Vernichtendes Urteil

Was bei den Wiener Linien alles schiefläuft

Wien
03.12.2024 12:48

Wenig Pech, aber dafür viele selbst verschuldete Pleiten und Pannen ortet der Stadtrechnungshof in einem massiven Prüfbericht zu den Wiener Linien. Was Öffi-Nutzer tagtäglich erleben, bestätigt sich nun in Zahlen schwarz auf weiß. Die Probleme von heute haben sich schon seit Jahren angekündigt.

Selten liefert der Stadtrechnungshof so umfangreiche Berichte ab: Hunderte Seiten, gegliedert in fünf einzelne Berichte zu InfrastrukturFinanzen, den Busverkehr sowie die hauseigenen Sharing-Angebote und die Sicherheit der WienMobil-Räder umfasst das Urteil der Prüfer. Und vor allem im Bereich der Infrastruktur mit ihren unmittelbaren Auswirkungen auf den Tagesablauf der gesamten Wiener Bevölkerung stellt sich ein verheerendes Bild zum Schienennetz, dem Fuhrpark und den Bauten dar.

Probleme haben sich schon seit Jahren aufgebaut
Unzählige Kennzahlen und Tabellen bestätigen, was sich Öffi-Nutzer schon seit Langem dachten: Die Wiener Linien hängen zusehends in den Seilen. Dabei umfasste der Prüfzeitraum nicht einmal die vielen Unannehmlichkeiten der letzten Zeit, sondern bezog sich auf den Zeitraum von Anfang 2017 bis Ende 2022. Was dabei auffällt: Die Probleme von heute haben sich schon seit Jahren aufgebaut – und waren ebenso lang auch schon aus den unternehmensinternen Zahlen deutlich herauszulesen.

Schienennetz zerbröselt
Ihr eigenes Ziel, jährlich drei Prozent des Schienennetzes zu erneuern, verfehlen die Wiener Linien konstant – ganz abgesehen von der Tatsache, dass der Rechnungshof das Ziel für ohnehin zu gering gesteckt hält. Vor allem seit dem Jahr 2020 schlägt sich das auch in Zahlen nieder: Allein 2020 gab es 271 Schienenbrüche im Straßenbahnnetz, eine Steigerung um ein Drittel im Vergleich zum Jahr davor. Blickt man noch weiter zurück, zeigt sich das Ausmaß noch deutlicher: Gab es im Jahr 2019 noch 19 Weichen- oder Kreuzungsschäden bei der Straßenbahn, waren es 2022 schon 151.

„Schienenschleifen“ 2012 eingestellt

Der Rechnungshof weist darauf hin, dass die Gleise durch die Methode des „Schienenschleifens“ in besserem Zustand sein könnten. Damit hörten die Wiener Linien aber 2012 auf und begannen erst vor Kurzem wieder damit. Dabei kam es jedoch zu Verzögerungen, da die Schienen dafür erst wieder mittels Schienenfräsens vorbereitet werden mussten.

Aus 82 wurden 169 Langsamfahrstellen
Bei der U-Bahn sieht die Lage nicht besser aus: Auch hier explodierte die Zahl der Weichen- und Kreuzungsschäden allein zwischen 2020 und 2021 von 43 Vorfällen auf 150 Vorfälle. All das war vorhersehbar, denn 2020 wurde nur noch halb so viel in die Instandhaltung investiert wie noch 2017. Das ließ auch die Langsamfahrstellen wuchern: von 82 im Jahr 2019 auf 169 im Jahr 2023. Das war auch das Jahr, ab dem sich keine Zielvorgabe mehr für die Gleissanierung im jährlichen Sicherheitsleistungsbericht fand.

Die Station Schwedenplatz ist eine von drei, deren Bauzustand der Rechnungshof als bedenklich einstuft. (Bild: Wiener Linien / Manfred Helmer)
Die Station Schwedenplatz ist eine von drei, deren Bauzustand der Rechnungshof als bedenklich einstuft.

Drei U-Bahn-Stationen nur bedingt sicher
Die Bausubstanz bei den Wiener Linien wird im Schnitt mit 2,41 nach dem Schulnotensystem bewertet. 39 Prozent der Bauwerke, darunter 34 Stationen, werden mit 3 benotet, damit wird die Betriebssicherheit nur bis zur nächsten geplanten Inspektion versprochen. Einige Gebäude werden jedoch mit 4 bewertet, womit „sein kann, dass die Betriebssicherheit nicht mehr bis zur nächsten geplanten Inspektion oder geplanten Instandsetzungsmaßnahme gegeben ist“, darunter die U-Bahn-Stationen Taubstummengasse, Schwedenplatz und Michelbeuern.

Überhaupt stellt sich die Frage, inwieweit die Wiener Linien den Überblick über die Mängel an ihrer eigenen Infrastruktur haben: Für 75 Tragwerksstrukturen und 96 Gebäude, darunter auch Stationen, haben andere die Verantwortung, vor allem die städtische MA 29 – aber die Wiener Linien mussten zugeben, dass sie bei einem Fünftel der Tragwerksstrukturen und bei einem Drittel der anderen Bauwerke keinerlei Informationen über deren Zustand haben.

Unternehmensentscheidungen mit Steinzeit-Software
Das Informationsdefizit zieht sich durch alle Bereiche: Die grundsätzliche Unternehmensplanung basiert auf Wiener-Stadtwerke-Software aus dem Jahr 2014, die etwa Datenvergleiche nur über die letzten drei Jahre, aber nicht mehr erlaubt. Anderes Beispiel: Der Stadtrechnungshof bekam vom Unternehmen nur aus den Betriebsbahnhöfen Daten darüber, ob die Wartung an Zügen zeitgerecht erfolgt. Aus der Hauptwerkstätte Simmering gab es dazu aber keine Informationen.

So alt ist der Fuhrpark

Das Durchschnittsalter der jeweiligen Fahrzeugtypen auf Wiens Schienen zeigt auch hier den Handlungsbedarf:

  • Hochflurstraßenbahnen: 38,8 Jahre
  • Niederflurstraßenbahnen: 13,9 Jahre
  • U-Bahn: 17,9 Jahre
  • U6-Züge: 20,6 Jahre

Ein versteckter Hilferuf an die Prüfer
Ihre eigenen Ziele im Hinblick auf Zuverlässigkeit erreichten die Wiener Linien als Resultat all dessen zum letzten Mal im Jahr 2020. Zur Ehrenrettung der Wiener Linien muss allerdings gesagt werden: Seit 2021/2022 bemüht sich das Unternehmen nach Kräften gegenzusteuern. Und die Kräfte sind nicht endlos: Gegenüber den Stadtrechnungshof-Prüfern meint das Unternehmen kleinlaut, man weise „im Kontakt mit der Eigentümerin“, also der Stadt, ohnehin immer „auf die dafür notwendigen Rahmenbedingungen (Personalressourcen, Finanzierung, Genehmigungen der Stadt Wien etc.)“ hin.

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