Wenige Wochen vor dem Ende seiner Amtszeit im Weißen Haus hat Joe Biden eine Entscheidung getroffen, bei der er sich auch von seinen Vatergefühlen leiten ließ: Er begnadigte seinen 54-jährigen Sohn Hunter, dem in zwei Verfahren lange Haftstrafen drohten. Die Amtshandlung sorgte sofort für heftige Kontroversen.
Während die Republikaner des wiedergewählten Rechtspopulisten Donald Trump Heuchelei anprangerten, warnten Politiker von Bidens Demokratischer Partei, der väterliche Gnadenakt untergrabe die Bemühungen, Trump am Missbrauch des Justizministeriums als politische Waffe zu hindern.
Scheidender Präsident widerspricht Ankündigungen
Die am Sonntagabend veröffentlichte Erklärung des scheidenden Präsidenten schien seinem Versprechen zum Beginn seiner Amtszeit 2021 zu widersprechen, er wolle die „Integrität und Unabhängigkeit“ des Justizwesens wieder herstellen – nach Überzeugung der Demokraten wurde dies von Trump in dessen erster Amtszeit korrumpiert. Vor allem aber hatte Biden mehrfach erklärt, er werde genau dies nicht tun: seinen Sohn begnadigen.
Stattdessen gewährte er nun aber „eine vollständige und bedingungslose“ Begnadigung, die sich auf sämtliche mutmaßliche Delikte Hunter Bidens des zurückliegenden Jahrzehnts erstreckt – dies nur wenige Tage, bevor in zwei Prozessen gegen den Sohn das Strafmaß verkündet werden sollte. Hunter Biden drohten lange Haftstrafen wegen Steuerhinterziehung und weil er beim Kauf einer Waffe über seinen Drogenkonsum gelogen hatte.
Die juristische Verfolgung seines Sohnes habe in Trumps erster Amtszeit begonnen – und es gebe „keinen Grund zu der Annahme, dass dies nun aufhören wird“, erklärte Biden zur Begründung.
„Es wird gegen uns verwendet werden“
„Ich weiß, dass es eine sehr starke Stimmung gab, Hunter Biden vor ungerechter Verfolgung zu schützen“, sagte der demokratische Kongressabgeordnete Glenn Ivey dem Sender CNN. „Aber das wird gegen uns verwendet werden, wenn wir die Missbräuche bekämpfen, die von der Trump-Regierung kommen.“
In der Regel gibt es von Politikern beider Lager Lippenbekenntnisse dazu, wie wichtig die Unabhängigkeit der Justiz und des Strafvollzugs sei, aber sowohl Demokraten als auch Republikaner unterstellen dem Justizministerium politische Motive und Präsidenten beider Lager haben Verbündete, die sie schützen.
Trump machte von Begnadigungsrecht Gebrauch
Trump machte am Ende seiner ersten Amtszeit ausführlich Gebrauch von seinem Begnadigungsrecht, indem er seine persönlichen Verbündeten teils vor dem Gefängnis bewahrte, unter ihnen sein Berater Roger Stone, sein Wahlkampfmanager Paul Manafort oder auch der Vater seines Schwiegersohnes, Charles Kushner.
Biden wird Missbrauch vorgeworfen
Biden sagte nun zur Rechtfertigung, er glaube an das Justizsystem, aber er glaube auch, „dass die raue Politik diesen Prozess infiziert hat“. Das Waffendelikt, wegen dem Hunter bis zu 25 Jahre Haft drohten, wird selten in einem Prozess verhandelt. Biden argumentierte, sein eigenes Justizministerium sei zu politischen Zwecken missbraucht worden, und Hunter sei herausgepickt worden, „nur weil er mein Sohn ist“.
Bidens Gegner werfen dem scheidenden Präsidenten nun ihrerseits Missbrauch der Justiz vor. „Er verlässt das Amt in völliger Schande. Er ist ein Lügner, und es gibt keine Möglichkeit mehr, das anders darzustellen“, sagte der konservative Politikberater Scott Jennings, ein Mitarbeiter des früheren republikanischen Präsidenten George W. Bush, auf CNN.
Gefundenes Fressen für Trump
Auch für Trump ist der Gnadenakt ein gefundenes Fressen. Der Republikaner hatte im Wahlkampf angekündigt, seine wegen der Erstürmung des Kapitols am 6. Jänner 2021 verurteilten Anhänger begnadigen zu wollen. Er geht so weit, seine Anhänger, die er zuvor angestachelt hatte, als „Geiseln“ zu bezeichnen.
„Schließt die Begnadigung, die Joe Hunter gewährt hat, die Geiseln vom 6. Jänner ein, die für Jahre inhaftiert wurden?“, schrieb Trump in seinem Onlinedienst Truth Social. „Was für ein Missbrauch der Justiz.“
Der demokratische Gouverneur von Colorado, Jared Polis, beklagte, Biden habe seine Familie über das Land gestellt. „Dies ist ein schlechter Präzedenzfall, der von späteren Präsidenten missbraucht werden könnte“, schrieb Polis im Onlinedienst X.
Biden bittet um Verständnis seiner Landsleute
Der Politikwissenschaftler Nicholas Creel von der State University in Georgia argumentierte hingegen, nichts von dem, das Biden vor seinem Ausscheiden aus dem Amt tue, werde die Handlungen eines Nachfolgers beeinflussen – da sich Trump „einfach nicht um Präzedenzfälle schert“. „Trump wird nie einen Vorwand brauchen, um zu tun, was er will, sobald er im Amt ist“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Etwas anderes zu sagen, sei „lächerlich“.
In seiner Erklärung warb der 82-jährige Biden jedenfalls um das Verständnis seiner Landsleute: „Ich hoffe, die Amerikaner werden verstehen, warum ein Vater und ein Präsident zu dieser Entscheidung gekommen ist.“
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