Mitten auf der Straße
Marsalek wollte berühmten Journalisten abfackeln
Es ist ein aufsehenerregender Prozess gegen eine Gruppe von Bulgaren in Großbritannien. Der Vorwurf lautet auf Spionage für Russland. Gesteuert soll die Bande niemand Geringerer als Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek (44) haben. Wie nun bekannt wurde, sollte ein weiterer berühmter Investigativjournalist brutal ermordet werden – im Auftrag des flüchtigen Österreichers.
Fünf bulgarische Staatsbürger führten zwischen 2020 und 2023 im Auftrag russischer Geheimdienste unterschiedliche Operationen in Großbritannien, Deutschland, Österreich, Spanien und Montenegro durch. In erster Linie sammelten sie Informationen und überwachten Personen sowie Objekte, die für den russischen Staat „von Interesse waren“, berichtet die öffentlich-rechtliche britische Rundfunkanstalt BBC.
Orlin Rusjew (46) und Biser Dschambasow (43) sind geständig. Katrin Iwanowa (33), Wanja Gaberowa (30), und Tichomir Iwantschew (39) müssen sich derzeit am Central Criminal Court in London schweren Vorwürfen stellen.
Im Rahmen des Prozesses trat ans Tageslicht, dass die Angeklagten unter der Führung von Rusjew gearbeitet hätten und dieser wiederum Anweisungen von Marsalek erhalten habe. Der Österreicher habe als „Vermittler für die russischen Geheimdienste“ fungiert.
Chefredakteur von The Insider im Visier
Eines der Ziele war der in Großbritannien ansässige Chefredakteur der russischsprachigen Internetzeitung The Insider, Roman Dobrochotow:
Ende November war bereits bei Gericht bekannt geworden, dass die fünf Bulgaren die Entführung und Ermordung des Investigativjournalisten Christo Grozev geplant hatten.
The Insider
- Russischsprachige Internetzeitung
- Im November 2013 vom Politologen Roman Dobrochotow gegründet
- Führt investigative Recherchen durch, auch in Zusammenarbeit mit Bellingcat, wie etwa zum Giftanschlag auf Alexej Nawalny
- Seit 2023 leitet Christo Grozev die Recherche
Im August 2022 sollen sich Rusjew und Marsalek darüber ausgetauscht haben, Dobrochotow mit einem Boot zu kidnappen. Nach dem fehlgeschlagenen Mordanschlag mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal und dessen Tochter Julia im März 2018 wäre eine erfolgreiche Operation auf dem Boden des Vereinigten Königreichs natürlich fantastisch, schwärmte Marsalek damals.
Junge Frau kooperierte wohl aus Angst
Beschattet haben dürfte Dobrochotow vor allem die angeklagte 33-jährige Katrin Iwanowa. Hierfür habe sie unter anderem eine in einem Schultergurt versteckte Kamera verwendet. Rusjew leitete ihre Beobachtungen an Marsalek weiter und schrieb: „Unser ‚Agent‘ war sehr aufmerksam und hat sogar den PIN-Code des Handys übermittelt.“ Marsalek antwortete mit einem Smiley: „Wahrscheinlich hat sie Angst, dass sie sonst selbst mit Nowitschok vergiftet wird.“
Man sei dann dazu übergegangen, einen Mordanschlag auf den Investigativjournalisten zu planen. Rusjew schlug demnach vor, ihn wie einen „Unfall“ in der Dusche aussehen zu lassen. Doch das war Marsalek „nicht dramatisch genug“.
Morden „wie die Nordkoreaner“
„Vielleicht sollten wir ihn auf der Straße abfackeln, ihn wie die Nordkoreaner mit einer superstarken Säure, etwa mit (dem chemischen Kampfstoff, Anm.) VX besprühen oder mit Rizin vergiften“, schrieb Marsalek. „Ein ‚Unfall‘ unter der Dusche wird die anderen nicht abschrecken. Wir brauchen eine dramatische Geschichte“, kannte der nach wie vor flüchtige Österreicher kein Erbarmen.
Später ruderte der Ex-Wirecard-Vorstand dann aber zurück. Der Grund: Es seien berechtigte Bedenken geäußert worden, dass „wir eine solche Operation nicht mit einem Team durchführen sollten, das so etwas im Aufenthaltsland einiger seiner Mitglieder noch nie zuvor gemacht hat.“
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