Rückkehr ins Leben

Fußballer Dimov traf erstmals seinen Schutzengel

Wien
12.12.2024 11:30

Über ein Jahr nach seinem schweren Unfall auf dem Spielfeld hat sich der frühere Kapitän des Wiener Sport-Clubs, Philip Dimov, zurück ins Leben gekämpft. Dass er diese Chance überhaupt wahrnehmen konnte, verdankt er einem Sanitäter, der an diesem Tag eigentlich nur Fußballfan sein wollte.

Für den passionierten Sport-Club-Fan Konstantin Klein war das Spiel gegen TWL Elektra am 14. Oktober 2023 am Favoritner Raxplatz ein Pflichttermin. Was der Notfallsanitäter der Wiener Berufsrettung beim Anpfiff noch nicht wusste: 14 Minuten später würde er die wichtigste Person auf dem Spielfeld sein – nach einem fatalen Zusammenstoß von Sport-Club-Kapitän Philip Dimov mit einem Gegenspieler.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Klein erkannte sofort, dass die Lage ernst war. Dimov hatte nicht nur sofort das Bewusstsein verloren, er zeigte alle Anzeichen eines lebensgefährlichen Schädel-Hirn-Traumas. Und Klein wusste, dass nun die Uhr der „goldenen Stunde“, wie Notfallmediziner sie nennen, zu ticken begonnen hatte: Jede Sekunde zählt und kann zwischen Leben und Tod entscheiden. Dimovs Glück im Unglück: Klein hat auch die NKI-Ausbildung der Wiener Berufsrettung, die höchste gesetzliche Ausbildungsstufe Österreichs. Das bedeutet, dass er alles über Beatmung und Intubation weiß. Er stürmte auf das Spielfeld.

Die personifizierte perfekte Rettungskette (von links): Flugretter Franz Eichinger, der ersteintreffende Sanitäter am Rettungswagen Nicolas Neuwirth, Philip Dimov, Ersthelfer Konstantin Klein und Field Supervisor Ronald Kopta  (Bild: Berufsrettung Wien)
Die personifizierte perfekte Rettungskette (von links): Flugretter Franz Eichinger, der ersteintreffende Sanitäter am Rettungswagen Nicolas Neuwirth, Philip Dimov, Ersthelfer Konstantin Klein und Field Supervisor Ronald Kopta 

Klein setzte sofort per Handy die Rettungskette in Gang und schilderte den Ernst der Lage. Neben dem Rettungswagen wurde wie bei allen akut lebensbedrohlichen Ausnahmesituationen in Wien auch ein Field Supervisor und die Flugrettung losgeschickt. Während ihm Helfer sein eigenes Handy weiter ans Ohr hielten, leistete er auf dem Spielfeld Erste Hilfe und hielt mit dem Esmarch-Handgriff die Atemwege des bewusstlosen Fußballers frei. Minuten darauf trafen fast zeitgleich Rettungswagen, Field Supervisor und Hubschrauber ein – und wenig später war Dimov bereits im Spital.

Entscheidende Sekunden

Die Überlebens- und Genesungschancen nach schweren Schädel-Hirn-Traumata stehen in direktem Zusammenhang mit dem Tempo der Hilfsmaßnahmen. Bis zu ein Viertel der Patienten, denen schnell mit moderner Notfallmedizin geholfen wird, erholt sich wieder. Weiterhin enden derartige Unfälle jedoch für ein Drittel aller Betroffenen tödlich. Rund die Hälfte überlebt, allerdings oft mit schweren Behinderungen oder als dauerhafter Koma-Patient.

Erwachen aus dem Koma als Beginn eines langen Wegs
Für Dimovs Angehörige begannen bange Stunden und Wochen: Zehn Tage lag er im Koma und über ein Monat auf der Intensivstation. Als er wieder das Bewusstsein erlangte, musste sich der Sportler der Wahrheit stellen: Er konnte nicht mehr sprechen und seine Gliedmaßen nicht mehr bewegen. Doch er fasste den Beschluss zu kämpfen. „Reha ist wie Training. Wenn man bis an die Grenzen geht, kommt auch der Erfolg“, schildert er gegenüber der „Krone“ seinen Weg zurück ins Leben, als er sich über ein Jahr später zum ersten Mal persönlich bei seinen Rettern bedanken kann.

Heute kann Philip Dimov wieder lachen. (Bild: Berufsrettung Wien)
Heute kann Philip Dimov wieder lachen.

Es ist ein emotionaler Moment, als Dimov an diesem Dezember-Abend locker in die Garage der Wiener Rettungszentrale bei der Urania schlendert – für die Retter vielleicht sogar noch mehr als für Dimov: Nicht nur Ersthelfer Klein, sondern alle damals Beteiligten haben sich dafür Zeit genommen, und das Lächeln verlässt sie dabei keine Sekunde. Ihre Arbeit ist immer getan, sobald die Spitalsärzte übernehmen. Wie entscheidend ihre Hilfe war, können sie nur selten von Angesicht zu Angesicht erleben, wie in diesem Augenblick.

Auch wenn Dimov mit seinen körperlichen Fortschritten – Sportler bleibt Sportler – noch nicht restlos zufrieden ist: Mental hat ihn seine Erfahrung stärker denn je gemacht. „Sich nicht damit befassen, was nicht geht“, ist sein Motto, mit dem er anderen Mut machen will. Aber habe es denn nie einen Moment der Verzweiflung gegeben? „Eigentlich nicht“, sagt Dimov, und sein Retter Klein feixt: „Daran ist man im Sport-Club gewöhnt.“ Beide lachen, doch dann wird Dimov wieder ernst: Was er geschaft habe, könne „jeder schaffen“. Motivation sie nie ein Problem, wenn man sich vor Augen halte, dass man mit jedem Tag auch über sein ganzes künftiges Leben entscheide.

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