„Krone“-Interview

Herre & Denalane: 25 Jahre Liebe in Musik gegossen

Musik
05.12.2024 09:00

Joy Denalane hat im deutschsprachigen Raum den Soul, Max Herre den Hip-Hop definiert. Als Paar gingen sie 25 Jahre lang durch alle Höhen und Tiefen. Jetzt sind die Kinder aus dem Haus und man konnte am gemeinsamen Album „Alles Liebe“ arbeiten, das sie im Sommer 2025 noch einmal in die Wiener Arena bringen. Die „Krone“ sprach mit den beiden über ein Vierteljahrhundert Zweisamkeit.

(Bild: kmm)

„Krone“: Max, Joy - eure gemeinsame Platte „Alles Liebe“ hat einen schönen, warmen, analogen, angenehmen Sound. Strebt das Album im positiven Sinne gerade in bisschen gegen all das, was auf der Welt gerade Schlechtes passiert?
Max Herre: Ach, es passiert ja immer etwas auf der Welt. Derzeit kommt uns alles gerade so nahe, dass wir das Gefühl haben, jetzt müssen wir aber auch mal vor unserer eigenen Tür kehren. An und für sich ist der Tumult in der Welt immer sehr laut.
Joy Denalane: Wir machen schon immer analog klingende Alben, das ist ein bisschen unsere Welt. Wir sind der Soulmusik sozialisiert und auch die frühen Hip-Hop-Alben sind bewusst sehr warmgehalten. Willst du „Alles Liebe“ quasi bildlich als Wärme gegen die gesellschaftliche Kälte betrachten, dann kann man das schon so stehenlassen.

„Krone“: Das Album spricht nicht nur von eurer Liebe, die in 25 Jahren alle möglichen Höhen und Tiefen erlebt hat. Ihr hattet schon länger geplant, so ein Album gemeinsam rauszubringen, musstet aber warten, bis eure Kinder erwachsen wurden. Hat man bei so einem Projekt nicht auch Angst, dass man alte Wunden aufreißt, wenn man die negativen Seiten nicht ausklammert?
Herre: Ehrlichkeit ist unsere tägliche Medizin. Bei uns ist sehr viel ausverhandelt und dadurch kann man auch die Risse im Fundament benennen und offen über Dinge singen. Vieles liegt schon viele Jahre zurück und man blickt mit einem interessierten, nüchternen Blick darauf. Wenn man in die Themen reingeht, kann es schon emotional werden, aber ich glaube nicht, dass uns noch einmal was richtig aus der Bahn werfen kann.
Denalane: Ich finde das irgendwie heilsam. Es ist als Künstler ein Vorteil, dass man sich mit Texten beschäftigen kann, die das eigene Leben verhandeln und mit denen man in die Eigenanalyse geht. Noch einmal wirklich reinzuhorchen und zurückzugehen und zu überlegen: „Okay, was war da los?“ Und daraus ein größeres Bild von sich selbst zu gewinnen. Vielleicht auch, weil man so analytisch dann an sich selbst rangeht. Das finde ich total spannend. Es macht mir großen Spaß, da hinzugehen, wo es wehtut.
Herre: Es gibt aber schon auch Phasen, wo man zu einem, Thema textet und dann in eine Art Lauftext gerät und ein bisschen in sich selbst wühlen muss, damit auch wirklich dahingeht, wo es nicht immer angenehm ist. Es geht darum, den Song so ehrlich und offen wie möglich zu bauen.

„Krone“: Habt ihr von vornherein gewusst oder erhofft, dass man all diese gemeinsamen Erlebnisse musikalisch gut ausdrücken kann?
Denalane: Es gibt ja ein paar Duettalben in der Musikhistorie. Im Soul natürlich Marvin Gaye, Donny Hathaway oder Roberta Flack – aber dann ist die Liste auch schon vorbei. Und jetzt? Im Hip-Hop und R&B gab es in den 90er-Jahren vor allem einzelne Songs dazu, bis die Carters loslegten, wo aber auch das meiste schon von Beyoncé stammte und man von diesem Grundstock weiterarbeitete. Das heißt für uns: Es war schon ein Experiment und wir sind im Jänner 2024 zum ersten Mal ins Studio gegangen, um eine Marschroute festzulegen. Um zu schauen, ob wir zwei oder drei Songs zusammenkriegen. Als wir nach drei Tagen neun gute Skizzen für Lieder hatten, wussten wir, das können wir weiterverfolgen und wird auch auf Albumlänge funktionieren. Wir haben genug zu erzählen und genug Spaß daran.

„Krone“: Irgendwann ist ein Album voll und fertig. Eures ist eh schon sehr üppig ausgefallen, aber musstet ihr trotzdem so einiges weglassen?
Herre: Wir haben noch viele Skizzen herumliegen, die wirklich gut sind. Es gibt schon noch immer genug Material …
Denalane: In den groben Themenblöcken, die uns definieren, ist schon mal alles auf dem Album drauf. Wir haben es auch deshalb beendet, weil es dann in sich irgendwann Sinn gemacht hat. Wir haben viele Aspekte besprochen, aber auch aus 45-50 Songskizzen gewählt. Es ist noch einiges da.

„Krone“: Ein zweites Album von Max & Joy ist also realistisch?
Herre: Die Möglichkeit für eine Fortsetzung ist da, es ist aber auf jeden Fall der falsche Zeitpunkt das zu fragen, denn nach einem fertiggestellten Album sagt man immer, man macht nie wieder eines. (lacht) Zudem befinden wir uns in einer Zeit, in der viele Musiker sich von eher von Song zu Song hangeln und dann irgendwann Compilations rausbringen. Wir sind aber ganz klassische Albenkünstler. Wir denken nicht nur in Albumkonzepten, sondern auch in A-, B-, C- und D-Seiten wie bei Platten. Deshalb sind wir jetzt froh, dass wir das mal abgeliefert haben. Alles Weitere wird man sehen.

„Krone“: Habt ihr das Album wirklich komplett gemeinsam ausgearbeitet, oder ging da jeder mal für sich ran und dann wurde alles verknüpft? Wir wissen alle, dass sich Erinnerungen manchmal ja spießen …
Denalane: Ich würde sagen, das passierte ganz verschieden. Bei den Studiosessions und den ersten Textideen, die dann ausgereift auf dem Album zu finden sind, haben wir gemeinsam gearbeitet, aber auch angefangen, gewisse Prozesse zu trennen. Das Texten ist nicht unbedingt unsere gemeinsame Stärke und da haben Max und ich uns schon ein bisschen zurückgezogen. Leute wie Tom Thaler haben aber aktiv mitgeschrieben und eine tolle Dynamik entwickelt – vor allem Tom und Max. Wenn es mehr um Rap ging, war es für mich auch okay, mich da rauszuziehen.
Herre: Musik, Melodie und Texte haben wir sehr spontan zusammen entwickelt. Das hat riesengroßen Spaß gemacht. Vor allem geschah das nicht mit dem Anspruch, dass am Ende alles stehenbleibt. Wir sind mit sehr konkreten Skizzen ins Studio gekommen, was den Aufbau der Songs stark unterstützt hat. Bei „Vor unserer Tür“ sind die Top-Lines und die Melodien wirklich sehr schnell gestanden. Dass so ein Song dann noch mal ein paar Wochen liegt und Feinarbeit beim Text braucht, ist klar, aber das war vielleicht ein gutes Beispiel dafür, dass wir in den Sessions schon sehr intuitiv viel zusammen hinbekommen haben.

„Krone“: Hat die Arbeit an diesem Album euch eure gemeinsame Geschichte jetzt gefestigt, oder euch noch einmal vor Augen geführt, was in diesem gemeinsamen Vierteljahrhundert so alles passiert ist und euch geprägt hat?
Herre: Ich finde, unsere Beziehung ist einfach so gefestigt. Es war einfach noch einmal interessant, in der Reise zurückzublicken und sich gewisse Situationen oder Emotionen in Erinnerung zu rufen.
Denalane: Es war emotional. Die Beziehung hat sogar einen Aspekt dazugewonnen. Wir sind mit uns selbst in den letzten 25 Jahren teilweise hart ins Gericht gegangen und haben vor allem musikalisch viel erlebt. Am Anfang haben wir viel mit Produzenten ausgefochten und mehr Reibung erzeugt. „Alles Liebe“ war die harmonischste Zusammenarbeit, die wir je hatten. Das liegt daran, dass wir miteinander sehr sicher sind in dem, was wir können und tun. Wir wissen, wo unsere Schwerpunkte liegen und wo es Spaß macht, neue Räume zu entdecken. Insofern war diese Albumproduktion eine schöne Phase.

„Krone“: In einem Vierteljahrhundert verändert sich die Welt und man verändert sich selbst. Alle werden älter und reifer, manchmal auch unreifer. Wie habt ihr euch gemeinsam entwickelt? Musikalisch und persönlich?
Herre: Ich glaube, musikalisch entwickeln wir uns immer weiter. Das Tolle am Musikmachen ist das lebenslange Lernen. Die Platten werden normal besser und man selbst wird auch immer besser. Man kommt dem, was man ausdrücken will, immer näher. Wie wir uns persönlich entwickelt haben, ist schwer zu sagen. Wir sind ja, wer wir sind. Für uns beide ist erstaunlich zu sehen, dass wir erwachsene Söhne haben und dass wir jetzt uns fühlen, wie wir uns fühlen. Wir sind junge Musiker, die draußen sind und Lust darauf haben, auf Tourneen zu gehen und Platten zu machen. Zum ersten Mal machen wir das alles aber ohne Erziehungsauftrag, weil die Kinder aus dem Haus sind. Das ist eine neue Lebensphase, die ich genieße und die mich erstaunt.
Denalane: Wir hören uns sicher besser zu und können uns auch wesentlich mehr Raum geben. Wir wissen, wo wir uns in Ruhe lassen. Es ist toll, nach 25 Jahren sagen zu können, dass ich mit meinem Mann noch so viele verliebte Momente mit meinem Mann habe. Vor 25 Jahren wussten wir nicht, dass es in 25 Jahren so schön ist und sich so gut anfühlt. Findest du das nicht auch großartig
Herre: Absolut sogar.
Denalane: Unlängst sind wir in den Tourbus gestiegen und dort sind ja wahnsinnig enge Betten. Wir haben jeder eines, aber ich habe mich morgens zu ihm in die Koje gelegt und gekuschelt. Wir haben geflüstert, während die anderen um uns herum schliefen. Solche Momente finde ich schon erstaunlich. Da wird mir erst bewusst, was das nach 25 Jahren noch für ein Geschenk ist.

(Bild: Andreas Graf)

„Krone“: Erstaunlich ist diese Nähe in privater und musikalischer Hinsicht.
Herre: Das ist nicht zu trennen, weil wir uns ja als Musiker kennen und lieben gelernt haben. Die Musik war immer ein zentrales Lebensmotiv, darüber haben wir uns auch stets definiert. Es ist auch ein großes Privileg, dass wir das so machen dürfen. Wir befinden uns noch immer auf der Suche und lassen uns überraschen, wo die Amplitude ausschlägt. Wofür brennen wir? Was wollen wir erleben? Was wollen wir machen? Mit wem wollen wir es umsetzen? Diese Gedanken sind schön und fördern auch unsere Beziehung.

„Krone“: Wie gehen eure Kinder mit dem Album ihrer Eltern um?
Herre: Ich glaube, sie sind viel objektiver, als man sich das vielleicht vorstellt. Sie hören sich die Musik an und bewerten sie dann. Es gibt hie und da mal eine Frage oder eine Hinterfragung, was das Inhaltliche betrifft, aber wir reden eher über die musikalischen Aspekte. Das macht auch Spaß, weil beide musikaffin sind. Einer ist selbst Musiker geworden, der andere kennt sich auch sehr gut aus. Sie kennen es auch nicht anders, als Eltern zu haben, die ihre Geschichten erzählen und ihre Leben in Form von Songs verhandeln.
Denalane: Manche Songs finden sie sehr cool, andere sind dann auch nicht am Album gelandet, weil sie die Qualitätskontrolle nicht passiert haben. (lacht) Sie sind sehr direkt in ihrem Feedback, aber das ist auch erwünscht, weil es uns selbst hilft.

„Krone“: Ihr kennt das Gegenbeispiel gar nicht, aber wenn man zu zweit ein Leben im Rampenlicht verbringt, ist das nicht immer leicht, oder? Muss man da auf viele Dinge verzichten, die einem wichtig wären?
Herre: Man muss sich halt schützen, aber das müssen alle Prominentenpaare und wir haben das von Anfang an gemacht. Wir kommen aus der Generation „MTV“ und „VIVA“ und waren wirklich überall. Uns war relativ früh klar, dass wir gerne zusammen Musik machen und auf die Bühnen, nicht aber in jede Form des Rampenlichts wollen. Wir wollten als privates Paar nie öffentlich sein und sind auch nicht auf Galas gegangen oder haben den roten Teppich beschritten. Das war eine bewusste Entscheidung. Wenn wir gemeinsam Interviews gaben, ging es immer vor allem um unsere Arbeit und die Musik. Wir haben unabhängig davon nie das Rampenlicht gesucht.

„Krone“: Früher musstet ihr euch durch die Kindererziehung die Arbeit aufteilen. Einer war daheim, der andere kreativ. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch – ihr musstet die Kreativität forcieren, weil das Zeitkorsett sehr eng war.
Herre: Ja, aber das empfinde ich auch als normal. Jeder Autor wird dir sagen, dass er aufsteht und dann von 9 bis 16 Uhr im Büro sitzt und an seinem Buch schreibt. Klar, man muss sich sehr gut organisieren, aber das ist bei anderen nicht viel anders.
Denalane: Ich finde, man muss sich dringend Inseln schaffen, auf denen man experimentieren kann. Wenn man das nicht tut, dann kommt nichts raus. Wir hatten aber immer einen guten Weg und nie Probleme mit dieser Aufteilung.
Herre: Das haben wir sehr früh lernen müssen. In unsere Beziehung hinein wurden wir sehr schnell Eltern und haben sofort gemerkt, dass wir das mit Leib und Seele sein wollen - dafür musst du dich dann gut organisieren – dann war schnell die Einteilung klar. Einer kümmert sich um das Album, der andere um die Familie.
Denalane: Wir haben sehr unterschiedliche Biorhythmen, aber eine Sache haben wir gemein: Die guten Sachen entstehen bei uns nicht zwischen 23:30 und 4 Uhr morgens.

„Krone“: Wichtig, dass das für beide gilt.
Denalane: Es gibt Künstler, die können nur arbeiten. Das wäre völlig konträr zu einem Familienleben und nicht machbar. Bei uns war das nie der Fall.

(Bild: Andreas Graf)

„Krone“: Ist eine wichtige Erkenntnis aus 25 Jahren Beziehung, dass es vielleicht gut ist, nicht alles gemeinsam zu haben?
Herre: Wir sind schon auch sehr unterschiedlich und dass man dann eigene Räume und Bereiche für sich hat, ist klar. Ich war zum Beispiel immer wieder mal ein paar Wochen weg, um in Ruhe zu texten und mich darin fallenzulassen. Ich genieße es auch sehr, wenn Joy mal allein zu Hause ist. Freiräume sind für uns sicher essenziell.

Noch einmal live in Wien
Nach dem Erfolgskonzert in der Wiener Arena kommen Max Herre und Joy Denalane aka Max & Joy mit ihrem Album „Alles Liebe“ auch im Sommer 2025 zu uns. Am 20. Juli spielen sie in Open-Air-Konzert in der Wiener Arena. Unter www.oeticket.com gibt es Karten und alle weiteren Informationen.

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