Um sich vor den „Bedrohungen durch Nordkoreas kommunistische Truppen“ zu schützen, hat Südkoreas Präsident am Dienstag das Kriegsrecht ausgerufen. Mittlerweile wurde auch das Parlament in Seoul abgeriegelt.
Im Fernsehen war zu sehen, wie Hubschrauber auf dem Dach des Parlamentsgebäudes in Seoul landeten, Polizeibusse blockierten den Zugang.
Arbeit des Parlaments und der Parteien verboten
Die Nachrichtenagentur Yonhap berichtete unter Berufung auf die Armee, dass die Arbeit des Parlaments und der Parteien verboten seien. Medien und Verlage würden der Kontrolle des Kriegsrechtskommandos unterstellt.
„Um ein liberales Südkorea vor den Bedrohungen durch Nordkoreas kommunistische Truppen zu schützen rufe ich hiermit das Kriegsrecht aus“, hatte Yoon zuvor am Dienstag in einer live übertragenen Fernsehansprache gesagt.
Das Parlament ist ein Zufluchtsort für Kriminelle geworden, ein Hort für eine legislative Diktatur, die das juristische und administrative System lähmen und unsere liberale demokratische Ordnung stürzen will.
Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol
Die Regierungsarbeit sei aufgrund von Verstößen der Opposition gelähmt, sagte Yoon weiter. Mit Hilfe des Kriegsrechts sollten pro-nordkoreanische Elemente entfernt und ein freies und demokratisches Land wiederherstellt werden.
Yoon sagte in der Rede nicht, welche konkreten Maßnahmen ergriffen werden sollen. Er sprach auch nicht von konkreten Drohungen durch den Norden. Beeinträchtigungen des öffentlichen Lebens sollten so gering wie möglich gehalten werden. Jeder, der gegen das Kriegsrecht verstoße, könne jedoch ohne Haftbefehl festgenommen werden.
Haushaltsstreits mit Opposition
Yoon ergriff die Maßnahme inmitten eines Streits seiner Partei mit der größten Oppositionskraft Demokratische Partei über das Haushaltsgesetz für kommendes Jahr. Die Abgeordneten der Opposition, die im Parlament die Mehrheit haben, hatten vergangene Woche nur eine deutlich abgespeckte Fassung des Haushaltsentwurfs im zuständigen Parlamentsausschuss gebilligt.
Präsident will „pro-nordkoreanische Kräfte“ beseitigen
Mithilfe des Kriegsrechts würden diese „eindeutig pro-nordkoreanischen Kräfte beseitigt“. Es solle möglichst rasch wieder ein „freies und demokratisches Land“ wiederhergestellt werden. Der konservative Staatschef versprach, dass sich das nun ausgerufene Kriegsrecht nur minimal auf den Alltag der Südkoreaner auswirken werde.
Opposition: „Verstoß gegen Verfassung“
Die Opposition kritisierte den Schritt als Verstoß gegen die Verfassung. Das Land werde künftig von Panzern und Soldaten regiert, sagte der Vorsitzende der Demokratischen Partei, Lee Jae-myung. Seine Partei verfügt im Parlament über die Mehrheit. Sie hatte in dieser Woche beantragt, einige der ranghöchsten Staatsanwälte des Landes des Amtes zu entheben. Zudem forderte sie die Ablehnung eines Haushaltsentwurfs der Regierung. Der Entwurf müsse um mehr als vier Billionen Won (2,65 Milliarden Euro) gekürzt werden. Yoon erklärte, dies untergrabe die grundlegende Funktionsfähigkeit der Regierung.
Kritik kam auch aus Yoons Regierung selbst. Der Vorsitzende der regierenden Partei, Han Dong-hoon, bezeichnete das Kriegsrecht laut lokalen Medienberichten als „falsch“. Man werde es „gemeinsam mit dem Volk stoppen“, sagte Han. Yoon steht seit Monaten innenpolitisch unter Druck. Zuletzt hat ein mutmaßlicher Korruptionsskandal rund um seine Ehefrau seine Beliebtheitswerte weiter gedrückt.
Seit Monaten haben sich zudem die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel erhöht. Nordkorea baute in den vergangenen zwei Jahren seine Raketentests deutlich aus und verschärfte seine Rhetorik gegen die USA und Südkorea. Zudem schickte Nordkorea laut Angaben des südkoreanischen Geheimdienstes und des US-Verteidigungsministeriums mehrere Tausend Soldaten nach Russland, wo diese mutmaßlich auf einen Einsatz gegen die Ukraine vorbereitet werden.
Südkorea befindet sich mit Nordkorea technisch gesehen seit dem Ende des Korea-Krieges 1953 formell weiter im Kriegszustand, da der Konflikt mit einem Waffenstillstand und nicht mit einem Friedensvertrag endete. Beide Länder trennt eine etwa vier Kilometer breite entmilitarisierte Zone. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern befinden sich derzeit auf einem Tiefpunkt.
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