Einen Schutzengel zu spielen, heißt auch, einen Toten zu spielen. Selbst wenn Sie Agnostiker sind – bereiten Sie sich auf so eine Rolle speziell vor?
Man bereitet sich darauf vor, dass der Tod etwas Natürliches ist. Ich bin in einem Alter, wo bei mir mehr Informationen über Krankheiten und Todesfälle eintreffen als über Geburten. Aber der Tod ist auch ein Teil des Lebens. Wenn man sich in einem Lebensabschnitt befindet, der näher zum zweitwichtigsten Ereignis des Daseins rückt, dann kann man sich durchaus etwas näher mit dem Thema Tod beschäftigen. Man muss davor nicht wirklich Angst haben.

Den Tod kann man nicht steuern und niemand weiß, was danach kommt. Woran glauben Sie persönlich?
Wohin es geht, haben Sie vor der Geburt auch nicht gewusst. Wie sind Sie da reingeraten? (lacht) Wenn man Glück hat, ist man in Österreich geboren. Wenn man weniger Glück hat, dann irgendwo in anderen Erdteilen, wo man wesentlich größere Schwierigkeiten hat, sein Leben zu gestalten und zu formen. Insofern wäre das Gefühl vor der Geburt eigentlich beunruhigender wie jenes am Ende eines Lebens.

Im Film kommt gut raus, dass Oskar Manker sich mit Menschen befassen muss, die ihm nicht gut zu Gesicht stehen. Das ist doch eine Metapher für die Realität, wo sich die Leute in ihren Blasen befinden und immer die Bereitschaft und den Willen zum Diskurs zu verlieren scheinen …
Deshalb bewege ich mich auch so wenig auf den Plattformen der sozialen Medien. Erstens, weil ich es nicht kann. Zweitens, weil ich die Zeit dafür gar nicht habe, mich immer in dieser Form der Bubble-Erregungskultur zu bewegen. Es geht am Ende immer darum, wie wir auf möglichst effiziente Weise ausdrücken können, was nicht geht, wo wir recht haben, wer aller Schuld ist und was alles ganz schlecht ist. Ich habe noch nirgends erlebt, dass aus einer solchen Diskussion heraus ein Problem verschwunden oder kleiner geworden wäre. Lösungen habe ich in meinem Leben immer nur gefunden, wenn man kooperativ und gemeinsam an Dinge herangeht, schaut, etwas auslotet und in Beziehung tritt. Ab diesem Zeitpunkt lässt man Raum und Möglichkeiten für den anderen und man stellt fest, dass viele Dinge sehr einfach zu lösen sind.

Schutzengel Mira lebt sich in ihrer neuen Bleibe ein. (Bild: ORF)
Schutzengel Mira lebt sich in ihrer neuen Bleibe ein.

Ist es eine Kernbotschaft des Films, dass es okay ist, Zweifel zu haben? Nicht immer zu wissen, wo und wie es jetzt gerade weitergehen soll?
Das ist ganz wichtig. Zweifel sind der erste Schritt, um zu beginnen, über etwas nachzudenken oder sich an etwas anzunähern. Der wesentliche Punkt ist aber der, dass man Dinge einfach tut. Sich mit Dingen auseinandersetzt, weil viele Sachen sich nicht einfach lösen lassen und manchmal auch komplexere Zusammenhänge aufweisen. Wenn man sich mit einem Thema auseinandersetzt, auch andere Standpunkte wahrnimmt und ihnen dieselbe Wichtigkeit gibt, wie dem eigenen Standpunkt, dann stellt man fest, dass es auch hier Wege und Möglichkeiten für Lösungen gibt.

Eine besonders schöne Chemie scheint zwischen Ihnen und Kollegin Maresi Riegner als ihren „Schutzengel-Lehrling“ zu herrschen. War das auch hinter den Kameras der Fall?
Maresi ist ein Geschenk, das man sich gar nicht vorstellen kann. Die Art wie sie spielt und ist, zwingt mich auch immer wieder, in neue Räume zu gehen. Das macht unglaublich viel Spaß und erweitert das ganze Projekt noch. Sie hat eine so engelhafte und überirdische Ausstrahlung und man hat das Gefühl, sie wäre wirklich der Engel. Man vergisst dadurch das Drumherum, was eine ganz andere Energie und Temperatur beim Spielen schafft. Das sind die Momente, die diesen Beruf noch einmal bereichern.

Wie sieht ein Agnostiker wie Sie die Zukunft nach dem irdischen Leben?
Das ist schwierig. Wenn sie mir eine Person nennen könnten, die eine gesicherte und klare Prognose dazu abgeben könnte, wäre ich sehr dankbar, würde ich seine Adresse bekommen. (lacht) Ich mache mir aber keine großen Gedanken und habe keine Angst. Ich hoffe zumindest, dass ich dort keinen alten weißen Männern mit Bärten begegne, sondern dass ich dort andere hierarchische Strukturen auffinde. Wir müssen uns da aber eher an universelle physikalische Gesetze halten, die mehr mit der Quantenphysik zu tun haben als mit diesen alten, weißen Männern in wallenden Gewändern.

Oskar Manker sehnt sich in seiner Rolle als Schutzengel schon sehr nach der Pension – Harald Krassnitzer hoffentlich nicht. Haben Sie schon jemals darüber nachgedacht, sich zurückzulehnen und das Film- und Fernsehgeschäft Film- und Fernsehgeschäft bleibenzulassen?
Ich habe noch sehr viel Energie und tue gerne, was ich tue. Das Geheimnis, das einen ein bisschen vorm Alt- und Gebrechlichwerden schützt, sind die Agilität und das aktive Wachbleiben. Das ist ein wesentlicher Punkt, warum in unserer Profession das Füße-Hochlegen als Anachronismus empfunden wird und eigentlich kein Thema ist.

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