Er war einer der größten Sporthelden Österreichs. Sein Meisterstück lieferte der Wiener Radprofi Max Bulla 1931 ab, als er drei Etappen der Tour de France gewann. Nun haben die Sporthistoriker Matthias Marschik und Rudolf Müllner sein Leben bis ins Detail rekonstruiert. Mittwoch Abend wurde in Wien ihr Buch „Max Bulla, Radrennfahrer“ präsentiert.
Zwei Jahre Arbeit investierten die Autoren. Sie tauchten in diverse Archive ein, lasen Hunderte Zeitungsausschnitte, erhielten von Max Bullas Sohn Michael viele Informationen. Für die Recherche der zahlreichen Bilder fuhren Marschik und Müllner u.a. nach Frankreich, wurden dort bei der Sport-Tageszeitung L’Équipe und in der französischen Nationalbibliothek fündig.
Als Kind passte Bulla den dänischen König ab
Zahlreiche Gäste verfolgten Mittwoch im „Star Bike“ im zweiten Bezirk gebannt die Präsentation. Sie erfuhren, dass Bulla seine drei Tour de France-Etappen als Privatfahrer ohne Teamunterstützung („tourist routier“) gewann, bei seinem Gesamtsieg bei der ersten Tour de Suisse erst eine Stunde vor dem Start mit dem Nachtzug ankam und wie er schon als Kind mit dem Rad in Kopenhagen den dänischen König abpasste, um ihn um eine Verlängerung seines Erholungsaufenthalts nach dem ersten Weltkrieg zu bitten.
Der Erfinder der Tour de France ließ Bulla hochleben
Die Tour de France 1931 war der Karriere-Höhepunkt. Schon am zweiten Tag der 25. Auflage der Tour gelang dem Wiener eine Sensation. Auf der Flachetappe von Caen nach Dinan siegte Bulla mit einer Fahrzeit von sechs Stunden, 37 Minuten und vier Sekunden vor allen Assen der favorisierten Nationalteams und schlüpfte in das Gelbe Trikot. Henri Desgrange, Chefredakteur der französischen Sportzeitung „LÀuto“ und Erfinder der Tour de France, würdigte diesen Erfolg auf der Titelseite seines Blatts. Es sei, „wenn ihn sein Gedächtnis nicht täusche“, das erste Mal, dass ein „tourist routier“ das gelbe Trikot erobert habe. Dies sei aber keine Überraschung, weil der Wiener beachtliche Qualität und im Rennen die entscheidende Initiative ergriffen habe.
Allein gegen die Phalanx der Elite der Straßenfahrer der Welt
Der Erfolg auf der zwölften Etappe von Montpellier nach Marseille schlug sich auch in der österreichischen Presse in ausschweifenden Elogen nieder. Dabei ließen die Kommentatoren kaum einen Superlativ aus. Betont wurden die zu bewältigende „Gluthitze“ und insgesamt die „heroische Leistung, wenn ein einzelner, ganz auf sich selbst gestellt, in einem solchen gigantischen und nervenzermürbenden Ringen, gegen eine Phalanx der Elite der Straßenfahrer der Welt, denen jede nur mögliche Unterstützung zu teil wird, so große Erfolge zu verzeichnen hat.“
Im Zielsprint den späteren Gesamtsieger abgehängt
Der dritte Tagessieg gelang Bulla bei der 17. Etappe, eine sehr anspruchsvolle 230 Kilometer lange Bergetappe von Grenoble nach Aix les bains, die unter anderem über den 2658 Meter hohen Col de Galibier führte. Entschieden wurde sie in einem Zielsprint, in dem Bulla den späteren Gesamtsieger Antonin Magne schlug. Spätestens ab diesem Zeitpunkt stand der spätere Erfolg des Wieners in der „Touristenwertung“ so gut wie fest.
1931: Max Bulla (drei Etappen)
2005: Georg Totschnig (eine Etappe)
2021: Patrick Konrad (eine Etappe)
2023: Felix Gall (eine Etappe)
Marschik unterstreicht: „Bulla hatte als Privatfahrer keinen Mechaniker zur Unterstützung. Im Ziel half ihm niemand. Und danach musste er auch noch Essen und Unterkunft organisieren.“ Müllner ergänzt: „Wenn man sieht, die schlecht die Straßen damals waren und die Räder natürlich noch nicht so gut wie heute waren, erscheinen seine Leistungen noch außergewöhnlicher.“
Geboren am: 26. September 1905 in WIen
Gestorben am: 1. März 1990 in Pitten
Größte Erfolge in seiner 26-jährigen Radprofi-Karriere: drei Etappensiege bei der Tour de France 1931, Gesamtsieg und zwei Etappensiege bei der ersten Tour de Suisse 1933, zwei Etappensiege bei der Vuelta 1935.
Über das Radfahren auch das private Glück gefunden
Beruflich hatte der 1905 geborene Bulla eine Kürschnerlehre absolviert und sich als Zeitungsauslieferer mit dem Fahrrad Geld dazu verdient. Dieser Nebenerwerb führte ihn zum Radsport und zum privaten Glück. Denn über einen Klubkollegen beim SC Grandhotel lernte Bulla seine spätere Frau Josefine Sapletan, die selbst Radrennfahrerin war, kennen. Als „Allrounder“ fuhr er neben großen Rundfahrten und Eintagesrennen über lange Distanzen auch Bergrennen, Kriterien und startete oft auf der Bahn, von Sprintrennen bis zum Sechstage-Bewerb.
Bulla schrieb Postkarten und Briefe an die „Kronen-Zeitung“
Von seinem Freund Franz „Ferry“ Dusika übernahm er den persönlichen Kontakt zu den Medien. So schrieb er zum Beispiel der damaligen „Kronen-Zeitung“ Postkarten und Briefe. Ein solcher Brief sei hier wiedergegeben: „Liebe Kronen-Zeitung. Seit Jänner war ich unten im sonnigen Süden, meine Frau und mein Bub sind auch jetzt noch in Juan les Pins, wo wir ein kleines Häuserl gemietet haben. Meine Wenigkeit kommt natürlich immer nur auf einen Abstecher zu Besuch, denn das Leben des Professional-Radrennfahrers ist ja, wie du weißt, sehr unstet. Aber ich bin mit meinem Los zufrieden, denn ich habe immer schöne Erfolge und was die Hauptsache ist, es tragt auch a bisserl was.“ Weiters betonte Bulla in dem Brief: „Ich denke oft an Wien und die Wiener, besonders, wenn ich die Kronen-Zeitung lese. Für meine Frau ist die tägliche Kronen-Zeitung die höchste Freude. An ihr hast du wohl eine der aufmerksamsten Leserinnen.“
Noch als 67-Jähriger mit Dusika von Wien nach Marrakesch geradelt
Nach seiner 26-jährigen Karriere war als Manager, Radsportartikelhändler, Veranstalter, Berater und Experte tätig. Und er blieb bis ins hohe Alter sehr aktiv. An seinem 60. Geburtstag fuhr Bulla 1965 die Strecke seines ersten Profisiegs (von Schwechat nach Fischamend und retour) um vier Minuten schneller als damals. Und im Jahr 1973 radelte er mit Franz Dusika 5500 Kilometer von Wien nach Marrakesch. Noch Anfang der 80er-Jahre erzählte Bulla, niemals krank zu sein, er kenne „nicht einmal ein Taschentuch“. 1984, kurz nach dem Tod von Franz Dusika, erlitt Bulla einen Schlaganfall. Im März 1990 starb die österreichische Radlegende im Alter von 84 Jahren.
Buchtipp: Matthias Marschik, Rudolf Müllner: „Max Bulla, Radrennfahrer“. Verlag Brüder Hollinek. 187 Seiten. 39 Euro.
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