Einziger E-Roadster

MG Cyberster: Schwer beflügelt und irritierend gut

Motor
17.12.2024 09:51

Selten war die Neugierde auf ein Auto so groß: Ist der MG Cyberster ein schöner Blender oder zumindest annähernd so gut, wie er ausschaut? Kurz: Er ist. Und zwar so gut, dass er so etwas wie die automobile Überraschung des Jahres ist, resümiert „Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl hier im Videofahrbericht.

(Bild: kmm)

Damit war nun wirklich nicht zu rechnen, schließlich hat sich MG – seit 17 Jahren in Besitz des chinesischen SAIC-Konzerns – in den vergangenen Jahren auch bei uns einen neuen Ruf erworben, und zwar als Anbieter billiger Autos für nicht allzu hohe Ansprüche. SAIC hat MG sicher nicht gekauft, um eine automobile Nische am Leben zu erhalten oder aufzubauen, sondern um im großen Stil Kasse zu machen. Haben wir gedacht.

Die Scherentüren des MG Cyberster sind serienmäßig. (Bild: Stephan Schätzl)
Die Scherentüren des MG Cyberster sind serienmäßig.

Und dann kommen sie zum 100-jährigen Markenjubiläum mit dem MG Cyberster daher. Und mit Lamborghini-artigen Scherentüren. Es ist der einzige Elektro-Roadster überhaupt, und das einzige echte Elektro-Cabrio diesseits des Maserati GranCabrio Folgore, der bei vergleichbarer Beschleunigung mehr als das Dreifache kostet.

Der MG ist allerdings deutlich kleiner, wenn auch nicht so klein, wie man das vielleicht vermuten würde: Mit 4,54 Meter Länge und 1,91 Meter Breite überragt er nicht nur den Mazda MX-5 deutlich, sondern auch z.B. BMW Z4 und Porsche Boxster.

Viel Platz, Top-Verarbeitung
Im Innenraum ist veganes Leder serienmäßig – und überhaupt bestechend hochwertige Materalien. Alles sieht gut aus und fühlt sich gut an, ist zudem top verarbeitet. Der Fahrer nimmt Platz in einem Cockpit, das ihn regelrecht umfängt. Die Sportsitze sind bequem und bieten Seitenhalt. Außerdem bietet der Cyberster viel Platz: ein großes Handschuhfach, ein brauchbares Klappfach und zwei Cupholder zwischen den Sitzen, dahinter ist auch noch Stauraum.

Und in den Kofferraum, der weit unter den Verdeckkasten reicht, passen 249 Liter, egal ob das Dach offen oder geschlossen ist. Zum Vergleich: Beim Maserati sind es je nach Verdeckposition nur zwischen 114 und 151 Liter (dafür hat er vier Sitze), beim Z4 281 Liter.

Der Kofferraum erstreckt sich weit unter den Verdeckkasten. (Bild: MG Motor)
Der Kofferraum erstreckt sich weit unter den Verdeckkasten.
Viel Stauraum hinter den Vordersitzen (Bild: Stephan Schätzl)
Viel Stauraum hinter den Vordersitzen

Ein bisschen viel Displayfläche …
Der Innenraum ist trotz feiner Gestaltung und Verarbeitung gewöhnungsbedürftig. Der Cyberster wird hier seinem Namen gerecht, schließlich setzt er sich aus Cyber und Roadster zusammen. Auf vier Displays blickt der Fahrer. Eines ist in die Mittelkonsole eingelassen und ist u.a. für die Klimaregulierung und die Assistenzsysteme zuständig. Hinterm Lenkrad befindet sich eine Einheit, die aus einem 10,25-Zoll-Tacho-Display sowie zwei flankierenden Sieben-Zoll-Touchscreens besteht. Die seitlichen werden allerdings fast komplett vom Lenkradkranz verdeckt.

Links bedient man u.a. das Navi, entweder die serienmäßige On-Board-Version oder via Apple CarPlay/Android/Auto (beide kabelgebunden). Der wirkliche Sinn des rechten Screens hat sich uns nicht erschlossen. Möglicherweise kann man künftig die Funktionen des linken auch rechts abrufen. Damit wäre wegen der Bildschirmaufteilung auch die Google-Maps-Navigation leichter. Eine Routenplanung mit automatisch integrierten Ladestopps beherrscht der MG übrigens nicht.

Insgesamt vier Displays in einem fahrerorientierten Cockpit (Bild: Stephan Schätzl)
Insgesamt vier Displays in einem fahrerorientierten Cockpit
(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)

Fahrmodi ruft man entweder per Display oder (praktischer) mit dem rechten Lenkradpaddle ab, während das linke zwischen drei Rekuperationsmodi switcht. Der One-Pedal-Drive hingegen muss wiederum am Display eingestellt werden.

Die Bedienung ist so etwas wie die Schwäche des MG Cyberster. Sie ist insgesamt nicht vollständig durchdacht und bietet vielleicht ein paar verteilte Möglichkeiten zu viel, ist aber mit ein bisschen Eingewöhnung beherrschbar. Positiv ist, dass es auf der Mittelkonsole und am Lenkrad echte Tasten und Joysticks gibt, die gut reagieren.

Vor allem nachts wären weniger Lichtquellen wünschenswert. (Bild: Stephan Schätzl)
Vor allem nachts wären weniger Lichtquellen wünschenswert.

Nachts ist sind die vielen bunten Lichter keine Freude – sie spiegeln sich in der Seitenscheibe. Allerdings nicht vor dem Außenspiegel - hier spiegeln sich die Füße des Fahrers, die vom stufenlos einstellbaren Ambientelicht angestrahlt werden.

Zum Abschalten der obligatorischen Zwangsassistenten muss man ins Menü. Aber sie bleiben auch dann deaktiviert, wenn man kurz anhält und sogar aussteigt, wenn man das Fahrzeug nicht versperrt.

Auch mit Dach macht der MG Cyberster eine gute Figur. Es lässt sich bei bis zu 50 km/h in sieben Sekunden öffnen bzw. schließen. (Bild: MG Motor)
Auch mit Dach macht der MG Cyberster eine gute Figur. Es lässt sich bei bis zu 50 km/h in sieben Sekunden öffnen bzw. schließen.
(Bild: MG Motor)
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(Bild: MG Motor)

Antriebe: Stark und noch stärker
Zwei Antriebsvarianten gibt es: Der Trophy ist ein 250 kW/340 PS und 475 Nm starker Hecktriebler, der GT (heißt in Deutschland XPower) ein Allradler, der mit einem zusätzlichen Frontmotor auf insgesamt 375 kW/510 PS und mächtige 725 Nm kommt. Zwar sind sie mit 1885 bzw. 1985 kg (ohne Fahrer) nicht ganz leicht, aber in keiner Hinsicht schwerfällig. Der Trophy beschleunigt in 5,0 Sekunden von 0 auf 100, der von uns gefahrene GT braucht nur 3,2 Sekunden und läuft 200 km/h (5 schneller als der Trophy).

Beim Laden ist er nicht ganz so flott. Zwischen den 2,69 Meter auseinander stehenden Achsen sitzt ein netto 74 kWh speichernder Akku, der für eine WLTP-Reichweite von 443 bzw. 507 Kilometern sorgt. Am Schnelllader saugt er mit maximal 144 kW und braucht von 10 bis 80 Prozent 38 Minuten. DC lädt er mit 11 kW.

Fahrgefühl wie in der Premiumklasse
Ein guter Roadster steht und fällt mit seinem Fahrverhalten – hier gibt sich der MG Cyberster keine Blöße. Allerdings: Wer gokartartiges Ums-Eck-Wuseln erwartet wie in einem (halb so schweren) Mazda MX-5, täuscht sich, denn der Cyberster ist kein harter Sportler, sondern nach Aussage des Herstellers als Gran Turismo ausgelegt und daher auch dem Komfort verpflichtet.

Nun, „komfortabel“ heißt bei den meisten chinesischen Autos oftmals schwammig, weich und zum Aufschaukeln neigend, wenn man es flotter angeht. Die Lenkung ist meist gefühllos. Auch diese Negativerwartungen zerstört der MG bravourös.

(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
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(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)

Doppelquerlenker vorn und Fünflenkerhinterachse kommen ohne adaptive Dämpfer aus. Trotz der geringen Bodenfreiheit von 11,5 cm (weniger als bei BMW Z4 und Porsche Boxster) ist er komfortabel, schluckt Bodenunebenheiten sauber weg, opfert dafür aber nicht die satte Straßenlage. Auch in schnellen Kurven liegt er stabil. Die Lenkung ist nicht zu leichtgängig und vermittelt ein echtes Gefühl für Fahrbahn und -zustände. All das hat nichts mit dem zu tun, was wir bisher von aktuellen MGs kennen. Das ist auch im Kreis ganz anderer (auch teurer) Mitbewerber ganz hohes Niveau.

Die Bremsen stammen von Brembo und auch sie irritieren trotz Rekuperationsüberblendung nicht, auch bei flottem Kurvenswing, wie wir das auf Bergstraßen oberhalb von Nizza erfahren haben.

Die Beschleunigung ist da noch der große Spaß zum Drüberstreuen. Um die volle Leistung abzurufen, muss man mit der roten Taste am Lenkrad auf S-Sport schalten dann fallen bis zu 725 Nm über alle vier Räder her, die Kraft ist jedoch gut zu dosieren und das Fahrzeug jederzeit gut zu beherrschen. Das ESP hat einen Sport-Modus, der relativ viel zulässt, leichte Verkühlung bei Unachtsamkeit inbegriffen.

(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
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(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)

Die Preise
Das Preisschema ist einfach: Es gibt nur Vollausstattung, inklusive Adaptivtempomat, Spurführung, diversen Assistenten, 360-Grad-Kamera usw. Auch die Bose-Soundanlage ist immer dabei, kann mit den sonstigen Qualitäten des Roadsters aber nicht ganz mithalten. Zwischen Trophy und GT liegen im Wesentlichen die Unterschiede im Antrieb sowie ein Zoll bei den Alufelgen – 19 Zoll beim Trophy, 20 Zoll beim GT.

Basispreis ist 59.990 Euro, abzüglich E-Autoförderung also 54.590 Euro. Der Allradler ist 8000 Euro teurer und kommt auf 67.990 bzw. 62.590 Euro. Einzige Extras: Lackfarben (990 Euro, außer Elfenbeinweiß), ein weinrotes statt schwarzes Verdeck (790 Euro) und im Innenraum lässt sich noch investieren. Schwarz/Grau in Kunstleder/Stoff ist Serie, Rot/Schwarz kostet 790 Euro – oder 1500 Euro, wenn man – wie im hier gezeigten Testwagen – die Kombination aus Kunstleder und Dinamica (ein wildlederartigs Mikrofasergewebe) bevorzugt.

Fahrzit
Der MG Cyberster ist nicht nur der einzige elektrische Roadster, er ist auch ein sehr guter elektrischer Roadster. Er bringt kreatives, aber nicht übertrieben verspieltes Design mit, ausgesprochen gutes Fahrverhalten, Top-Verarbeitung und einen sehr hochwertigen Innenraum. Nur das Bediensystem mit den vier Displays ist nicht so ganz ausgegoren und die Ladeleistung könnte eine Spur besser sein.

Insgesamt bietet das in MGs Londoner Designstudio unter Carl Gotham geschaffene und in Shanghai produzierte Cabrio deutlich mehr, als man ihm gemeinhin zugetraut hätte. Und die Scherentüren machen ihn auch noch zum „MGini“!

Moment mal, da kommt noch was!
Im vergangenen Sommer hat MG auch noch die Studie einer Coupé-Version vorgestellt. Genauso bildschön wie der Cyberster, aber offiziell noch nicht als Serienmodell beschlossen. Doch wenn SAIC schon in den Cyberster investiert und er derart wohlgeraten ist, wäre es schon fast ungewöhnlich, wenn sie diese Möglichkeit der weiteren Imagepolitur liegen lassen würden. In Zeiten, da immer mehr emotionslose Autos auf die Straße kommen, sehnen wir uns nach solchen spaß- und designorientierten Fahrzeugen. Große Klasse mit Stil.

(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
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(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)
(Bild: MG Motor)

Warum?
Herrliches Design
Tolle Verarbeitung
Top-Fahrverhalten

Warum nicht?
Gewöhnungsbedürftige Bedienung

Oder vielleicht …
… tja, der MG Cyberster ist als Elektro-Cabrio praktisch konkurrenzlos, wenn man vom Maserati absieht.

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