„Brauchtum“ auf Borkum

Frauen von „Perchten“ mit Kuhhörnern verdroschen

Ausland
05.12.2024 12:02

Auf der deutschen Nordseeinsel Borkum werden Frauen am 5. Dezember mit Kuhhörnern verdroschen. Das Schlagen gilt als Brauchtum zum Fest des „Klaasohm“. Eigentlich sollte der Bekanntheitsgrad der umstrittenen Veranstaltung gering gehalten werden, doch jüngste Berichte machten dem einen Strich durch die Rechnung.

„Klaasohm“ leitet sich von den Worten Ohm (Onkel) und Klaas (Klaus) ab. Das Treiben, das sich – wie der Krampustag in Österreich – auf Borkum jährlich am 5. Dezember abspielt, erinnert an die Perchten hierzulande. Dabei verkleiden sich junge Männer mit Masken und Fellen als Fabelwesen. Sie haben Kuhhörner bei sich und machen mit diesen Jagd auf Frauen. Wird eine erwischt, gibt es Schläge.

„Lustig“ finden das bei weitem nicht alle Bewohnerinnen und Bewohner der Insel. In Berichten der ARD und des Norddeutschen Rundfunks (NDR) kommen Frauen zu Wort, die von Hämatomen und starken Schmerzen berichten. Der Brauch sei „beklemmend, beschämend, bedrückend“. Auch ein Mann, der vor etwa zehn Jahren selbst als Klaasohm zugeschlagen hat, meldet sich zu Wort. Er habe „zugehauen, so fest wie ich konnte.“ Es sei „wie ein Rausch gewesen“, man sei „der Größte an dem Abend“.

Ein Klaasohm auf Borkum (Bild: glomex)
Ein Klaasohm auf Borkum

Klaasohm: „Mädels haben gehumpelt“
Am nächsten Tag „war man stolz, wenn man die Mädels gesehen hat und die gehumpelt haben.“ Den Berichten nach soll die umstrittene Tradition auf die Zeit der Walfänge zurückgehen. Als die Männer nach Monaten auf hoher See heimkamen, sollen sie ihren Frauen gezeigt haben, wer jetzt wieder das Sagen im Haus habe.

Der Verein nimmt bis heute nur Männer auf und hat bisher ersucht, keine Videos von der Veranstaltung in sozialen Medien zu verbreiten. „Damit Klaasohm den Borkumern als höchster Feiertag und identitätsstiftendes Fest auch erhalten bleibt, muss der Bekanntheitsgrad gering gehalten werden“, stand bereits 1830 im Verein Borkum. Diesmal ist das durch die jüngsten deutschen Medienberichte nicht mehr möglich.

Hier sehen Sie ein Posting des Journalisten Jan-Henrik Wiebe zu Klaasohm.

Demonstration für Erhalt
Diese lösten sowohl Empörung als auch Festhalten am Klaasohm aus. So demonstrierten am Sonntag auf Borkum beispielsweise ungefähr 200 Frauen für den Erhalt des Brauchs. Zum Teil wurde Frauen empfohlen, am 5. Dezember einfach zu Hause zu bleiben, sollten sie kein Risiko eingehen wollen.

Auch der parteilose Bürgermeister Jürgen Akkermann versteht die Aufregung nicht. So würden nur „einzelne Menschen“ Fehlverhalten an den Tag legen, die Insel als Ganzes toleriere Gewalt aber nicht. Frauen, Männer und Kinder sollen sowohl auf den Straßen als auch in den Lokalen und Häusern gemeinsam feiern.

Zitat Icon

An keinem Tag im Jahr darf es so sein, dass Frauen aus Angst vor Hieben zu Hause bleiben und sich nicht auf die Straße trauen.

Christine Arbogast, Staatssekretärin im Sozialministerium

Verein entschuldigte sich
Die niedersächsische Staatssekretärin im Sozialministerium, Christine Arbogast, sagte hingegen: „An keinem Tag im Jahr darf es so sein, dass Frauen aus Angst vor Hieben zu Hause bleiben und sich nicht auf die Straße trauen.“ Auch im Netz hagelte es viel Kritik. „Hier wird klar, warum es immer noch klare Kante gegen Sexismus braucht. Warum Feminismus wichtig ist“, schrieb beispielsweise ein Nutzer auf der Plattform X. Das „Kollektiv Inselsturm“ hat dazu aufgerufen, am heutigen Donnerstag nach Borkum zu fahren und dort gegen „patriarchale Gewalt und für eine solidarische Gesellschaft“ zu protestieren.

Der Verein Borkumer Jungens hat sich vor einigen Tagen entschuldigt und erklärt, sich von „jeder Form der Gewalt gegen Frauen“ zu distanzieren. „Wir als Gemeinschaft haben uns klar dazu entschieden, diesen Aspekt der Tradition hinter uns zu lassen und den Fokus weiter auf das zu legen, was das Fest wirklich ausmacht: den Zusammenhalt der Insulanerinnen und Insulaner“, heißt es.

Hier sehen Sie eine Stellungnahme des Vereins und einen Plan von der Insel.

Die Polizei Borkum hat angekündigt, bei Klaasohm mit zahlreichen Kräften im Einsatz zu sein. Körperverletzungen würden erst nach 20 bis 30 Jahren verjähren, sagte ein Sprecher. Die Polizei auf der Nordseeinsel steht derzeit ebenfalls in der Kritik. Wie könne man jahrelang öffentliche Gewalt gegen Frauen nicht bemerken, heißt es etwa. Auf der niedersächsischen Insel würden nur 5000 Menschen leben.

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