„Jede Sekunde zählt!“ Ausgerechnet in der (angeblich) stillsten Zeit des Jahres beschert uns das Linzer Theater Phönix eine Stückentwicklung mit dem Titel „Tempo“. Nestroy-Preisträger Felix Hafner inszenierte kein Wohlfühldrama, sondern ein cleveres Stück über unsere rasante Zeit – sehr sympathisch.
Die Welt dreht sich immer schneller, alles muss noch mehr optimiert werden, noch höher, noch rasanter, noch besser, noch perfekter. Kommt uns bekannt vor, oder? Regisseur und Nestroy-Preisträger Felix Hafner hat gemeinsam mit dem Ensemble des Linzer Phönix ordentlich an der „Tempo“-Schraube gedreht.
Die Uhr läuft – tatsächlich wird im industriell-schicken Bühnenbild (Jenny Schleif) sichtbar jede Sekunde angezählt, denn die SchauspielerInnen haben die Aufgabe, das Stück in genau einer Stunde, 28 Minuten und 34 Sekunden abzuspulen.
Mitlaufen im Zeit-Experiment
Martin Brunnemann, Gina Christof, Karina Pele, Melanie Sidhu und Lukas Weiss tänzeln wie Boxer in Rennfahreranzügen auf die Bühne, wärmen sich auf für das Zeit-Experiment.
Was folgt ist eine bemerkenswerte Auseinandersetzung mit den Faktoren Tempo, Geschwindigkeit, Stress – und das alles zumindest in Labor-Perfektion. Gelegentlich überrollt einen aber diese Textlawine, der zu folgen man selbst als Zuschauer da und dort ins Hecheln kommt.
Teils eine Textwulst
Als Publikum muss man schon sehr genau zuhören – und darf die DarstellerInnen bewundern. Für diesen Textwulst, aber auch wie sie in der Choreografie von Vasna Aguilar über die Bühne wuseln: als Wissenschaftler, Fluglotsinnen, ArbeiterInnen. Allen gemeinsam scheint das Zappelphilipp(a)-Syndrom. Beim Thema „Zeitreise“ heißt es irgendwann im Text einmal „Das wird dann alles extrem kompliziert“. Wie wahr!
Drums geben Takte vor, Playback ist spitze
Zusätzlich angetrieben wird das „Tempo“ von den beiden Schlagzeugern Moritz Jakob Lindner und Matthäus Schnöll vom Institut für Jazz und Improvisierte Musik der Linzer Bruckner-Uni. Die beiden geben buchstäblich den Takt vor (Komposition Herbert Pirker), sehr selbstbewusst, durchaus vielseitig und gar nicht leise.
Außerdem holen sie sich mit einer komödiantischen Playback-Nummer zu Whitney Houstons „One Moment In Time“ noch extra Sympathiepunkte ab. Zurecht!
„Tempo“ – oder wie es im Untertitel heißt „Ein Stück Rhythmus“ – ist ein cleveres Stück zur Zeit, kein Christmas-Wohlfühl-Drama, aber eine Produktion über die sich trefflich debattieren lässt und die ganz schön lange nachwirkt. Man kann über Theater wenig Besseres behaupten.
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