Gerhard Struber ist seit Sommer Cheftrainer des 1. FC Köln. Die „Krone“ traf den Kuchler in seinem Lieblingscafé zum Interview. In diesem verrät er, was eine englische Delegation in Pakistan mit seinem Engagement in der Domstadt zu tun hat, wie es sich anfühlt, jedes Heimspiel vor 50.000 Zuschauern zu absolvieren und wie er im Rückspiegel über seine Zeit beim FC Red Bull Salzburg denkt.
„Krone“: Herr Struber, Sie trainieren seit Sommer den 1. FC Köln. Die Geschichte dahinter ist durchaus kurios. Können Sie mehr darüber verraten?
Gerhard Struber: Als das Thema schlagend wurde, war ich gerade mit einer englischen Delegation in Pakistan (lacht). Ich habe mir dann intensiv Gedanken gemacht, einfach war die Entscheidung nicht. Die Mannschaft ist abgestiegen, dazu kam die Transfersperre. Nach Gesprächen mit den handelnden Personen war ich dann absolut überzeugt: weil es ein toller Klub ist und sich eine tolle Herausforderung für mich bot.
Mit Peter Stöger hatten Sie auch Kontakt?
Ich war auf Kurzurlaub auf Mallorca und habe mit ihm telefoniert. Er hat mir erzählt, wie der Verein tickt. Da habe ich gemerkt, wie eng er noch mit dem „Effzeh“ verbunden ist.
Wie groß ist der Aufstiegsdruck?
Ich fokussiere mich im Alltag aufs Sportliche. Der Start verlief insofern gut, dass wir extrem attraktiv gespielt haben. Die Leute waren von unserem Spiel begeistert, wir haben aber nicht genügend Punkte geholt. Nach der ersten Länderspielpause gingen zwei Spiele schief und dann wurde rund um den Club sehr vieles infrage gestellt. Es geht hier extrem schnell in die eine wie in die andere Richtung, darüber musst du dir im Klaren sein.
Sie sprechen die leidenschaftlichen Fans und das unruhige Umfeld an?
Man sieht: Für Traditionsvereine, die raufwollen, ist es in Deutschland generell schwierig. Dieser Standort und diese Fans verdienen sich aber die Bundesliga. Es ist unbeschreiblich, was unsere Fans leisten, sie sind fantastisch. Wenn du die Chance hast, jedes Heimspiel vor 50.000 Zuschauern zu erleben und das Gefühl entsteht, dass das Stadiondach gleich wegfliegt, dann ist das richtig geil und macht enorm Spaß.
Wie bewahrt man da kühlen Kopf?
Mir tut die Erfahrung gut, die Aufgabe in den Vordergrund zu stellen. Man muss den Jungs die Freude am Fußball vermitteln und gleichzeitig bestmöglich das wegbeamen, was drumherum passiert.
Nach Ihrer Schwächephase schrieben Medien davon, dass sie kurz vor dem Aus stehen. Wie nahmen Sie diese Phase wahr?
Der Vorstand und die Geschäftsführung sind voll hinter mir gestanden. Natürlich ist in den Medien Bewegung drin, aber intern konnten wir auch in dieser Zeit super arbeiten. Und am wichtigsten: Ich hatte immer einen sehr engen Draht zur Mannschaft.
In der 2. Liga sind Sie wieder mitten im Aufstiegskampf, im Pokal kann der „Effzeh“ erstmals seit 15 Jahren das Viertelfinale erreichen. Wie gelang die Wende?
Wir haben taktisch ein paar Dinge angepasst, in der Mannschaft gewisse Wechsel vorgenommen und mehr Routine reingebracht. Jetzt spielen wir nicht mehr so spektakulär, holen aber die nötigen Punkte.
Wie schwer war es, einer abgestiegenen Mannschaft wieder Vertrauen und eine Siegermentalität einzuimpfen?
Mein Kapitän hat mir im August gesagt, dass der Klub im Kalenderjahr bis dahin nur drei Siege hatte... Ich hätte es ehrlich gesagt nicht für möglich gehalten, dass der Rucksack des Verlierens so schwer wiegen kann. Mittlerweile haben wir uns aus diesem Tal aber rausgespielt und eine Systematik geschaffen, die uns hilft, die den Jungs wieder Sicherheit gibt: Wir lassen sehr wenig zu und sind stabil geworden.
Im Winter gehen Sie trotzdem auf Einkaufstour?
Wir sind in der Lage Spieler zu holen, die uns helfen. Gleichzeitig müssen sie aber vom Typ her gut zu uns passen. In der Mannschaft ist eine richtig gute Energie, die will ich auch schützen.
Wie lebt es sich in Köln? Wie schwierig ist es, unerkannt zu bleiben?
Es passiert immer wieder, dass man um ein Autogramm oder ein Selfie gefragt wird. Die Leute sind aber sehr nett und mit dem „Effzeh“ verbunden. Alle wollen, dass es wieder in die Bundesliga geht. Gerade in der schwierigen Zeit gab es auch viel Zuspruch.
Sie hatten schon einige Auslandsstationen, die eine Herausforderung für die Familie bedeuteten. Wie funktioniert das in Köln?
Ich würde sagen, dass wir das gut hinbekommen haben. Meine Frau Lisa kommt viel öfter zu mir als damals in den USA. Meine Tochter Simona war schon viermal da, bei meinem Sohn Bastian war es etwas schwieriger, weil er selbst immer Spiele hat. Wir führen sicher kein normales Familienleben, haben aber schon viele Erfahrungen damit gesammelt.
Meine Kinder wurden im Stadion angepöbelt. Da wurden sicher Grenzen überschritten. Ich bin sicher nicht dünnhäutig und kann schon einiges wegstecken. Wenn das aber meine Familie betrifft, dann halte ich das schwer aus. Es war eine schwierige Zeit für uns.
Gerhard STRUBER über die schwierige Zeit in Salzburg
Apropos Familie – die hatte es während Ihrer Zeit als Salzburg-Trainer nicht leicht?
Meine Kinder wurden im Stadion angepöbelt. Da wurden sicher Grenzen überschritten. Ich bin sicher nicht dünnhäutig und kann schon einiges wegstecken. Wenn das aber meine Familie betrifft, dann halte ich das schwer aus. Es war eine schwierige Zeit für uns.
Wie viel Kontakt haben Sie noch zu den Bullen?
Ich schreibe ab und zu mit dem einen oder anderen Spieler, insgesamt aber recht wenig. Ganz bewusst. Es war vom ersten Moment an eine extrem herausfordernde Aufgabe, mit 14 verletzten Spielern zu Beginn. Auch wenn es hart war, dass es dort nicht funktioniert hat, bin ich aber doch sehr dankbar für vieles, was ich erleben und lernen konnte.
Sie wurden als Tabellenführer entlassen, Pep Lijnders darf auf Platz sieben liegend weiterarbeiten. Was geht Ihnen da durch den Kopf?
Scheinbar muss man Erster sein, um zu fliegen (lacht). Nein, im Ernst: Ich will nicht herumjammern. Vor meiner Zeit in Salzburg habe ich Entwicklungen wahrgenommen, mit denen ich dann konfrontiert wurde. Man spürt gewisse Dinge, in welche Richtung manches geht. Es war aber so, dass der Verein zuvor zehnmal Meister wurde und unter mir der Titel plötzlich in Gefahr schien. Daher hat man reagiert. Jetzt ist man sogar aus den Top 6 gerutscht. Für jeden Verein ist es eine harte Prüfung, ein Elchtest, durch solche Phasen zu gehen. Jetzt wird sich zeigen, wie man in Salzburg damit umgeht.
Was haben Sie aus der Zeit in Salzburg gelernt?
Der Job dort ist nicht einfach. Die Erwartung ist unglaublich hoch und die jungen Spieler haben mit ihren Beratern enorme Einflussfaktoren um sich. Entscheidend ist ein guter Mannschaftsgeist und dass du Spieler hast, die sich voll mit dem Verein identifizieren.
Wie stehen Sie heute zu Ihrem Ex-Klub?
Meine Einstellung zum Verein ist unverändert. Salzburg hat Qualität und Klasse, das wird sich auch in Zukunft wieder zeigen. Ich wünsche dem Verein, dass die Dinge wieder in die richtige Richtung gehen.
Wie nehmen Sie das Chaos im ÖFB aus der Distanz wahr?
Ich sehe das als Chance. Ich würde mir wünschen, dass man den Moment nutzt, um die Strukturen anzupassen. Das würde dem österreichischen Fußball helfen. Du brauchst eine Führung mit kurzen Wegen. Dazu braucht es Persönlichkeiten, die die Dinge beim Namen nennen und gute Führungskräfte sind.
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