Vormarsch in Syrien
Islamisten offenbar auch in Hama eingedrungen
Nach einem kurzen Rückschlag am Mittwoch konnten syrische Rebellen nun offenbar in die strategisch wichtige Stadt Hama eindringen. Am Donnerstag seien die Kämpfer „von mehreren Seiten aus nach Hama eingerückt“ und lieferten sich „in mehreren Stadtvierteln Straßenkämpfe mit Truppen des (Assad-)Regimes“, erklärte die in London ansässige Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
Das syrische Militär räumte ein, die Kontrolle über die Stadt verloren zu haben. Man ziehe die Truppen zurück an den Rand der Stadt, um „das Leben von Zivilisten zu schützen und Kämpfe in der Stadt zu verhindern“, hieß es. Nach eigenen Angaben nahmen die Kämpfer ein großes Gefängnis in der Stadt ein und ließen Insassen frei. „Unsere Streitkräfte sind in das Zentralgefängnis von Hama eingedrungen und haben Hunderte zu Unrecht inhaftierte Gefangene befreit“, erklärte Hassan Abdel Ghani, ein militärischer Führer der islamistischen Kämpfer, im Onlinedienst Telegram.
Zuvor hatten Aktivisten berichtet, dass die islamistische Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) die Verbindungsstraßen zwischen Hama und Rakka bzw. zwischen Hama und Aleppo abgeschnitten haben. Auch drei Dörfer östlich von Hama seien eingenommen worden.
Die Stadt Hama im westlichen Zentrum von Syrien liegt zwischen Aleppo im Norden und Damaskus im Süden und ist für den Schutz der rund 220 Kilometer entfernten Hauptstadt von großer Bedeutung. Die Regierung von Machthaber Baschar al-Assad hatte versucht, den Vormarsch auf Hama zu stoppen und Truppen zur Verstärkung geschickt.
Rebellen versprechen, religiöse Minderheiten zu schützen
Unterstützt werden Assads Truppen vom russischen Militär und von schiitischen Milizen, die wiederum vom Iran protegiert werden. Der Iran und Russland sind die engsten Verbündeten des syrischen Präsidenten. Mächtigste Gruppe unter den Rebellen ist die HTS, der ehemalige Al-Kaida-Ableger in Syrien. Ihr Anführer Abu Mohammed al-Golani hat zwar versprochen, die religiösen Minderheiten zu schützen, doch gibt es große Sorgen wegen der Aufständischen. Eine Eroberung von Hama eröffnet den Rebellen die Möglichkeit für einen Vorstoß auf Homs, die wichtigste Stadt in Zentralsyrien.
Mitte vergangener Woche hatte eine Allianz von Aufständischen unter der Führung von HTS eine Offensive im Nordwesten Syriens begonnen und am Wochenende die Kontrolle über Aleppo übernommen, die zweitgrößte Stadt des Landes. Die Frontlinie hat sich nun rund 130 Kilometer südlich um die Stadt Hama verschoben. Laut der Beobachtungsstelle kamen bei den jüngsten Gefechten inzwischen mehr als 570 Menschen ums Leben, unter ihnen auch knapp 100 Zivilisten.
Experte sieht Minderheiten gefährdet
Der deutsche Nahost-Experte und frühere deutsche Botschafter in Damaskus, Andreas Reinicke, sieht nach dem Wiederaufflammen des Bürgerkriegs die Zukunft der christlichen und kurdischen Minderheiten in Syrien gefährdet. Die HTS-Miliz habe sich zwar von den brutalen Praktiken der Terrororganisation Islamischer Staat distanziert, dennoch sei die Miliz in der Ideologie der Al-Nusra-Front, einer Abspaltung von Al-Kaida, fest verwurzelt, sagte der Direktor des Deutschen Orient-Instituts der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
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