Lage spitzt sich zu
Rebellen in Syrien kreisen Hauptstadt Damaskus ein
Immer mehr Städte in Syrien fallen in Rebellenhand. Nach der Blitzoffensive der Dschihadisten droht Machthaber Bashar al-Assad eine entscheidende Schlacht. Die Luft wird für den Machthaber immer dünner: Assads Familie flüchtete bereits vor Tagen nach Russland. Der Diktator selbst soll sich noch im Land befinden. Samstagvormittag eroberten Jihadisten eine Stadt auf Golan nahe der Grenze zu Israel, am Nachmittag kreisten sie die Hauptstadt Damaskus ein.
- Immer mehr Städte fallen in Rebellenhand. Aufständische Islamisten haben – eigenen Angaben nach - die Stadt Quneitra nahe der Grenze zu Israel eingenommen. Quneitra liegt auf dem syrisch kontrollierten Teil der Golanhöhen im Südwesten des Landes. Das geschehe, um „die Verteidigung in dem Gebiet zu verstärken und die Streitkräfte auf verschiedene Szenarien vorzubereiten“.
- Die Regierungstruppen von Assad hätten sich aus den rund zehn Kilometer südwestlich von Damaskus gelegenen Städten zurückgezogen, „die von lokalen Kämpfern eingenommen wurden“. Erste Vororte der Stadt sollen bereits erobert worden sein (siehe Tweet unten).
- Assads Frau und die gemeinsamen drei Kinder sollen bereits vor mehreren Tagen nach Russland geflohen sein, berichtet das „Wall Street Journal“. Sein Schwager soll sich in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufhalten.
- Regierungstreue Milizen sind auch weiter in Homs, der drittgrößten Stadt Syriens, stationiert. Sie verfolgt das Kriegsgeschehen im Land mit einem Netz aus Informantinnen und Informanten. Die Orte Talbiseh und Rastan in der Nähe von Homs seien bereits eingenommen worden.
Stadt für Sieg entscheidend?
Homs ist ein Knotenpunkt zwischen der Hauptstadt Damaskus, den Küstenregionen und dem Norden des Landes. Ungefähr 1,5 Millionen Menschen leben dort. Die Stadt war lange ein symbolischer Schauplatz des Widerstands im Bürgerkrieg. „Wer die Schlacht mit Homs gewinnt, wird Syrien regieren“, meint der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel-Rahman, gar.
Islamisten teilten am Freitagabend mit, die Außenbezirke von Homs erreicht zu haben. Sie riefen die Streitkräfte der syrischen Armee auf, überzulaufen. Auch die Einwohner sollen sich ihnen nach erheben und der Revolution anschließen. „Eure Zeit ist gekommen“, appellierte die Gruppe.
- Die Kontrolle über die symbolträchtige Stadt Daraa im Südwesten des Landes hat al-Assads Regierung hingegen verloren. „Lokale Gruppierungen haben weitere Gebiete in der Provinz Daraa eingenommen, einschließlich der Stadt Daraa“, meldete die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am späten Freitagabend.
Islamistische Kämpfer und weitere kontrollierten nun mehr als 90 Prozent der gleichnamigen Provinz, da sich die Regimekräfte sukzessive zurückgezogen hätten, hieß es seitens der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Syrian Observatory for Human Rights/SOHR). Daraa galt zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs 2011 als Oppositionshochburg.
- Die russische Luftwaffe hat unterdessen gemeinsam mit syrischen Kampfflugzeugen nach eigenen Angaben Stellungen und Munitionsdepots der Rebellen zerstört – in den Provinzen Idlib, Hama und Aleppo. 200 Terroristen und Dutzende Einheiten Militärtechnik seien „vernichtet“ worden, sagte ein Luftwaffenoffizier. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Der Krieg in Syrien hatte 2011 mit Protesten gegen die Regierung Assads begonnen und mündete in einen Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung. So verfolgen die Regierungen Russlands, des Iran, der Türkei und der USA eigene Interessen. Am 27. November flammte der Krieg mit der Offensive der Islamisten-Allianz Haiat Tahrir al-Sham (HTS) plötzlich wieder auf. In kürzester Zeit nahm die Gruppe viel Gebiet ein – teils komplett kampflos.
1,5 Millionen Flüchtlinge befürchtet
Am vergangenen Sonntag fiel die zweitgrößte syrische Stadt Aleppo. Das Bündnis plant den Sturz der syrischen Regierung. Laut UNO-Schätzungen kamen bisher mehr als 300.000 Zivilpersonen ums Leben. Ungefähr 14 Millionen Menschen wurden seit Kriegsbeginn 2011 vertrieben.
Nun rechnen die Vereinten Nationen mit bis zu 1,5 Millionen weiteren Flüchtlingen. „Die meisten der Vertriebenen sind Frauen und Kinder. Unsere Kollegen von der humanitären Hilfe berichten uns, dass inzwischen Zehntausende Menschen im Nordosten Syriens angekommen sind“, sagte UNO-Sprecher Stéphane Dujarric am Freitag. Viele Notunterkünfte würden bereits an ihre Grenzen stoßen, Menschen auf der Straße oder in ihren Autos schlafen.
Die aktuellen Kämpfe sind die intensivsten seit vier Jahren. Eine politische Lösung ist seit Jahren nicht in Sicht.
Zwölf Jahre nach Entführung Lebenszeichen von US-Reporter
Hoffnung indes gibt es im Fall des seit zwölf Jahren in Syrien entführten Journalisten Austin Tice. Seine Mutter soll ein Lebenszeichen von ihm erhalten haben.
Tice, ein ehemaliger US-Marine und freiberuflicher Journalist, wurde 2012 verschleppt, als er in Damaskus über den Aufstand gegen Syriens Präsidenten Bashar al-Assad berichtete. Er war zu diesem Zeitpunkt 31 Jahre alt. Bisher hat sich niemand zu der Entführung bekannt. Der Nationale Sicherheitsberater der USA hat sich in den Fall eingeschaltet.
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