Wurde ein vom Gericht enttarnter Zeuge von der Familie des Angeklagten, ein vermeintlicher Brigade-Kommandant aus Syrien, bedroht? Ein spannender Prozess inklusive Festnahme im Grazer Schwurgerichtssaal.
Grob sind die Vorwürfe gegen einen in Graz lebenden Syrer (59). Kurz gesagt: Er soll von 2013 bis 2014 in Syrien als Kommandant der Löwen-Brigade gekämpft und sich mit dieser an die Terrororganisation al-Nusra angeschlossen haben. Der Verteidiger des Angeklagten bestreitet: „Mein Mandant hat in der Ukraine studiert und dort seine Frau kennengelernt. In Syrien eröffnete er eine Apotheke, seine sieben Kinder sind wohlgeraten. Als der Bürgerkrieg ausbrach, wurden Brigaden zur Verteidigung gegen das Assad-Regime gegründet. Weil er hochgebildet war, wurde er als Anführer gewählt. Eine Waffe hat er nie aktiv bedient, bei Kämpfen war er nie dabei.“ Laut dem Juristen gebe es eine Person, die ihn wegen eines Facebook-Eintrags „angepatzt“ hätte.
Gericht demaskierte anonymen Zeugen
Der Vorsitzende Richter des Schöffen-Senats offenbart aber so einiges: Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, als radikaler Prediger in einer Grazer Moschee und als Scharia-Richter agiert zu haben, außerdem würde er Leute für den Kampf vermitteln. Doch: Die Ermittlungen wurden eingestellt, das Oberlandesgericht ordnete dann an, den Mann zu enthaften. In dessen Beschluss wurde ein anonymer, wesentlicher Zeuge namentlich genannt – fatal!
In seiner Einvernahme weicht der Angeklagte, von dem Bilder in Kampf-Montur vorliegen, Fragen aus: „Es fehlte an Sicherheit, wir mussten die Stadt beschützen. Zum Gruppenführer wurde ich gewählt. Ich kann mich nicht erinnern, mit einer Waffe geschossen zu haben.“ Nach einer kurzen Flucht in die Ukraine kehrte er nach Syrien zurück. Da sei seine Brigade bereits zerbrochen gewesen, einige Männer hätten sich der al-Nusra angeschlossen. Er selbst, der nach der Scharia verheiratet ist, habe mit dem IS nichts am Hut – obwohl der renommierte Gutachter Guido Steinberg seiner Brigade eine enge Verbindung zum Dschihad und dem Islamischen Staat bescheinigt.“
„Du spielst mit deinem Blut und Leben“
Eingeschüchtert betritt anschließend der enttarnte Zeuge den Saal. „Ich möchte nichts sagen, werde bedroht“, betont er. Familienmitglieder des Angeklagten hätten ihn zu Hause „besucht“, eine Nachricht auf Facebook liegt dem Gericht vor: „Du spielst mit deinem Blut und Leben“, inklusive Hinweis, dass der Angeklagte ihn in zwei Teile zerstückeln würde.
Daraufhin reicht es dem Staatsanwalt, er beantragt die sofortige Festnahme des Angeklagten wegen Verdunkelungsgefahr. Dem Antrag wird stattgegeben, die Handschellen klicken, er wird in die Justizanstalt Graz-Jakomini eingeliefert – und es wird vertagt.
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