„Krone“-Interview

Carpendale: „Die Doku kam mir vor wie ein Tatort“

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13.12.2024 06:00

In der Doku „Durch meine Augen – Mein Vater Howard Carpendale“ (14. Dezember, WDR, 21.45 Uhr) begleitet Wayne Carpendale seinen berühmten Dad neun Monate lang auf Tour und zeigt auch die wenig glamourösen Seiten. Mit der „Krone“ sprachen die beiden über ihre Vater-/Sohn-Beziehung, ein Leben im Rampenlicht und den Kampf gegen den inneren Schweinehund.

„Krone“: Wayne, die Dokumentation nennt sich „Durch meine Augen – Mein Vater Howard Carpendale“. Da du deinen Vater schon sehr lange, sehr gut kennst – was lernen wir durch diese Augen an ihm zu sehen?
Wayne Carpendale: Ich lasse da gleich mal meinen Vater vorangehen.
Howard Carpendale: Der Film ist sehr realistisch und authentisch ausgefallen. Er ist nicht, das, was man von einem Vater-Sohn-Film erwartet. Kein Liebesbrief, sondern eine Dokumentation, ganz ohne Make-Up. Der Film zeigt Dinge, wie sie sind und es gibt viele Momente, wo ich mir gedacht habe: „Oh Gott, das ist jetzt aber nicht so toll“. Wenn man sich im Kino einen Film ansieht, ist der meistens sehr schön geformt, aber wenn man die Darsteller von der Maske befreit und sie ungeschminkt zeigt, dann wird aus diesem Film etwas ganz anderes. Genau das war das Ziel mit diesem Projekt. Als ich die ersten zwei Minuten gesehen habe, kam mir das vor wie ein „Tatort“. Man sieht mich auch einmal mit einer Kappe und dem unrasierten Dreitagebart – ein bisschen wie „Schimanski“.

Wayne, war da deinem Vater gegenüber viel Überredungskunst notwendig, denn wenn man im Rampenlicht steht, zeigt man sich für gewöhnlich lieber von der schönsten Seite?
Wayne: Nein, das war nicht nötig und diesen Film konnte auch nur ich so machen. Erstens sehe ich meinen Dad eben nur durch meine Augen so, wie er dargestellt wird und ich hatte jetzt 47 Jahre lang Zeit, um ihn genau zu studieren. Ich weiß, wie er auf der Bühne ist, wie er ist, wenn von der Bühne runterkommt und wie er hinter den Kulissen ist. Als Showman setzt er natürlich eine Maske als Filter auf, so wie wir das alle tun. Wenn wir ein Interview führen, denken wir auch genau darüber nach, was wir sagen können und was nicht. Ich wollte aber, dass vor meiner Kamera nichts ist, was er nicht sagen würde. Das Material war bei mir und Kameramann Clemens Bittner, ein Vertrauter der Familie, in sehr guten Händen. Wir konnten das Projekt nur deshalb umsetzen, weil mein Vater uns beide gut kennt und Clemens eine sehr sensible und empathische Art zu filmen hat. Diese Dokumentation ist eine Chance, für die man auch Mut haben muss. Mein Vater hatte den Mut, sich uns zu öffnen und zu zeigen.

Vater und Sohn kurz vor dem großen Auftritt: Howard und Wayne Carpendale in ihrem gemeinsamen Element. (Bild: Carpendale Productions)
Vater und Sohn kurz vor dem großen Auftritt: Howard und Wayne Carpendale in ihrem gemeinsamen Element.

So ein Projekt kann innerhalb der Familie trotzdem auf andere Schwierigkeiten stoßen, weil alles mit viel mehr Emotionalität verknüpft ist, als wäre man jemand von außerhalb.
Wayne: Ich wollte ja nichts aus ihm rauskitzeln. Wir haben in erster Linie genau das mitgenommen, was wir gesehen haben, und mussten daraus eine Geschichte bzw. eine Dokumentation machen. Während des Drehs war die Kamera einfach immer mit im Raum, was natürlich gewöhnungsbedürftig war. Selbst für uns, die wir seit vielen Jahren vor der Kamera stehen und sie eigentlich gewohnt sind. Es gab aber niemals einen Grund, ein Codewort sagen zu müssen, um aus einer Situation rauszukommen. Mein Dad hat ein einziges Mal gesagt, er bräuchte etwas Abstand, aber ganz ohne Emotion. Das war okay, ansonsten hat er alles zugelassen und uns ganz vertraut.
Howard: Ich hatte beim Schauen des fertigen Films ein- oder zweimal richtig feuchte Augen. Ich weiß genau, wie viel Zeit und Aufwand Wayne sich dafür genommen hat und schätze das sehr. Die Arbeit des Filmens selbst nahm vielleicht ein Drittel des Projekts in Anspruch. Der Rest war schreiben, verhandeln, schneiden etc. Er hat alles sehr ernst genommen und am Ende bleibt ein Film über eine Familie und wie diese Familie in schwierigen Zeiten zusammenhält. Das Schöne an dem Projekt ist, dass man sieht, wie wichtig eine Familie ist und wie man sich gegenseitig braucht. Nichts war davon geplant, alles ist ganz natürlich entstanden.

Salopp gesagt heißt es immer, die Freunde könne man sich aussuchen, die Familie aber nicht. Hat Sie dieser Film als Familie noch näher zusammengebracht?
Wayne: Diese Frage wird uns oft gestellt und ich verstehe sie auch, aber gleichzeitig verstehe ich sie nicht, weil ich meinen Vater jetzt seit 47 Jahren kenne. Hätten uns jetzt acht Monate Dreharbeiten wirklich enger zusammengebracht, müsste ich mir die Frage stellen, was davor nicht gut gelaufen wäre. Die Dimension war aber eine andere. Ich war mit meinem Dad zusammen, wie auch sonst immer, aber dieses Mal aus einer beobachtenden Position heraus. Wenn wir filmten, hat ja nicht nur mein Hirn, sondern auch mein Herz mitgearbeitet. Oft war die Überlegung, wie wir etwas richtig verpacken. Durch das Projekt habe ich gelernt loszulassen und Dinge in der Situation geschehen zu lassen. Nicht schon eine Geschichte im Kopf zu haben, sondern sie passieren zu lassen. Wie im richtigen Leben ist dann das Schöne dabei, dass alles noch spannender, emotionaler und authentischer wird. Wir waren etwa bei den Proben, aber mein Vater hat gesagt, er braucht seine Ruhe, muss alleine sein und sich so vorbereiten. Was machen wir denn da? Wie verbringen wir den Drehtag? Daraus entstand aber eine der schönsten Szenen des Films, weil Howard ganz alleine in der Walachei auf einem Plastikstuhl am Feld sitzt, wo er sich hat absetzen lassen mit dem Taxi. 
Howard: Ich habe da für mich gesungen und geprobt.
Wayne: Und er hat sich eine Allergie eingeholt. Kein Wunder, bei all den Pollen, wie man im Film sieht.
Howard: Daraus entstand etwas, was eigentlich unmöglich ist. Bevor ich das erste Mal auf die Bühne gegangen bin, habe ich meine Musiker nicht ein einziges Mal gesehen. Wir haben nie zusammen geprobt, aber die Show hat dann grandios funktioniert. Das war für uns alle etwas ganz Unglaubliches. Wayne hat bei meiner wahrscheinlich erfolgreichsten, aber auch schwierigsten Tournee in meinem Leben mitgefilmt.

Wie lange hat es gedauert, bis die ständig anwesenden Kameras nicht mehr auffielen und im Alltag inexistent wurden?
Howard: Hätte das jemand Fremdes gemacht, dann wären die Kameras gefühlsmäßig nie weggefallen.
Wayne: Das war ein Grund mehr, warum nur ich dieses Projekt umsetzen konnte. Ich bin ja auch vor der Kamera zu sehen und musste mich selbst an diese Situation gewöhnen. Am Anfang mussten wir uns alle finden und schauen, wohin diese Dokumentation gehen sollte. Natürlich haben da alle noch das Pokerface aufgesetzt und man hat noch gegen den inneren Schweinehund angekämpft, den man auf keinen Fall zeigen wollte. Ich kenne meinen Dad so gut, dass ich in jeder Zelle meines Körpers spüre, wenn mein Dad sich verändert – das gilt natürlich auch umgekehrt. Es ging also nicht nur darum, dass ich ihn Filme, sondern mir auch Gedanken dazu mache, was wir zeigen, was wir tun und was aus all dem, was wir gerade drehen, am Ende herauskommen soll.

Howard, kamen bei dir dann auch Gedanken, wie die Leute dich am Ende sehen würden? Ob du dich in dieser oder jener Situation der Öffentlichkeit überhaupt präsentieren möchtest?
Howard: Ich glaube, wenn du während des Drehs daran denkst, dann machst du etwas falsch. Das ist das gleiche, wie wenn du ins Studio gehst, einen Song aufnimmst und verkrampft der Meinung bist, das würde jetzt ein Hit werden. Man muss immer das tun, was man glaubt, fühlt und hofft.

Wayne, man kann so ein Projekt ungefähr planen, aber niemals bis ins letzte Detail. Machen nicht genau die unvorhergesehenen Dinge eine Dokumentation so einzigartig? Bist du schon mit diesem Vorsatz in das Projekt gegangen, dass man maximal ein Korsett hat, dann aber schlichtweg zulassen muss?
Wayne: Das Korsett war im weitesten Sinne Howards Tournee und der Weg dorthin. Da passierten dann unvorhergesehen Dinge wie die Geschichte mit der Probe oder das Konzert in München, dass mein Dad aus gesundheitlichen Gründen fast absagen musste. Da habe ich mich natürlich schon gefragt, ob wir das wirklich zeigen wollen und wenn ja, wie viel Verletzlichkeit wir zeigen wollen. Da habe ich schon eine Verantwortung gespürt, meinem Vater gegenüber und allem, was sich aus den Situationen heraus entwickelt hat. Der Film ist keine biografische Doku, aber wir zeigen einen Weg, der sinnbildlich für das ganze Leben steht - für den einfachen Mann. Am Anfang sitzt er allein auf einem Feld herum und am Ende ist er der umjubelte Star, dem in München, Köln und Wien 10.000 Menschen zujubeln. Es geht um den Weg vom einen zum anderen Ende. Von der Einfachheit und all den Problemen des Alltags hinauf auf die große Bühne und von dort wieder herunter und zurück ins Hotelzimmer.

Die Szene in München ist besonders ergreifend, weil Howard es fast nicht geschafft hätte, das Konzert zu spielen. Kam da das klassische Zirkuspferd raus, das einfach immer abliefern muss? Steht „The Show Must Go On“ über allem?
Howard: In meinem Leben war es schon öfters fünf vor Zwölf, wo ich mir dachte, wie schaffe ich es heute? Aber wenn ich auf der Bühne bin, ist alles ganz anders. Innerhalb von wenigen Sekunden tankt man quasi 100 Liter Benzin und ist voll da. Ich habe dem Publikum gegenüber eine große Verpflichtung. Ich höre von den Leuten oft den Satz „das hätte ich mir nie gedacht“ und sehe das als großes Kompliment. Ich lege fast mehr Wert auf das Entertainment als auf die Musik. Mit dem Wort Entertainment wird in Deutschland immer herumgeschmissen. Sogar die, die in Mallorca auftreten, werden als Entertainer bezeichnet. Meine Vorstellung von Unterhaltung kommt aus den englischsprachigen Ländern und speziell aus Las Vegas. Ein Konzert von mir ist nicht so einfach zu absolvieren. Unlängst waren wir bei einer Gala eingeladen und mir wurde gesagt, es darf nicht zu lange dauern, weil die Leute mit Bussen nach Hause müssen. Also habe ich nicht viel geredet und Dienst nach Vorschrift gemacht. So wie die meisten Künstler das jeden Abend tun. Mir ist es aber wichtig, die Leute für mich einzunehmen. Ihnen das Gefühl zu geben, sie hätten mich besser kennengelernt. Waynes Aufgabe war, das einzufangen und das ist in 45 Minuten nicht leicht. Wir hätten so eine Doku auch über zweieinhalb Stunden drehen können und ich hoffe, das kommt noch. Ich bin mir sicher, dass Zuseher eine Doku in dieser Form noch nicht gesehen haben. Es ist absolut kein Werbefilm.

Wayne Carpendale und seine Ehefrau Annemarie sichten Unterlagen für den Produktionsprozess. (Bild: Carpendale Productions)
Wayne Carpendale und seine Ehefrau Annemarie sichten Unterlagen für den Produktionsprozess.

Ich höre da heraus, eine Fortsetzung ist alles andere als ausgeschlossen?
Wayne: Das entscheidet am Ende natürlich das Publikum. Die Dokumentation ist auf jeden Fall komplett anders, als man sich das erwarten würde. Sollte es eine Fortsetzung geben, dann kann das nicht als eine Art „Teil zwei“ funktionieren, sondern muss wieder anders aufgebaut sein. Es macht großen Spaß, Dinge zu machen, die nicht nach der Norm gehen. Deshalb hat mein Vater eingangs auch den „Tatort“-Vergleich bemüht. Es ist kein Liebesfilm zwischen Vater und Sohn und auch keine Hommage an den Übervater, sondern schlichtweg die nackte Wahrheit. Ich würde mir wünschen, dass die Zuseher diese Aufgabe annehmen und honorieren.

Wayne, in all den 47 Jahren als Sohn von Howard Carpendale - hat dich da das Entertainmentbusiness nicht auch einmal nachhaltig abgeschreckt?
Wayne: Nein, denn all das, was ich mache, mache ich nicht deshalb, um in der Öffentlichkeit zu stehen. Ich habe nie um jeden Preis den Weg ins Rampenlicht gesucht, sondern bin ein bisschen in die Schauspielerei reingerutscht. Sie hat mir dann aber echte Freude gemacht und ich habe mich darin gut entwickelt. Dann kam die Moderation und über die Jahre habe ich auch Social Media als ernstzunehmendes Medium entdeckt. Mit dieser Dokumentation durfte ich endlich als Regisseur etwas machen, wofür ich überhaupt in diese Branche gekommen bin. Als Produzent darf ich das Analytische mit dem Kreativen verbinden – deshalb hat mich dieses Projekt so gereizt. Natürlich gibt es Tage, an denen man in der Öffentlichkeit nicht groß erkannt werden möchte, aber ich bin niemand, der darüber jammert, wenn es passiert. Wenn du nämlich in der Öffentlichkeit etwas machst und nicht mehr erkannt wirst, dann merkst du, dass etwas fehlt. Die Öffentlichkeit ist ein schönes Zeichen von Anerkennung, Aufmerksamkeit und Applaus, aber sie ist nicht der Grund, warum ich es mache.
Howard: Die Doku ist auch nicht sein erster Versuch als Regisseur. Er hat inzwischen so eine kleine Serie, wo er mit sich selbst spricht, die erfolgreichste Episode hat schon 2,5 Millionen Klicks. Das sage ich jetzt, ohne in groß bewerben zu wollen, aber er ist schon seit vielen Jahren der geborene Regisseur und Produzent. Schön, dass es jetzt klappt.

Hat die Wien-Show in der Dokumentation eigentlich einen besonderen Stellenwert?
Howard: Ja, denn ich musste im Mai 2024 Konzerte absagen. Darunter Wien. Im Juni habe ich das Konzert nachgeholt, musste aber gleich darauf meinen Auftritt bei der „Silbereisen-Show“ absagen. Ich bin heute noch verdammt stolz, dass es mit dem Konzert geklappt hat und ich weiß gar nicht, wie wir das hingekriegt haben. Es gab so viele verschiedene Gerüchte über meinen Gesundheitszustand und das war auch für Wayne nicht einfach. Er wurde mit Dingen konfrontiert, die nicht geplant waren, aber er ist unheimlich gut damit umgegangen und hat daraus eine schöne Geschichte gemacht.

Live in Wien
Am 22. März 2026 kommt Howard Carpendale im Zuge seiner großen Abschiedstournee „Let’s Do It Again, Again!“ noch einmal in die Wiener Stadthalle. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten und alle weiteren Infos zum großen Konzerthighlight.

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