Ab 2025 ändert für die Justiz in Bezug auf die Sicherstellung von Datenträgern einiges. Das Prozedere wird deutlich aufwendiger und komplexer. Selbst die Europäische Staatsanwaltschaft hält das für „überschießend“ – und kritisiert die Neureglung deutlich.
„Salopp gesagt stellt sich die Frage, ob nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird“, so der stellvertretende Europäische Generalstaatsanwalt Andrés Ritter über die für Mittwoch im Nationalrat geplante Neuregelung der Sicherstellung von elektronischen Datenträgern. Er frage sich, ob man hier nicht über die Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs hinausgehe, aufgrund derer das Gesetz geändert wird.
Speziell die Regelung, wonach die Staatsanwaltschaft künftig schon im Vorhinein Dateninhalte umschreiben muss, die sie auf dem Handy sucht, ist für Ritter problematisch: „Man hat ja keine Kristallkugel.“
Am Anfang einer Ermittlung könne man noch nicht wissen, was am Datenträger sei und welche Social-Media- oder WhatsApp-Inhalte gefunden werden könnten. „Als Konsequenz heißt das, dass man Beschlüsse so umfassend wie möglich fassen muss, damit alles beinhaltet wird, sonst braucht man ständig neue Beschlüsse.“
Staatsanwalt sieht wenig Mehrwert
Für Ritter wäre statt einer Vorab-Bewilligung durch ein Gericht auch eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle ausreichend gewesen, was laut neuer Regelung nur bei Gefahr in Verzug möglich ist – etwa wenn droht, dass ansonsten der Datenträger bzw. die Daten verloren gehen, oder wenn ein flüchtiger Beschuldigter so gefunden werden kann.
Natürlich müsse ein Schutz der Persönlichkeitsrechte laut Ritter gewährleistet werden: „Aber man muss auch für eine effiziente Strafverfolgung sorgen.“ Eine moderne Strafverfolgung sei ohne die Beschlagnahme von Datenträgern nicht vorstellbar – dies aber einem umfassenden Verfahren zu unterziehen, verlängere nur die Verfahren und eröffne viele Streitfälle ohne Mehrwert.
Die Europäische Staatsanwaltschaft ist eine unabhängige Stelle der EU. Zuständig ist sie für die strafrechtliche Untersuchung und Verfolgung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union. In diesem Zusammenhang hält Ritter auch die neue Zuständigkeit des Rechtsschutzbeauftragten im Justizministerium für die Kontrolle der Verfahren als problematisch. Einerseits sei dieser im Ministerium angesiedelt und nicht in der Justiz, und andererseits sollte dieser nach dem Letztstand auch für Anträge der Europäischen Staatsanwaltschaft zuständig sein. Das würde aber EU-Recht widersprechen.
Ebenfalls überschießend ist für Ritter, dass Beschuldigte in größeren Verfahren künftig ein Recht auf Abtrennung „ihrer“ Verfahren bekommen. Gerade bei den komplexen Ermittlungen der Europäischen Staatsanwaltschaft komme man manchmal auf 50 Beschuldigte – das würde dann 50 verschiedene Verfahren bedeuten. „Die Verfahren werden dann länger und schwerer, und das ohne Not.“
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